Friendly Fire: Brutaler kann man nicht mehr auf die Nase bekommen

Hinrichtung erster Klasse für Julian Reichelt – Nius.de auf Distanz zum Ex-Bildchef

von Alexander Wallasch (Kommentare: 16)

Julian Reichelt lobt die Bombardierungen von Dresden, Hamburg, Braunschweig usw.© Quelle: YouTube/ Achtung Reichelt

Alexander-wallasch.de hatte Julian Reichelt via X zuletzt mehrfach scharf für einen Text kritisiert, indem er die Bombardierung deutscher Städte als Legitimierung für eine von ihm geforderte Bombardierung des Gaza-Streifens heranzog. So etwas schaffen ansonsten nur eingefleischte Deutschland-Hasser. Jetzt distanzierte sich sein eigenes Portal aufs Schärfste von ihm.

Journalisten sind oftmals dazu verdammt, schnell zu sein. Sie greifen Stimmungen auf, sie erahnen Entwicklungen und reagieren darauf mehr oder weniger adäquat. Entsprechend hoch ist bisweilen die Fehlerquote, wenn es in den Redaktionen wieder zu hektisch zuging und dann noch die doppelten Netze aus Schlussredaktion und Lektorat versagten.

Portale und Zeitungen sind demnach gut beraten, auch eine glaubwürdige Korrekturkultur samt Richtigstellungen zu implantieren. Der Leser weiß so etwas zu schätzen und zieht es einem Totschweigen vor.

Anders verhält es sich mit Kommentaren und Leitartikeln. Nicht ohne Grund sind journalistische Novizen selten an vorderster Front unterwegs, wenn es darum geht, persönlich zu werden. Und das ist nun Mal das Wesen eines Kommentars. Roland Tichy hat das nach Jahrzehnten seiner journalistischen Tätigkeit zur Meisterschaft gebracht und ein Georg Restle zeigt bei den Öffentlich-Rechtlichen, wie es missbräuchlich geht.

Zwischen dem weißen und dem schwarzen Schwan hat sich jetzt der Journalist Julian Reichelt ganz furchtbar verkeilt. Reichelt, der vielfach als „der ehemalige Bildchef“ erzählt wird, hat einen eigenen Kanal bei nius.de. Das Portal wurde von einem gut situierten angeblich CDU-nahen und solventen Unternehmer ursprünglich rund um die Person Reichelt aufgebaut, aber es droht dem Ex-Bildchef mittlerweile immer mehr aus den Händen zu gleiten.

Heute Vormittag dann der Paukenschlag: Um 10:48 Uhr hat Nius.de seinen ehemaligen Vorzeigejournalisten öffentlich hingerichtet. Die Redensart „Schlimmer geht immer“ muss man hier schon besonders dehnen, um ihr noch irgendwie gerecht werden zu können.

Nius.de titelte:

„Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg: Warum dieser Kommentar von Julian Reichelt nicht unwidersprochen bleiben darf“.

Das Intro zum Artikel lautet kurz und knapp:

„Es gibt Sätze, die es nicht verdienen, ohne internen Widerspruch stehen zu bleiben.“

Und nachdem Nius-Autor Björn Harms, der hier den Scharfrichter an Reichelt spielt, zitiert hat, um was es geht, folgt schon der nächste Nackenschlag. Die Redaktion distanziert sich:

„Oft wird im öffentlichen Raum die Plattform NIUS auf Julian Reichelt reduziert. Doch für eine ganze Redaktion kann niemand sprechen.“

Im weiteren Verlauf des Textes wird es auch nicht besser, wenn es da beispielswiese heißt: „Im Kommentar von Julian Reichelt gibt es weitere Textstellen, die einen rationalen Diskurs verunmöglichen.“

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Was hatte Reichelt geschrieben?

Alexander-wallasch.de hatte Reichelts Totalausfall bereits kurz nach Erscheinen auf X mehrfach und als erstes Portal massiv kritisiert. Und weil wir damit so allein auf weiter Flur standen, haben wir anschließend noch darüber diskutiert, ob wir zu streng mit Reichelt gewesen sind. Im Ergebnis blieben wir dabei.

Ich schrieb auf X kurz nach Erscheinen von Reichelts Kommetar:

„Ich habe auch eine pro-israelische Haltung, aber was @jreichelt hier macht,

 

ist auf ganz besondere Weise ekelhaft und dumm. Er soll sich bei den Familien entschuldigen, die Angehörigen unter dem Bombenterror verloren haben - Kinder die lebend im kochenden Strassenteer verbrannten.“

Dazu hatte ich zunächst folgenden Auszug aus dem Kommentar veröffentlicht:

„Bundeskanzler Olaf Scholz und Annalena Baerbock drücken sich stellvertretend für die Mehrheit von Politikern und Medien vor der Frage, ob es auch ein Recht auf Selbstverteidigung gibt, wenn die strikte Einhaltung des humanitären Völkerrechts schlicht unrealistisch ist. Ob ein Selbstverteidigungsrecht nicht auch darin bestehen kann, zum Beispiel den Willen einer Zivilbevölkerung zu brechen, so wie es die amerikanischen und britischen Bomber mit Millionen Menschen in den deutschen Städten taten.“

Kurz hinterher schrieb ich eine weitere Meldung auf X:

„Unfassbar, zu welchem a-historischen und menschenverachtenden Irrsinn sich Julian Reichelt hat hinreißen lassen. Gruselig und widerlich.“

Dazu teilte ich wiederum eine Textpassage, die auch Nius.de jetzt zur Hinrichtung von Julian Reichelt als Begleitmusik vorgetragen hat:

„Briten und Amerikaner hielten es für geboten und moralisch vertretbar, den Willen der deutschen Zivilbevölkerung durch Flächenbombardements von Städten zu brechen. Sie nahmen den Tod hunderttausender Zivilisten nicht nur in Kauf, sie verursachten ihn ganz bewusst, weil sie der (richtigen) Überzeugung waren, dass es ein befreites und friedliches Europa nur geben könne, wenn Deutschland in jeder Hinsicht gebrochen wäre. Israel steht vor der Aufgabe, vor der auch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg standen: Wie kann es gelingen, den Feind ein für allemal zu vernichten?“

Das besondere Augenmerk gehört hier selbstredend der Zustimmung in der Klammer. Der Scharfrichter von Reichelt bei Nius hat die Diskussion auf X mitverfolgt und fasst die dort vielfach geäußerten Kritiken zusammen:

„Eigentlich findet man einen solchen Tenor lediglich in Antifa-Magazinen, garniert mit dem Hinweis: „Bomber Harris, do it again!“ Für jeden Menschen, der in seiner Familie mit den grauenhaften Erzählungen der Erlebnisgeneration aufgewachsen ist, bedeutet das hingegen ein Schlag ins Gesicht.“

Auch Nius-Moderatorin Giovanna Winterfeldt hatte sich zuvor schon in ihrer aktuellen Sendung über den Reichelt-Kommentar aufgeregt. Ich schrieb dazu via X-Kommentar:

„Nicht zu fassen, kaum ist @jreichelt vollkommen durchgedreht, wird er von Frau Winterfeldt wieder eingehegt. Sie wird jetzt zum Alibi einer @niusde_ Pluralität der Meinungen - der alte Springer/Welt Trick. Aber deswegen ist der Reichelt-Dresden-Gaza-Vergleich nicht aus der Welt.“

Winterfeldt hatte sich in ihrer Sendung folgendermaßen geäußert:

„Also meine Meinung zu dem Thema ist ja, dass auch ein Terroranschlag keine Legitimierung dafür ist, ein Land zu bombardieren. Aber die Meinung sage ich mal lieber nicht öffentlich, sonst werde ich noch gecancelt.“

Wie ist das nun zu bewerten? Alexander-wallasch.de sprach dazu auch mit einer Reihe altgedienter Journalisten, die sich in Redaktionen besonders gut auskennen. Einer Meinung war man vor allem darin, dass das, was Reichelt hier widerfährt, eine besonders scharfe Sanktion ist, eine Hinrichtung quasi kurz vor der direkten Kündigung.

Man kann nur mutmaßen, wie Reichelt selbst diesen Nackenschlag verkraftet. Ist er aus seiner Bild-Affäre perfekt abgehärtet oder eher dünnhäutig hervorgegangen?

Nun ist Reichelt nicht nur zu Nius gegangen, er ist vor allem zu den Neuen Medien gekommen mit dem Ziel, in diesem Segment der Anführer zu sein. Für dieses Ziel agierte er vielfach besonders laut und schrill. Aber ist das Schrille und Laute wirklich der Markenkern der Neuen Medien?

Nein, es sind Wahrhaftigkeit und eine Rückbesinnung auf die Aufgabe einer Vierten Gewalt. Es mag sein, dass verschiedene Publikationen der Neuen Medien auch durch Lautstärke aufgefallen sind in den vergangenen zehn Jahren. Aber diese Lautstärke war in den allermeisten Fällen eine Empörung über einen Mainstream-Journalismus, der seine vom Grundgesetz besonders geschützte Aufgabe auf besonders abstoßende Weise politisch missbraucht und pervertiert hatte.

Julian Reichelt wurde von hunderttausenden Lesern der Neuen Medien zurecht mit Freude willkommen geheißen. Und dass nicht wegen, sondern trotz seiner Schreierei. Seine Giftpfeile sind oft wunderbar, er vermag es wie kaum ein anderer, Kritik auf dem Punkt zu bringen. Aber Genie und Wahnsinn liegen offenbar nah beieinander. Dafür bekam Reichelt jetzt ein paar brutale Ohrfeigen von den eigenen Leuten – Reichelt unter Friendly Fire. Er wird’s überstehen.

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