Der Billionenraubzug

„Ich bin jetzt Privatmann“, erklärt uns Christian Lindner am Spreeufer

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Aber wer schützt die Deutschen vor ihrem Parlament?© Quelle: Foto: Gregor Leip

Eben angekommen am Reichstag, den Wagen im Halteverbot geparkt, kann ich die Tür gerade noch zurückziehen, sonst hätte ich sie Christian Lindner vors Schienbein geknallt. „Herr Lindner!“, kann ich nur überrascht sagen.

Der ehemalige Finanzminister und FDP-Chef erscheint größer als erwartet, er geht ohne Mantel, hellblauer Anzug, italienischer schmaler Schnitt, keine Leibwächter, kein Personenschutz, nichts.

Lindner lächelt, die Abendsonne scheint ihm ins Gesicht. Warum sieht der 46-jährige so rundherum zufrieden aus? Gerade hat der Bundestag mit 28 Stimmen über der Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz geändert, um mit weit über einer Billion Euro die gigantischste Schuldenaufnahme der Nachkriegsgeschichte abzusichern.

AfD-Chef Tino Chrupalla wird in seiner Rede daran erinnern, dass im Zeitraum von den 1950er Jahren bis 2009 nicht so viele Schulden aufgenommen wurden sind wie jetzt in wenigen Tagen mit den eigentlich abgewählten Mehrheiten des alten Parlaments.

Unabhängig davon, wo man politisch steht, wird dieser 18. März 2025 als einer der düstersten Tage für die Demokratie in die Geschichtsbücher eingehen. Nicht zuerst wegen der obszönen Schuldenlast, welche man den nachfolgenden Generationen aufgeladen hat, nicht wegen einer Kriegsgefahr, die mit dieser gigantischen Kriegskasse weiter heraufbeschworen wurde, sondern weil die Entscheidung der Wähler auf eine Weise ausgetrickst wurde, als habe Francis Ford Coppola höchstselbst das Drehbuch für diesen Billionenraubzug geschrieben.

„Herr Lindner!“ Christian Lindner lächelt, die schwere Autotür hat ihn nur ganz sanft  gestreift, Glück gehabt. „Ìch bin jetzt Privatmann!“, sagt er. Und als er sieht, wie ich das Handy aufklappe und die Aufnahmefunktion suche, stellt er eine seltsame Frage: „Wen haben Sie gewählt?“

Was geht ihn das an, denke ich zuerst, was soll das noch ändern? Was will er damit sagen? Schwingt da etwa die Idee mit, dass der Wähler selbst schuld daran ist, dass Deutschland sich heute für eine Billion Euro eine Luxusbeerdigung bestellt hat?

„AfD“ antworte ich ihm direkt ins Gesicht und nur aus Neugier, was „AfD“ bei Lindner noch auszulösen in der Lage ist. Aber da passiert rein gar nichts. Lindner geht wortlos. Wir folgen ihm nicht, fragen nicht mehr nach, lassen die Aufnahmegeräte sinken, was soll da noch kommen, das noch nicht besprochen wäre?

Die Passanten schauen nicht einmal interessiert. Wir sind hier in Berlin, da ist ein Lindner mit Aktentasche keine Sensation. Ein bisschen ärgern wir uns schon, dass wir nicht wenigstens nach dem Inhalt der Tasche gefragt haben. Ist da schon das gerahmte Hochzeitsbild aus Sylt gesichert, hat er es noch zärtlich berührt, bevor er es vom Schreibtisch in die Tasche geschoben hatte - zur Sicherheit zwischen zwei Aktenordner?

Aber welches Büro soll das gewesen sein, das Finanzministerium musste Lindner schon räumen, als die Ampel platzte. Hatte er nebenher immer noch ein einfaches Abgeordnetenbüro? Christian Lindner ist jetzt „Privatmann“. Vielleicht lächelt er auch deshalb, weil der gigantische Wählerbetrug des Kanzlers in spe die Tricksereien und Taschenspielertricks von Christian Lindner jetzt wie Bubenstreiche aussehen lässt.

Und Lindner verlässt den Reichstag mit einem „Nein“ zum größten Raubzug der Geschichte. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, dann müsste Deutschland jetzt der Shootingstar auf dem Korruptionsindex sein.

(Zweiter Teil nach der Bildergalerie)

Auf der Fläche vor dem Hintereingang des Reichstags warten noch ein paar schwere schwarze Limousinen, überwiegend der Marke Audi. Die Chauffeure vertreiben sich die Zeit mit dem Handy.  Ein getunter Mercedes fällt aus der Rolle. Nicht, weil es kein Audi ist, sondern weil er in glänzendem Gold daherkommt. Leider sind auch hier die Scheiben getönt. Welcher Politiker fährt im Fond eines Goldenen? Ist es der Kronprinz selbst?

Durch die über mehrere Etagen reichende Glasfront ist der Bundesadler von hinten zu sehen. Die Perspektive verändert den Blickwinkel nicht. Zwar hängt er da so fett und satt wie eh und je, aber er ist nur noch eine Hülle, der Hahn ist ausgenommen worden bis hinunter zum Bürzel. Auf einem den Hinterausgang sichernden Polizeibus wird Nachwuchs beworben: „Wir bilden aus. Die Polizei beim Deutschen Bundestag. Wir schützen das Parlament.“ Aber wer schützt die Deutschen vor ihrem Parlament?

Vorbei an Lindner, vorbei an der goldenen Limousine, vorbei an einem blutleeren Bundesadler, vorbei an den sedierten Wählern, die noch gar nicht richtig begriffen haben, was ihnen heute widerfahren ist, verfestigt sich der Tag in einer surreal wirkenden Szene auf dem Rasen vor dem Reichstag und vor der großen Baustelle, die sich dazwischen in die Erde wühlt und den Raubrittern von Morgen Sicherheit vor ihrem Volk geben soll:

Auf dem Rasen haben sich ein paar hundert Bürger versammelt, die gegen diesen Billionenraubzug demonstrieren. Überwiegend wehen hier die Fahnen der Linken. Verurteilt werden Rheinmetall und wohl auch der Kapitalismus an sich. Was hier aber besonders auffällt, sind die vollkommen desillusionierten Gesichter. Physisch sind die Menschen hier zwar noch anwesend, aber innerlich habe sie längst abgeschlossen.

Die Linke war jahrelang auf Regierungskurs, sie haben sich instrumentalisieren lassen im ‚Kampf gegen Rechts‘ und dafür ihre Seele verkauft. Die, die hier noch demonstrieren, demonstrieren schon gegen sich selbst.

Am späteren Abend zieht noch einmal der schwarze Block der Antifa – einhundertfünfzig Schwarzvermummte – durch die Berliner Straßen und erinnert daran, dass er noch da ist. Die Schlägertruppen der etablierten Parteien fordern jetzt ihren Lohn ein. Und auch hier wird Friedrich Merz die Billionen-Schatulle auf irgendeine Weise öffnen. Schon sein großes politisches Vorbild Angela Merkel nahm diese „Wir-impfen-Euch-alle“-Gewalttäter instrumentalisierend in Kauf.

Christian Lindner geht mit erhobenem Kopf am Spreeufer entlang, am ARD-Hauptstadtstudio vorbei und biegt irgendwann rechts in die Neustädter Kirchstraße ein. Aber niemand muss hier bange sein, einer wie Lindner wird in dieser Welt an anderer Stelle mit dem gleichen unbeschädigten Selbstverständnis einfach wieder ausgespuckt werden. Es braucht halt auch für einen Goldjungen ein paar Tage, bis so ein ministeriales Adressbuch vergoldet ist. Er ist jetzt Privatmann.

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