Interview und Erstveröffentlichung: Zeitgeschehen im Fokus von Thomas Kaiser
Welchen Wert geben Sie der Berichterstattung über die Ukraine in unseren Mainstream-Medien?
General a. D. Harald Kujat: Der Ukrainekrieg ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung; er ist auch ein Wirtschafts- und ein Informationskrieg. In diesem Informationskrieg kann man zu einem Kriegsteilnehmer werden, wenn man sich Informationen und Argumente zu eigen macht, die man weder verifizieren noch aufgrund eigener Kompetenz beurteilen kann. Zum Teil spielen auch als moralisch verstandene oder ideologische Motive eine Rolle.
Das ist in Deutschland besonders problematisch, weil in den Medien überwiegend «Experten» zu Wort kommen, die über keine sicherheitspolitischen und strategischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen und deshalb Meinungen äussern, die sie aus Veröffentlichungen anderer «Experten» mit vergleichbarer Sachkenntnis beziehen. Offensichtlich wird damit auch politischer Druck auf die Bundesregierung aufgebaut. Die Debatte über die Lieferung bestimmter Waffensysteme zeigt überdeutlich die Absicht vieler Medien, selbst Politik zu machen. Es mag sein, dass mein Unbehagen über diese Entwicklung eine Folge meines langjährigen Dienstes in der Nato ist, unter anderem als Vorsitzender des Nato-Russland-Rats und der Nato-Ukraine-Kommission der Generalstabschefs.
Besonders ärgerlich finde ich, dass die deutschen Sicherheitsinteressen und die Gefahren für unser Land durch eine Ausweitung und Eskalation des Krieges so wenig beachtet werden. Das zeugt von einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein oder, um einen altmodischen Begriff zu verwenden, von einer höchst unpatriotischen Haltung. In den Vereinigten Staaten, einem der beiden Hauptakteure in diesem Konflikt, ist der Umgang mit dem Ukrainekrieg wesentlich differenzierter und kontroverser, gleichwohl aber immer von nationalen Interessen geleitet.
Sie haben sich Anfang 2022, als die Lage an der Grenze zur Ukraine immer zugespitzter wurde, zum damaligen Inspekteur der Marine, Vizegeneral Kai-Achim Schönbach, geäussert und sich im gewissen Sinne hinter ihn gestellt. Er warnte eindringlich vor einer Eskalation mit Russland und machte dem Westen den Vorwurf, er hätte Putin gedemütigt, und man müsse auf gleicher Augenhöhe mit ihm verhandeln.
Ich habe mich nicht in der Sache geäussert, sondern um ihn vor unqualifizierten Angriffen in Schutz zu nehmen. Ich war allerdings immer der Ansicht, dass man diesen Krieg verhindern muss und dass man ihn auch hätte verhindern können. Dazu habe ich mich im Dezember 2021 auch öffentlich geäussert. Und Anfang Januar 2022 habe ich Vorschläge veröffentlicht, wie in Verhandlungen ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis erzielt werden könnte, mit dem ein Krieg doch noch vermieden wird. Leider ist es anders gekommen. Vielleicht wird einmal die Frage gestellt, wer diesen Krieg wollte, wer ihn nicht verhindern wollte und wer ihn nicht verhindern konnte.
Wie schätzen Sie die momentane Entwicklung in der Ukraine ein?
Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger wird es, einen Verhandlungsfrieden zu erzielen. Die russische Annexion von vier ukrainischen Gebieten am 30. September 2022 ist ein Beispiel für eine Entwicklung, die nur schwer rückgängig gemacht werden kann. Deshalb fand ich es so bedauerlich, dass die Verhandlungen, die im März in Istanbul geführt wurden, nach grossen Fortschritten und einem durchaus positiven Ergebnis für die Ukraine abgebrochen wurden. Russland hatte sich in den Istanbul-Verhandlungen offensichtlich dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23. Februar zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Jetzt wird immer wieder der vollständige Abzug als Voraussetzung für Verhandlungen gefordert.
Was hat denn die Ukraine als Gegenleistung angeboten?
Die Ukraine hatte sich verpflichtet, auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten und keine Stationierung ausländischer Truppen oder militärischer Einrichtungen zuzulassen. Dafür sollte sie Sicherheitsgarantien von Staaten ihrer Wahl erhalten. Die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch, unter ausdrücklichem Verzicht auf militärische Gewalt gelöst werden.
Warum kam der Vertrag nicht zustande, der Zehntausenden das Leben gerettet und den Ukrainern die Zerstörung ihres Landes erspart hätte?
Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert und eine Unterzeichnung verhindert. Seine Begründung war, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit.
Es ist ungeheuerlich, was da gespielt wird, von dem der gutgläubige Bürger keine Ahnung hat. Die Verhandlungen in Istanbul waren bekannt, auch dass man kurz vor einer Einigung stand, aber von einem Tag auf den anderen hat man nichts mehr gehört.
Mitte März hatte beispielsweise die britische «Financial Times» über Fortschritte berichtet. Auch in einigen deutschen Zeitungen erschienen entsprechende Meldungen. Weshalb die Verhandlungen scheiterten, ist allerdings nicht berichtet worden. Als Putin am 21. September die Teilmobilmachung verkündete, erwähnte er zum ersten Mal öffentlich, dass die Ukraine in den Istanbul-Verhandlungen im März 2022 positiv auf russische Vorschläge reagiert habe. «Aber», sagte er wörtlich, «eine friedliche Lösung passte dem Westen nicht, deshalb hat er Kiew tatsächlich befohlen, alle Vereinbarungen zunichte zu machen.»
Darüber schweigt tatsächlich unsere Presse.
Anders als beispielsweise die amerikanischen Medien. «Foreign Affairs» und «Responsible Statecraft», zwei renommierte Zeitschriften, veröffentlichten dazu sehr informative Berichte. Der Artikel in «Foreign Affairs» war von Fiona Hill, einer ehemals hochrangigen Mitarbeiterin im nationalen Sicherheitsrat des Weissen Hauses. Sie ist sehr kompetent und absolut zuverlässig. Sehr detaillierte Informationen wurden bereits am 2. Mai auch in der regierungsnahen «Ukrainska Pravda» veröffentlicht.
Haben Sie noch weitere Angaben zu dieser Ungeheuerlichkeit?
Es ist bekannt, dass die wesentlichen Inhalte des Vertragsentwurfs auf einem Vorschlag der ukrainischen Regierung vom 29. März beruhen. Darüber berichten inzwischen auch viele US-amerikanische Medien. Ich habe jedoch erfahren müssen, dass deutsche Medien selbst dann nicht bereit sind, das Thema aufzugreifen, wenn sie Zugang zu den Quellen haben.
Sie äussern sich in einem Artikel folgendermassen: «Der Mangel an sicherheitspolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen in unserem Lande ist beschämend.» Was meinen Sie damit konkret?
Nehmen wir als Beispiel den Zustand der Bundeswehr. 2011 wurde eine Bundeswehrreform durchgeführt, die sogenannte Neuausrichtung der Bundeswehr. Neuausrichtung bedeutete weg vom Verfassungsauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung und hin zu Auslandseinsätzen. Zur Begründung hiess es, dass es kein Risiko eines konventionellen Angriffs auf Deutschland und die Nato-Verbündeten gebe. Personalumfang und Struktur der Streitkräfte, Ausrüstung, Bewaffnung und Ausbildung wurden auf Auslandseinsätze ausgerichtet. Streitkräfte, die über die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung verfügen, können auch Stabilisierungseinsätze durchführen, zumal die Bundesregierung und das Parlament darüber im Einzelfall selbst entscheiden können. Umgekehrt ist das nicht der Fall, denn ob der Fall der Landes- und Bündnisverteidigung eintritt, entscheidet der Aggressor. Die damalige Lagebeurteilung war ohnehin falsch. Denn durch die einseitige Kündigung des ABM-Vertrages durch die USA war bereits 2002 ein strategischer Wendepunkt im Verhältnis zu Russland entstanden. Politischer Wendepunkt war der Nato-Gipfel in Bukarest 2008, als US-Präsident George W. Bush versuchte, eine Einladung der Ukraine und Georgiens zum Nato-Beitritt durchzusetzen. Als er damit scheiterte, wurde, wie in solchen Fällen üblich, eine vage Beitrittsperspektive für diese Länder in das Communiqué aufgenommen.
Sehen Sie aufgrund dieser Entwicklung zwischen Russland und den USA einen Zusammenhang mit der aktuellen Krise?
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Obwohl durch den Ukrainekrieg das Risiko einer Konfrontation Russlands und der Nato für jedermann offensichtlich ist, wird die Bundeswehr weiter entwaffnet, ja, geradezu kannibalisiert, um Waffen und militärisches Gerät für die Ukraine freizusetzen. Einige Politiker rechtfertigen dies sogar mit dem unsinnigen Argument, dass unsere Freiheit in der Ukraine verteidigt würde.
Warum ist das für Sie ein unsinniges Argument? Alle argumentieren so, selbst der Vorsteher des Schweizer Aussendepartements, Ignazio Cassis.
Die Ukraine kämpft um ihre Freiheit, um ihre Souveränität und um die territoriale Integrität des Landes. Aber die beiden Hauptakteure in diesem Krieg sind Russland und die USA. Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA. Denn deren erklärtes Ziel ist es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden können, der als einziger in der Lage ist, ihre Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China. Zudem wäre es doch höchst unmoralisch, die Ukraine in ihrem Kampf für unsere Freiheit allein zu lassen und lediglich Waffen zu liefern, die das Blutvergiessen verlängern und die Zerstörung des Landes vergrössern. Nein, in diesem Krieg geht es nicht um unsere Freiheit. Die Kernprobleme, weshalb der Krieg entstanden ist und immer noch fortgesetzt wird, obwohl er längst beendet sein könnte, sind ganz andere.
Was ist Ihrer Meinung nach das Kernproblem?
Russland will verhindern, dass der geopolitische Rivale USA eine strategische Überlegenheit gewinnt, die Russlands Sicherheit gefährdet. Sei es durch Mitgliedschaft der Ukraine in der von den USA geführten Nato, sei es durch die Stationierung amerikanischer Truppen, die Verlagerung militärischer Infrastruktur oder gemeinsamer Nato-Manöver. Auch die Dislozierung amerikanischer Systeme des ballistischen Raketenabwehrsystems der Nato in Polen und Rumänien ist Russland ein Dorn im Auge, denn Russland ist überzeugt, dass die USA von diesen Abschussanlagen auch russische interkontinentalstrategische Systeme ausschalten und damit das nuklearstrategische Gleichgewicht gefährden könnten. Eine wichtige Rolle spielt auch das Minsk II-Abkommen, in dem die Ukraine sich verpflichtet hat, der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas bis Ende 2015 durch eine Verfassungsänderung mit einer grösseren Autonomie der Region Minderheitenrechte zu gewähren, wie sie in der Europäischen Union Standard sind. Es gibt inzwischen Zweifel, ob die USA und die Nato bereit waren, vor dem russischen Angriff auf die Ukraine ernsthaft über diese Fragen zu verhandeln.
Wilfried Scharnagl zeigt in seinem Buch «Am Abgrund» bereits 2015 ganz deutlich auf, dass die Politik des Westens eine unglaubliche Provokation ist, und wenn EU und Nato ihren Kurs nicht ändern, es zu einer Katastrophe kommen könnte.
Ja, damit muss man rechnen. Je länger der Krieg dauert, desto grösser wird das Risiko einer Ausweitung oder Eskalation.
Das haben wir bereits in der Kubakrise gehabt.
Das war eine vergleichbare Situation.
Wie beurteilen Sie die beschlossene Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine?
Waffensysteme haben Stärken und Schwächen aufgrund technischer Merkmale und damit – abhängig vom Ausbildungstand der Soldaten sowie den jeweiligen operativen Rahmenbedingungen – einen bestimmten Einsatzwert. Im Gefecht der verbundenen Waffen wirken verschiedene Waffensysteme in einem gemeinsamen Führungs- bzw. Informationssystem zusammen, wodurch die Schwächen des einen Systems durch die Stärken anderer Systeme ausgeglichen werden. Bei einem niedrigen Ausbildungsstand des Bedienungspersonals oder wenn ein Waffensystem nicht gemeinsam mit anderen Systemen in einem funktionalen Zusammenhang eingesetzt wird und möglicherweise die Einsatzbedingungen schwierig sind, ist der Einsatzwert gering. Damit besteht die Gefahr der frühzeitigen Ausschaltung oder sogar das Risiko, dass die Waffe in die Hand des Gegners fällt. Das ist die gegenwärtige Lage, in der moderne westliche Waffensysteme im Ukrainekrieg zum Einsatz kommen. Russland hat im Dezember ein umfangreiches Programm zur Auswertung der technischen und operativ-taktischen Parameter eroberter westlicher Waffen begonnen, was die Effektivität der eigenen Operationsführung und Waffenwirkung erhöhen soll.
Darüber hinaus stellt sich grundsätzlich die Frage der Mittel-Zweck-Relation. Welchem Zweck sollen die westlichen Waffen dienen? Selenskij hat die strategischen Ziele der ukrainischen Kriegsführung immer wieder geändert. Gegenwärtig verfolgt die Ukraine das Ziel, alle von Russland besetzten Gebiete einschliesslich der Krim zurückzuerobern. Der deutsche Bundeskanzler sagt, wir unterstützen die Ukraine, solange das nötig ist, also auch bei der Verfolgung dieses Ziels, obwohl die USA mittlerweile betonen, es ginge darum, lediglich «das Territorium zurückzuerobern, das seit dem 24. Februar 2022 von Russland eingenommen wurde.»
Es gilt somit die Frage zu beantworten, ob das Mittel westlicher Waffenlieferungen geeignet ist, den von der Ukraine beabsichtigten Zweck zu erfüllen. Diese Frage hat eine qualitative und eine quantitative Dimension. Die USA liefern keine Waffen ausser solche zur Selbstverteidigung, keine Waffen, die das Gefecht der verbundenen Waffen ermöglichen und vor allem keine, die eine nukleare Eskalation auslösen könnten. Das sind Präsident Bidens drei Neins.
Wie will die Ukraine ihre militärischen Ziele erreichen?
Der ukrainische Generalstabschef, General Saluschnij, sagte kürzlich: «Ich brauche 300 Kampfpanzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen, um die russischen Truppen auf die Positionen vor dem Angriff vom 24. Februar zurückzudrängen. Jedoch mit dem, was er erhalte, seien «grössere Operationen nicht möglich». Ob die ukrainischen Streitkräfte angesichts der grossen Verluste der letzten Monate überhaupt noch über eine ausreichende Zahl geeigneter Soldaten verfügen, um diese Waffensysteme einsetzen zu können, ist allerdings fraglich. Jedenfalls erklärt auch die Aussage General Saluschnijs, weshalb die westlichen Waffenlieferungen die Ukraine nicht in die Lage versetzen, ihre militärischen Ziele zu erreichen, sondern lediglich den Krieg verlängern. Hinzu kommt, dass Russland die westliche Eskalation jederzeit durch eine eigene übertreffen könnte.
In der deutschen Diskussion werden diese Zusammenhänge nicht verstanden oder ignoriert. Dabei spielt auch die Art und Weise eine Rolle, wie einige Verbündete versuchen, die Bundesregierung öffentlich nun auch zur Lieferung von Leopard 2-Kampfpanzern zu drängen. Das hat es in der Nato bisher nicht gegeben. Es zeigt, wie sehr Deutschlands Ansehen im Bündnis durch die Schwächung der Bundeswehr gelitten hat und mit welchem Engagement einige Verbündete das Ziel verfolgen, Deutschland gegenüber Russland besonders zu exponieren.
Was nährt Selsenkijs Auffassung, man könne die Russen aus der Ukraine vertreiben?
Möglicherweise werden die ukrainischen Streitkräfte mit den Waffensystemen, die ihnen auf der nächsten Geberkonferenz am 20. Januar zugesagt werden, etwas effektiver in der Lage sein, sich gegen die in den nächsten Wochen stattfindenden russischen Offensiven zu verteidigen. Sie können dadurch aber nicht die besetzten Gebiete zurückerobern. Nach Ansicht des US-amerikanischen Generalstabschefs, General Mark Milley, hat die Ukraine das, was sie militärisch erreichen konnte, erreicht. Mehr ist nicht möglich. Deshalb sollten jetzt diplomatische Bemühungen aufgenommen werden, um einen Verhandlungsfrieden zu erreichen. Ich teile diese Auffassung.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die russischen Streitkräfte offenbar die Absicht haben, das eroberte Gebiet zu verteidigen und den Rest des Donbas zu erobern, um die von ihnen annektierten Gebiete zu konsolidieren. Sie haben ihre Verteidigungsstellungen gut dem Gelände angepasst und stark befestigt. Angriffe auf diese Stellungen erfordern einen hohen Kräfteaufwand und die Bereitschaft, erhebliche Verluste hinzunehmen. Durch den Abzug aus der Region Cherson wurden ungefähr 22 000 kampfkräftige Truppen für Offensiven freigesetzt. Zudem werden weitere Kampfverbände als Verstärkung in die Region verlegt.
Aber was sollen dann die Waffenlieferungen, die das Erreichen von Selenskijs Ziel nicht ermöglichen?
Die derzeitigen Bemühungen der USA, die Europäer zu weiteren Waffenlieferungen zu veranlassen, haben möglicherweise mit dieser Lageentwicklung zu tun. Man muss zwischen den öffentlich geäusserten Gründen und den konkreten Entscheidungen der Bundesregierung unterscheiden. Es würde zu weit führen, auf das ganze Spektrum dieser Diskussion einzugehen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Bundesregierung in dieser Frage wirklich kompetent beraten wird und – was vielleicht noch wichtiger ist – der Bedeutung dieser Frage entsprechend aufnahmebereit und urteilsfähig wäre.
Die Bundesregierung ist mit der Unterstützung der Ukraine schon sehr weit gegangen. Zwar machen Waffenlieferungen Deutschland noch nicht zur Konfliktpartei. Aber in Verbindung mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Waffen unterstützen wir die Ukraine dabei, ihre militärischen Ziele zu erreichen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat deshalb in seinem Gutachten vom 16. März 2022 erklärt, dass damit der gesicherte Bereich der Nicht-Kriegsführung verlassen wird. Auch die USA werden ukrainische Soldaten in Deutschland ausbilden. Das Grundgesetz enthält in seiner Präambel ein striktes Friedensgebot für unser Land. Das Grundgesetz toleriert die Unterstützung einer Kriegspartei also nur dann, wenn diese geeignet ist, eine friedliche Lösung zu ermöglichen. Die Bundesregierung ist deshalb in der Pflicht, der deutschen Bevölkerung zu erklären, innerhalb welcher Grenzen und mit welchem Ziel die Unterstützung der Ukraine erfolgt. Schliesslich müssten auch der ukrainischen Regierung die Grenzen der Unterstützung aufgezeigt werden. Selbst Präsident Biden hat vor einiger Zeit in einem Namensartikel erklärt, dass die USA die Ukraine zwar weiter militärisch unterstützen werden, aber eben auch ihre Bemühungen, in diesem Konflikt einen Verhandlungsfrieden zu erreichen.
Seit Wochen rennt die ukrainische Armee gegen die Russen an – ohne Erfolg. Dennoch spricht Selenskij von Rückeroberung. Ist das Propaganda oder besteht diese Möglichkeit tatsächlich?
Nein, dazu sind die ukrainischen Streitkräfte sowohl nach Einschätzung des amerikanischen wie des ukrainischen Generalstabschefs nicht in der Lage. Beide Kriegsparteien befinden sich gegenwärtig wieder in einer Pattsituation, die durch die Einschränkungen aufgrund der Jahreszeit verstärkt wird. Jetzt wäre also der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die Waffenlieferungen bedeuten das Gegenteil, nämlich dass der Krieg sinnlos verlängert wird, mit noch mehr Toten auf beiden Seiten und der Fortsetzung der Zerstörung des Landes. Aber auch mit der Folge, dass wir noch tiefer in diesen Krieg hineingezogen werden. Selbst der Nato-Generalsekretär hat kürzlich vor einer Ausweitung der Kämpfe zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland gewarnt.
Sie sagen, wir haben wieder eine «Pattsituation». Was meinen Sie damit?
Eine positive Ausgangslage für eine Verhandlungslösung hatte sich beispielsweise Ende März vergangenen Jahres ergeben, als die Russen entschieden, vor Kiew abzudrehen und sich auf den Osten und den Donbas zu konzentrieren. Das hat die Verhandlungen in Istanbul ermöglicht. Eine ähnliche Lage entstand im September, bevor Russland die Teilmobilisierung durchführte. Die damals entstandenen Möglichkeiten sind nicht genutzt worden. Jetzt wäre es wieder Zeit zu verhandeln, und wir nutzen auch diese Gelegenheit nicht, sondern tun das Gegenteil: Wir schicken Waffen und eskalieren. Auch dies ist ein Aspekt, der den Mangel an sicherheitspolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen offenlegt.
Sie haben in Ihrem Text noch erwähnt, dass der russische Verteidigungsminister Schoigu Bereitschaft für Verhandlungen signalisiert hat …
… das hat auch Putin gemacht. Putin hat am 30. September, als er zwei weitere Regionen zu russischem Territorium erklärte, ausdrücklich wieder Verhandlungen angeboten. Er hat das zwischenzeitlich mehrfach getan. Jetzt ist es allerdings so, dass Schoigu das nicht an Bedingungen geknüpft hat, aber Putin hat sozusagen die Latte höher gelegt, indem er sagte, wir sind zu Verhandlungen bereit, aber es setzt natürlich voraus, dass die andere Seite die Gebiete, die wir annektiert haben, anerkennt. Daran sieht man, dass sich die Positionen beider Seiten immer mehr verhärten, je länger der Krieg dauert. Denn Selenskij sagte, er verhandle erst, wenn sich die Russen vollständig aus der Ukraine zurückgezogen hätten. Damit wird eine Lösung immer schwieriger, aber sie ist noch nicht ausgeschlossen.
Ich möchte noch auf ein Ereignis zu sprechen kommen. Frau Merkel hat in einem Interview …
… ja, was sie sagt, ist eindeutig. Sie hätte das Minsk II-Abkommen nur ausgehandelt, um der Ukraine Zeit zu verschaffen. Und die Ukraine habe diese auch genutzt, um militärisch aufzurüsten. Das hat der ehemalige französische Präsident Hollande bestätigt.
Petro Poroschenko, der ehemalige ukrainische Staatspräsident, hat das ebenfalls gesagt.
Russland bezeichnet das verständlicherweise als Betrug. Und Merkel bestätigt, dass Russland ganz bewusst getäuscht wurde. Das kann man bewerten, wie man will, aber es ist ein eklatanter Vertrauensbruch und eine Frage der politischen Berechenbarkeit. Nicht wegdiskutieren kann man allerdings, dass die Weigerung der ukrainischen Regierung – in Kenntnis dieser beabsichtigten Täuschung – das Abkommen umzusetzen, noch wenige Tage vor Kriegsbeginn, einer der Auslöser für den Krieg war. Die Bundesregierung hatte sich in der Uno-Resolution dazu verpflichtet, das «gesamte Paket» der vereinbarten Massnahmen umzusetzen. Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin mit den anderen Teilnehmern des Normandie-Formats eine Erklärung zur Resolution unterschrieben, in der sie sich noch einmal ausdrücklich zur Implementierung der Minsk-Vereinbarungen verpflichtete.
Das ist doch auch ein Völkerrechtsbruch?
Ja, das ist ein Völkerrechtsbruch, das ist eindeutig. Der Schaden ist immens. Man muss sich die heutige Situation einmal vorstellen. Die Leute, die von Anfang an Krieg führen wollten und immer noch wollen, haben den Standpunkt vertreten, mit Putin kann man nicht verhandeln. Der hält die Vereinbarungen so oder so nicht ein. Jetzt stellt sich heraus, wir sind diejenigen, die internationale Vereinbarungen nicht einhalten.
Nach meinen Kenntnissen halten die Russen ihre Verträge ein, sogar während des aktuellen Krieges hat Russland weiterhin Gas geliefert. Aber Frau Baerbock hat vollmundig verkündet: «Wir wollen kein russisches Gas mehr!» Daraufhin hat Russland die Menge gedrosselt. So war es doch?
Ja, wir haben gesagt, wir wollen kein russisches Gas mehr. Alle Folgewirkungen, die Energiekrise, die wirtschaftliche Rezession etc. sind das Resultat der Entscheidung der Bundesregierung und nicht einer Entscheidung der russischen Regierung.
Aber wenn Sie die Nachrichten hören oder sehen – auch bei uns in der Schweiz – dann gibt es die Energiekrise aufgrund von Putins Entscheid, Krieg gegen die Ukraine zu führen.
In der Vergangenheit gab es zweimal Schwierigkeiten bei der Lieferung von Gas, die von der Ukraine verursacht wurden. Da sollte man ehrlich sein. Russland würde weiter liefern, aber wir wollen von dort nichts mehr, weil es die Ukraine angegriffen hat. Dann kommt noch die Frage auf: Wer hat eigentlich North-Stream II in die Luft gesprengt?
Haben Sie eine Einschätzung zur Sprengung?
Nein, das wäre reine Spekulation. Es gibt Indizien wie so häufig, aber keine Beweise. Jedenfalls keine, die öffentlich bekannt geworden sind. Aber Sie können ganz sicher sein: Die Sonne bringt es an den Tag.
Welche Erfahrungen haben Sie in Verhandlungen mit Russland gemacht?
Ich habe viele Verhandlungen mit Russland geführt, z. B. über den russischen Beitrag zum Kosovo-Einsatz der Nato. Die USA hatten uns darum gebeten, weil sie mit Russland zu keinem Ergebnis kamen. Russland war schliesslich bereit, seine Truppen einem deutschen Nato-Befehlshaber zu unterstellen. In den 90er Jahren entstand eine enge politische Abstimmung und militärische Zusammenarbeit zwischen der Nato und Russland, seit 1997 durch den Nato-Russland-Grundlagenvertrag geregelt. Die Russen sind harte Verhandlungspartner, aber wenn man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt, dann steht das und gilt auch.
Wie sah das Ergebnis aus?
Die Russen wollten in den Verhandlungen um den Grundlagenvertrag eine Art Mitentscheidungsrecht erhalten. Das war nicht möglich. Wir haben aber einen Weg gefunden, gemeinsame Lösungen in Fällen zu finden, in denen die Sicherheitsinteressen der einen oder anderen Seite betroffen sind. Nach dem Georgienkrieg hat die Nato die Zusammenarbeit leider weitgehend suspendiert. Es hat sich auch im Vorfeld des Ukrainekrieges gezeigt, dass Regelungen, die in Zeiten eines guten Verhältnisses für die Beilegung von Krisen und Konflikten geschaffen werden, dann ihren Wert haben, wenn es zu Spannungen kommt. Leider hat man das nicht verstanden.
Herr General Kujat, ich danke für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser
* General a.D. Harald Kujat, geboren am 1. März 1942, war u. a. Generalinspekteur der Bundeswehr und als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses höchster Militär der Nato. Zugleich amtete er als Vorsitzender des Nato-Russland-Rates sowie des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates der Generalstabschefs. Für seine Verdienste wurde Harald Kujat mit einer grossen Zahl von Auszeichnungen geehrt, darunter mit dem Kommandeurskreuz der Ehrenlegion der Republik Frankreich, dem Kommandeurskreuz des Verdienstordens Lettlands, Estlands und Polens, der Legion of Merit der Vereinigten Staaten, dem Grossen Band des Leopoldordens des Königreichs Belgien, dem Grossen Bundesverdienstkreuz, sowie mit weiteren hohen Auszeichnungen, u.a. aus Malta, Ungarn und der Nato.
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Kommentar von Alfinso Kerner
Jetzt ist es passiert, was nicht anders zu erwarten war:
Deutschland liefert Panzer!
Wer das entschieden hat, das war sicher nicht Scholz,
denn der ist doch nur ein Erfüllungsgehilfe, eine politische Marionette,
der umzusetzen hat, was andere, nämlich die, die auf dieser Erde das Sagen haben, ihm "zuflüstern".
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Kommentar von Matthias P.
@ S. Korte:
Ich möchte nicht nur auf Ihren Kommentar antworten, sondern sehe ihn stellvertretend für viele andere, die in dieselbe Richtung gehen.
Ich sehe es genau umgekehrt: Der Angriff Deutschland auf Russland war vielleicht „dumm wie verbrecherisch“ , aber nur gegen das eigene Volk, nicht gegen Russland. Die Präventivkriegsthese ist ja nur insoweit wiederlegt, als geklärt sei, dass Russland uns nicht unmittelbar habe überfallen wollen, nicht aber dass es dies nicht zu einem späterem Zeitpunkt vorgehabt habe. Die spätere Entwicklung der Besetzung und Unterjochung halb Europas durch Russland hat jedenfalls seine expansive Absichten deutlich gezeigt und spricht dafür, dass Hitler recht hatte. Selbst Churchill hat ja wohl im Nachhinein seine Unterstützung Stalins kritisch gesehen. Mittlerweile dürfte die ganze Welt zu der späten Einsicht kommen, dass das dt. Handeln so schlecht nicht war.
Während Russland jetzt erneut mit Hilfe zentralasiatischer Kämpfer ein europäisches Volk, das er als „Nazis“ tituliert, auslöschen/töten/unterjochen will, halten gerade in D beträchtliche Kräfte (darunter auch solche Personen, die sonst so getan haben, als würden sie D von einer angebl. „Erbschuld“ befreien wollen) an dem alten Narrativ der „dt. Schuld an allem“ und der „finsteren dt. Vergangenheit“ fest und beharren stattdessen auf Verständnis für den Feind Russland. Im Grunde ist das wohl nur noch mit einem ausgeprägten Stockholm-Syndrom zu erklären. Wie deutlich kann Russland noch zeigen, dass es nicht zur zivilisierten Welt gehört und nicht gehören will, sondern diese bekämpft?
In D gab es auch früher schon antideutsche und pro-russisch/sowjetische Kräfte, die auch zur Revolution 1918/19 und zum Verlust des 1. WK beigetragen haben und die heute v.a. bei der SED/PDS/Linken (und nun aber auch der linksgedrifteten AfD) lokalisiert sind. Dass sich diese Gedankenwelt aber immer mehr ausbreitet, beunruhigt mich sehr.
Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass D Waffen liefern sollte, denn es kann ja andere Gründe für Nichtlieferung geben. Einen sprechen ja auch Sie an, nämlich das Interesse der USA, ihre Waffen zu verkaufen. Wenn die dt. Panzer in Europa an die Ukraine verschenkt sind, werden unsere „Kunden“ mangels dt. Produktionskapazitäten in den USA einkaufen und uns den Rücken kehren (https://www.nzz.ch/international/kampfpanzer-leopard-2-us-ruestungsinteressen-lassen-scholz-zoegern-ld.1722377). Aber auch das Problem ist letztlich in D „hausgemacht“, wurde hier doch seelenruhig dem Verfall der dt. Rüstungsindustrie zugesehen. Es muss dringend gelöst werden, wenn D irgendwann noch einmal aus dem Abwärtsstrudel herauskommen will.
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Kommentar von Alfonso Kerner
Habe bei tichyseinblick einen Hinweis in der Kommentarfunktion auf diesen Artikel mit dem Interview mit General a. D. Harald Kujat über den Ukrainekonflikt gemacht.
Mein Kommentar wurde allerdings, wie ich aufgrund der politisch linientreuen Einstellung der tichy-Redaktion zu dem Unkrainekrieg erwartet habe, nicht veröffentlich. Soviel Information passt wohl nicht uns dortiges Redaktionskonzept.
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Kommentar von Borsalino
@ Bernhard Rossi
Auch wenn ich Herrn Kujat sehr schätze, so bleibt er dennoch sehr vorsichtig in seinen Äußerungen. Er stellt die Fragen, aber er beantwortet sie nicht. Es ist allerdings notwendig, Ross und Reiter immer wieder und klar zu benennen.
Auch bei Nordstream hält er sich raus ...
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Kommentar von EddyGavon
Interessante Analyse ,das "Deutsche Interesse" sollte über den "Sicherheitsgedanken" hinaus in den Vordergrund gestellt werden.Was unser "Haus Deutschland" verliert merken wir Landeseigentümer bereits jetzt und das ist erst der Anfang.
Was könnten wir eigentlich gewinnen ?Nichts denke ich...Russland wird kaum einen Sieg der Ukraine akzeptieren...selbst wenn Zelenskyy ein paar Volksrepubliken" zurückgewinnt, wie will er sie "halten"...langfristig ?
Aus "Deutscher Sicht"stellt sich die Frage wie wir aus der Nummer möglichst schadlos wieder rauskommen. Ein Blick auf Russia Social Networks reicht und jeder kann feststellen das die Volksstimme alles andere als "Deutsch freundlich" ist.
Kritik an Putin kommt zu 99% aus der
Ecke "Russia muss härter vorgehen"...
Was immer es bedeutet,das Z Symbol taucht immer häufiger in der "Feuer und Flammen" Variante auf...
Sollte man berücksichtigen...
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Kommentar von Hildegard Hardt
General a. D. Kujat ist für seine Einschätzung des Ukraine-Koflikts größter Respekt zu zollen! Es gehört sehr viel Mut dazu, auch Verständnis für die russische Seite aufzubringen. - Eine so korrekte Analyse kenne ich nur noch von Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof in seinem Buch "1939 - Der Krieg der viele Väter hatte".
Wer bei Epoch Times kommentiert, sollte bei Artikeln zum Ukrainekrieg unbedingt auf dieses Interview verlinken, damit es einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht wird. In Anbetracht der bewußt einseitigen medialen Berichterstattung ist eine Verbreitung des Interviews geradezu eine Verpflichtung!
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Kommentar von Alfonso Kerner
Dieses Interview sollte unbedingt eine größere Verbreitung bekommen.
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Kommentar von Bernhard Rossi
General a.D. Kujat bringt es auf den Punkt: wer diesen Krieg wollte, wer ihn nicht verhindern wollte und wer ihn nicht verhindern konnte!
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Kommentar von Sven Korte
Deutsche Leoparden für die Ukraine?
Wenn die Ukraine tatsächlich deutsche Leopard 2-Kampfpanzer erhalten sollte, dann wird hingenommen, dass es zu ähnlichen Bildern kommt, wie seinerzeit in Nordsyrien: zerstörte und brennende deutsche Panzer in der ukrainischen Landschaft.
Wenn diese dann auch noch mit den üblichen Bandera-Symbolen versehen wurden (Hakenkreuze, Totenköpfe, ect.), was würde dann geschehen?
Wie würde die deutsche Bevölkerung darauf reagieren? Und wie würde die restliche Welt solche Bilder interpretieren? Man darf wohl davon ausgehen, dass die Reaktionen nicht allzu gut für Deutschland ausfallen würden.
Sonst wird der deutsche Bürger jeder Gelegenheit auf seine düstere Vergangenheit hingewiesen und die schwere Schuld, die wir deshalb für alle Zeiten zu tragen haben. Auch Hitler schickte seine Panzer gegen Russland aus, was zweifelsohne ebenso dumm wie verbrecherisch gewesen ist. Wenn nun aber die Grünen und ihre Gefolgsleute in den Medien das Gleiche vorhaben und der normale Bürger das kritisiert, dann wird eben dieser kritische Bürger von Politik und Medien als „Nazi“ beschimpft. Wer, bitteschön, soll dieser verkorksten Logik noch folgen können?
Betrachten wir jedoch die rein praktischen Folgen. Diese wären schon für sich genommen, denn der von den Medien erschaffene Nimbus des deutschen „Superpanzers“ würde zusammen mit den armen Besatzungen sterben. Für die Deutsche Rüstungsindustrie wären solche Bilder ebenfalls Desaster, zumal sich ja auch der Schützenpanzer Puma beim Training und die Panzerhaubitze 2000 im Kampfeinsatz in der Ukraine, als nicht so gut wie versprochen erwiesen haben. Dabei hatte die deutsche Panzerindustrie bisher weltweit immer einen hervorragenden Ruf. Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall haben mit dem Leopard 2 durchaus einen besten Panzer weltweit gebaut, aber auch einen der teuersten (7 bis 8 Millionen Euro in der Version 2A7). Allein in der Nato und der EU gibt es sechzehn Länder, die den Leopard 2 einsetzen. Manche Nationen besitzen mehrere hundert Stück, etwa die Türkei, Griechenland, Spanien, Polen und Finnland, andere haben nur fünfzig oder noch weniger Exemplare im Dienst, zum Beispiel Norwegen, Dänemark und Kanada. Diesen guten Ruf der deutschen Rüstungsindustrie nachhaltig zu beschädigen, wäre für die Amerikaner gar nicht so verkehrt; sie könnten dann mit ihren eigenen Produkten auf dem europäischen Markt nachfassen. Wer ein bestimmtes Panzermodells beschafft, der bindet sich ja auch eine langfristig an den Hersteller; Ausbildung und Training der Besatzungen, die Infrastruktur für Wartung und Reparatur, die Versorgung mit Ersatzteilen – all das, was nötig ist, um einen Panzer im Einsatz zu versorgen, lässt sich nicht von heute auf morgen aufbauen. Das ist ein Punkt, der bei der Bundeswehr jahrelang kritisch vernachlässigt wurde. Und wer erst einmal im Geschäft ist, der bleibt es auch für Jahrzehnte. Genauso gilt jedoch: Wer einmal raus ist, aus dem Geschäft, der bleibt es für lange Zeit und das ist nicht nur wirtschaftlich ein Verlust. Natürlich kann man über den Verkauf von Waffen denken, wie er möchte, jedoch sichert man dem Staat damit Steuern und Arbeitsplätze und den Unternehmen ihre Gewinne. Rüstungsexporte sind zugleich ein wichtiger Bestandteil der Außen- und Sicherheitspolitik, denn wer einen anderen Staat mit den Waffen beliefert, mit denen er seine eigenen Streitkräfte ausgerüstet hat, der generiert Vertrauen und zugleich auch für wirtschaftliche Abhängigkeit – und gewinnt damit so einigen Einfluss.
Vermutlich zögern die Amerikaner aus diesen Gründen, ihre eigenen Abrams-Panzer an die Ukraine zu liefern, denn dann wäre es ihre Rüstungsindustrie, die unter Umständen einen herben Rückschlag erleiden müsste. Die US-Panzertruppe hat bereits im Irak erstaunlich hohe Verluste erlitten, weil die Abrams in den Städten gegen Guerillas eingesetzt worden sind und mit den einfachsten Mitteln bekämpft wurden. In einer offenen Feldschlacht hingegen haben sich die US-Panzer gegen ältere sowjetische Modelle, wie die T-72, T-62 oder T-55 sehr gut geschlagen, einfach schon deswegen, weil sie mit moderneren Feuerleitanlagen und Sichtgeräten ausgestattet sind. Gegen die russischen T-90, einem Panzer, der ebenso modern ausgestattet ist, wie seine Pendants, ist jedoch noch kein westlicher Panzer angetreten. Deshalb haben die USA auch keine Probleme, ihren europäischen „Verbündeten“ diesen schwarzen Peter in die Hand zu drücken, damit dieser Schierlingsbecher an ihnen vorübergehen möge.
Realistisch betrachtet, werden weder hundert, noch zweihundert Leopard in der Ukraine der viel gepriesene „Gamechanger“ sein, auch wenn die Medien sich das noch so sehr wünschen mögen. Dieser elendige Krieg hat beiden Seiten aufgezeigt, dass die Waffensysteme, die bislang als hochmodern galten, oftmals im Gefecht versagen oder weniger können, als von den Herstellern versprochen wurde. Den Preis für dieses Unvermögen, müssen die Menschen bezahlen, die von ihren Regierungen auf die Schlachtfelder geschickt werden.
Wenn Deutschland hier nicht den Anschluss an die weltweite Entwicklung verpassen möchte – wie leider schon so oft in der Vergangenheit – dann muss hier zwingend gegengesteuert und die Lieferketten wie auch die Infrastruktur der Bundeswehr erneuert werden.