Trump: America first – Merkel: Deutschland zuletzt

Impfstoffversagen ganz nach Plan Merkel

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Die Stunde der Not soll eingeläutet werden, weil Deutschland den Impfstoff später bekommt als andere. Und es gibt etliche, die heute schreien, wie unverschämt das ist. Solche Leute, die zuvor noch entsetzt von Zwangsimpfung gesprochen haben. Ein Paradoxon: Im Moment, wo bekannt wird, dass Impfungen aus Mangel an rechtzeitig reserviertem Impfstoff später passieren, werden Impfgegner zu wütenden Patrioten für den Impfstoff.

Morning-Briefing-Autor Gabor Steingart erinnert sich aktuell und ganz wehmütig an die 1960er Jahre und an einen Helmut Schmidt, der damals so schnell und so flott gegen das Elbhochwasser angetreten und ruckzuck die Bundeswehr in Bewegung gesetzt hätte, zu retten, was noch nicht abgesoffen war. Dankbarkeit und Heldenverehrung: Es gibt nur wenige, die heute sagen würden, Schmidt hätte damals einfach seine Arbeit gemacht, die ihm übertragene Aufgabe übernommen und es richtig gut erledigt, nicht mehr und nicht weniger. Es ist ja nicht so, dass Schmidt als damaliger Hamburger Polizeisenator die Arme ausgebreitet und sich daraufhin das kalte Elbwasser geteilt hätte. Ein Wunder gab es nicht, es gab aber sehr wohl eine exzellente Arbeit.

Aber warum erinnert sich Steingart überhaupt an den alten Schmidt? Er sieht in Deutschland die „Stunde der Not“ gekommen. Das ist ebenso dick aufgetragen, wie Steingarts Heiligenschein über Schmidt schief steht. Stunde der Not war 1945, als Deutschland am Boden lag. Stunden der Not gab es Tage, Wochen, Monate, Jahre für die jüdische Bevölkerung in Deutschland und Europa. Hier wäre Not sogar wieder eine Verharmlosung, es waren Jahre des Entsetzens, der vollkommenen Entmenschlichung, der industriellen Vernichtung.

Die Stunde der Not soll nun deshalb eingeläutet worden sein, weil Deutschland den Impfstoff später bekommt als andere, oder nicht als erstes, obwohl wir ja die Erfinder seien. Und es gibt etliche, die heute schreien, wie unverschämt das ist, solche Leute, die zuvor noch entsetzt von Zwangsimpfung gesprochen haben. Ein Paradoxon: Im selben Moment, wo es bekannt wird, dass die Impfungen aus Mangel an rechtzeitig reserviertem Impfstoff erst später passieren können, werden auch potenzielle Impfgegner zu wütenden Patrioten für den Impfstoff. Also eigentlich hätte man sich nicht impfen lassen wollen, aber doch bitte wenigstens können dürfen. Und schon gar nicht am Ende einer Reihe hinter Israel.

Hinter Israel? Tatsächlich wird aktuell darüber berichtet, wie schnell Israel seine Bürger impfen würde, die Frankfurter Allgemeine fragt gar neidisch: „Wie schafft Israel das rasante Tempo beim Impfen?“ Das kleine Land würde seine Bürger nun schneller impfen als jedes andere Land, weiß die Zeitung. Aber was kann Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besser als Angela Merkel?

Hätte Netanjahu etwa erst den Gaza-Streifen durchimpfen lassen müssen, um sich nicht angreifbar zu machen? Stattdessen erklärt der Ministerpräsident sein Israel zum Impfweltmeister. Und die Frankfurter Allgemeine hält es weiter für notwendig, zu erwähnen, dass der Medizinvorstand des Unternehmens Moderna, wo man sechs Millionen Impfdosen bestellt hätte, Israeli sei, der in der Wüstenstadt Beerscheva studiert hätte. Gibt es sowas, einen redaktionellen versehentlichen Antisemitismus?

Es gibt eine prägnante Szene in dem Zombie-Film World-War-Z mit Brad Pitt in der Hauptrolle, da fragt er die Israelis in Jerusalem, warum sie die ersten gewesen seien, die so schnell Abwehrmaßnahmen gegen die Zombiekrankheit eingeführt und ihre Stadt so sicher gemacht hätten. Und er bekommt die Antwort, dass läge am System des Zehnten. Das Kabinett würde immer einen auswählen, der verpflichtet sei, eine andere Meinung einzunehmen, dann, wenn sich alle einig wären. Und im Falle der Zombiekrankheit waren sich alle einig, dass es schon nicht so schlimm wird, aber der zehnte Mann hätte so lange insistiert, dass er zuletzt alle überzeugt hätte, unverzüglich mit dem Bau einer überdimensionalen Schutzmauer gegen den Feind zu beginnen.

Klar, das ist Fiktion a la Hollywood und der Autor hier kann nicht sagen, ob der zehnte Mann auf wahren Begebenheiten basiert, aber darum geht es gar nicht. Es geht um dieses erstaunliche Prinzip einer Art Zwangspluralität. Um eine Debatte – bzw. eine Art Demokratiegarantie dank eines einzigen, den alle anderen dazu verdonnert haben, zu widersprechen, sollten sie alle einer Meinung sein.

Ihre Unterstützung zählt

Ohne Sie ist hier alles nichts. Ihre Unterstützung ist wichtig. Sie gewährleistet uns weiterhin so kritisch und unabhängig wie bisher zu bleiben. Ihr Beitrag zählt für uns. Dafür danken wir Ihnen!

Mit PayPal

Das soll hier deshalb erzählt werden, weil das System Merkel exakt andersherum funktioniert. Hier sind alle zehn aufgefordert sich vehement gegen den einen zu richten, der anderer Meinung ist. Und das mit allen Mitteln der Denunziation, der Diffamierung und der Diskreditierung. Der Mehltau der Einigkeit ist so schwerwiegend, dass viele vernünftige demokratische Debatten darunter zum Erliegen gekommen sind. Und zwar auf eine Weise, dass die einschränkenden Maßnahmen via Infektionsschutzgesetz von einigen als Ermächtigungsgesetz empfunden wird.

Aber wo der Widerspruch aus karrieristischen und anderen Gründen zum Erliegen kommt, sind Fehlentwicklungen viel wahrscheinlicher. Es ist doch eine Mär, dass ein Mann an der Spitze eines Landes besser lenken könnte, wenn er monarchistisch entscheidet. Diese Kaiser- und Führersehnsucht mag ja eine nie ganz ausrottbare menschliche Sehnsucht zu sein, noch mehr in Zeiten endloser Debatten um Nichts. Aber die Verherrungen der Kanzlerschaft von Angela Merkel und ihrer Großen Koalition haben gezeigt, wohin das führt, wenn es keine Opposition mehr gibt, keinen Widerspruch, weil die Opposition diffamiert wurde oder wie bei den Grünen, assimiliert durch zukünftige Koalitionsversprechen.

Schlimmer noch: Da die Bundeskanzlerin das System der Politik des Aussitzens von Helmut Kohl übernommen hat – ja, der Kanzler der Einheit war die Jahre zuvor ein König des Aussitzens – gibt es nicht nur keine zielführenden scharfen Debatten mehr, Entscheidungen werden von Merkel einfach ausgesetzt.

Wer im Zuge der Massenzuwanderungsdebatte, des Ausstiegs aus dem Atomstrom und der Abwicklung der Schwerindustrie dachte, Angela Merkel hätte sich längst vom Wohl des Deutschen Volkes zugunsten größerer Ordnungen wie EU oder UN verabschiedet, der muss sich angesichts der Impfstoffeinkaufsschlappe der Kanzlerin jetzt noch einmal bestätigt fühlen.

Julian Reichelt schreibt für Bild, die Bundeskanzlerin und die EU-Kommissionspräsidentin hätten den mit etlichen Sondervollmachten ausgestatteten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu gedrängt, „das Impfstoffmandat an die EU abzutreten.“ Reichelt präsentiert ein Brief, der das belegen würde. In diesem Brief, es kommt noch dicker, hätten sich Spahn und seine Kollegen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden für nationale Alleingänge in der Impfstoffbeschaffung entschuldigen müssen.

Zu Kreuze kriechen vor Ursula von der Leyen. Die Bild schreibt: „Sowohl Kanzlerin Angela Merkel (66, CDU) als auch von der Leyen (war) es wichtig, dass der Brief von Spahn und seinen Kollegen in möglichst unterwürfigem Ton verfasst wird.“ Und weil Bild-Chef Julian Reichelt auch dafür bekannt ist, sich festzubeißen, legt er noch einen drauf und titelt fett über Seite eins:

„Dieser Brief wird Leben kosten.“

Die deutsche Bundeskanzlerin wollte die Impfstoffbeschaffung „als große europäische Geste in die Hände der EU legen“. Dieses Abwenden der Kanzlerin vom Amtseid auf Volk und Vaterland in der „Stunde der Not“, wie es Gabor Steingart etwas zu sehr über die Schilddrüse formuliert, soll jetzt nach Lesart der Reichelts dieser Republik, also jener Altmedien, die ihr Fähnchen schneller drehen als andere, als Impfstoff-Desaster im Kanzleramt produziert worden sein.

Und weil diese These immer mehr Anhänger findet, beauftragt die Süddeutsche Zeitung (SZ) sich selbst und schriebt geradezu trotzig und im Stile einer lupenreinen Pressestelle des Kanzleramtes von einer „Entscheidung im europäischen Geist“. Geradezu sarkastisch meint die Autorin der SZ, die EU-Kommission hätte zwar „beim Impfstoff suboptimal verhandelt.“ Das Spahn und Merkel den Impfstoff nicht allein besorgt hätten, sei „trotzdem richtig.“

Aber was haben dann Israel und andere Staaten falsch gemacht? Die Süddeutsche schimpft darüber, dass die Bundeskanzlerin kritisiert werden würde. Und dann rutscht der Zeitung doch noch die Erklärung für das Impfstoffbeschaffungsdesaster heraus: Merkel wäre kritisiert worden, als sie im Alleingang den Atomausstieg nach Fukushima angeschoben hätte und mit dieser Entscheidung die Europäischen Partner überfallen hätte, ebenso, wie sie dafür kritisiert worden wäre, 2015 im Alleingang die „Flüchtlinge in Land“ gelassen zu haben, ohne sich mit den Partnern abgestimmt zu haben. Jetzt wollte sie es mal besser machen. Aber für was für ein Lottchen hält die SZ die Kanzlerin eigentlich?

So eine doppelte Verdrehung von Fakten muss man sich auch als Blatt der Altmedien erst einmal zutrauen: Angela Merkel reicht die Impfstoffbeschaffung an die EU weiter, weil sie hier mal keinen Alleingang wagen wollte? So als wäre die Zuwanderung im selben Maße ein Segen, wie die schnelle Durchimpfung der Deutschen einer gewesen wäre?

Wie schafft man in einer Redaktion eigentlich so eine Analogie, ohne darüber in schallendes Gelächter auszubrechen? Ach ja, die Kanzlerin wäre schon, als sie einen Exportstopp für medizinische Güter angeordnet hatte, eines hartherzigen Nationalismus beschimpft worden. Aber von wem? Etwa von der Opposition? Nein, hier wird einfach jede Kritik an der Kanzlerin für jede Entscheidung herbeigewunken. Selbst noch die ihrer grünen Anhängerschaft, denen es gar nicht schnell genug gehen kann mit der Abwicklung Deutschlands.

Wenn aber jede noch so sinnlose und kontraproduktive politische Entscheidung der Kanzlerin für das Land damit entschuldigt wird, dass es doch irgendeine Kritik gab, dann ist das perfide und erwürgt jede vernünftige Debatte. Denn Kritik ist nun mal der Wesenskern demokratischer Prozesse. Oder wenn sie so wollen, die Pflicht des zehnten Mannes.

Nein, Angela Merkel ist nicht beauftragt worden, sich möglichst jeder Kritik zu entziehen, Sie hat nachvollziehbare Entscheidungen entlang des Wahlprogramms ihrer Partei zu treffen. Und wenn diese ihrem Volk nicht mehr gefallen, muss sie vom Wähler abgestraft werden und in die Opposition oder nach Hause gehen. Aber Merkel und ihre anwachsende Entourage kann sich nicht mehr trennen von der Macht. Lieber trennt sie sich von hinderlichen demokratischen Prozessen und treibt den Keil quer durch die Gesellschaft während dieses Merkel-Deutschland immer weniger noch dieses manchmal etwas schwiemelige Gabor-Steingart-Deutschland eines Helmut Schmidt ist.

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare