Die Linkspolitikerin: „Wir sind hier, weil wir uns von der deutschen Regierung nicht vertreten fühlen“

Hier die Originalreden: Zehntausende bei Sahra Wagenknechts Friedensbewegung vor dem Brandenburger Tor

von Alexander Wallasch (Kommentare: 24)

"Von jetzt an werden wir unsere Stimme so laut erheben, dass sie nicht mehr übergangen werden kann."© Quelle: Youtube/ Sahra Wagenknecht

Bei eisigem Wetter und Nieselregen startete nach 14 Uhr am heutigen Samstag die Demonstration der neuen deutschen Friedensbewegung in Berlin.

In direkter Nähe zum Brandenburger Tor stehen Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und weitere Mitstreiter. Sie sind die Initiatoren des Friedensmanifests, das bis heute weit über eine halbe Millionen Deutsche unterzeichnet haben.  

Die Schauspielerin und Erstunterzeichnerin des Friedensmanifest, Corinna Kirchhof, fragt als erste auf der Bühne am Reichstag, wie lange dieser Krieg eigentlich noch dauern und wie viele rote Linien noch überschritten werden sollen.

„Verhandeln heißt nicht kapitulierten, sondern Kompromisse zu schließen“, die Hälfte der Deutschen möchte Verhandlungen, sagt Kirchhof und bittet die Menschen darum, Bundeskanzler Olaf Scholz an seinen Schwur zu erinnern, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“. Sie endet ihre kurze Ansprache mit der Feststellung, dass jeder Tag tausend Menschenleben auf den Schlachtfeldern der Ukraine kostet und dass das nicht so weiter gehen darf.

Anschließend kündigt Alice Schwarzer den Redner Hans-Peter Waldrich an, einen Friedensaktivisten, der schon zur westdeutschen Friedensbewegung der 1980er Jahre gehörte. „Jeder Tag länger produziert Leichenberge“, sagt Waldrich. Das Haus Europa sei vollgestopft mit Atomwaffen.  „Warum sollte es unmöglich sein, dass eine großangelegte Friedensinitiative Erfolg hat?“ Waldrich endet mit einem dringenden Appell: „Wir brauchen endlich den Mut, es mit dem Frieden zu versuchen. Für das Leben, für die Schonung dieses Planeten, für ein gemeinsames Haus Europa. Endlich Frieden.“

Es folgt etwa gegen 15:45 Uhr Ex-Brigadegeneral Erich Vad. Hier seine Rede im Original-Ton:

"Wir stehen hier heute für ein Ende des fürchterlichen Krieges in der Ukraine, für ein Ende der Kriegsrhetorik in Deutschland, für einen Ausstieg aus der Gewaltspirale und der militärischen Eskalation, für eine politische Lösung des militärisch festgefahrenen Krieges und für den baldigen Beginn von Verhandlungen.

Bei allen Meinungsunterschieden ist da ein gemeinsames Ziel (den Frieden) bald möglichst wiederherzustellen. Es ist naiv zu glauben, man könne Russland militärisch ohne Nuklearkrieg besiegen. Es ist naiv zu glauben, man könne nur über Waffenlieferungen zum Frieden kommen, und es ist naiv zu glauben, dass wir mit unseren Waffenlieferungen die Lage - die militärische Lage - verändern.

Weit über 200.000 Soldatinnen und Soldaten sind gefallen, 50.000 unbeteiligte Zivilpersonen sind ums Leben gekommen, über acht Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind auf der Flucht. Der von Russland ausgelöste völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist nach einem Jahr zu einem – militärisch gesprochen – Abnutzungskrieg geworden. Stichwort 'Verdun 1916'. Damals wurde vorexerziert, was militärische Abnutzung bedeutet. Damals starben fast eine Millionen junger Franzosen und Deutscher sinnlos, und für nichts.

Abnutzung bedeutet, dass es keine vernünftige militärische Lösung mehr gibt. Das sagt auch der US-Generalstabschef Marc Milly, und diese Einschätzung teilt auch die renommierte Rant Corporation. Der Westen liefert trotzdem weiter (Waffen). Trotz des militärisch sinnlosen Sterbens in der Ukraine (…). Heute Panzer, morgen Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge und Raketen.

Dies wird auch von vielen deutschen Politikern lauthals gefordert, ohne zu bedenken, dass dadurch der Krieg unter Einbeziehung russischen Territoriums ausgeweitet wird. Das alles wird getan ohne Klarheit darüber zu haben, was wir konkret mit den Waffenlieferungen erreichen wollen.

Geht es darum, Russland zu besiegen, wie manche fordern? Geht es um die Rückeroberung von Krim und Donbas? Geht es darum, die Ukraine lediglich zu stabilisieren, um ihre Verhandlungsposition zu stärken?

Feststeht, wir liefern seit Monaten nur Waffen, und es fällt uns nicht viel mehr ein.

Wir tun das alles ohne jede realistische Lösungsperspektive, ohne eine überzeugende Strategie der Konfliktlösung und ohne ein politisches Konzept. Streng genommen ist das Militarismus pur, weil man militärische Hilfeleistungen nicht an realistische politische Ziele koppelt.

Es muss mit Blick auf die militärische Gesamtlage klar gesagt werden: Die Lieferungen von Waffen können den Ukrainern leider nicht helfen, diesen Krieg zu gewinnen. Sie drehen die militärische Pattsituation nicht um. Diese kann auf militärischem Wege allein nicht aufgelöst werden. Wir haben einen Stellungskrieg beider Seiten im Osten und Dauerbeschuss der Infrastruktur in der gesamten Ukraine durch Russland.

Russland hat leider die militärische Eskalationsdominanz, angefangen bei der Mobilisierung bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen. Das ist nicht nur für die Ukraine, sondern für uns alle eine existenzielle Gefahr, die man nicht unterschätzen sollte.

Ich will hier keine Angst verbreiten, aber einige oder sehr viele hierzulande machen es sich sehr leicht, wenn sie sagen, dass ein Atommacht, wenn sie militärisch keinen Erfolg hat, schon nicht zu Nuklearwaffen greifen wird. Das hätten die Amerikaner in Vietnam oder Afghanistan auch nicht gemacht.

Diese Vergleiche hinken ganz gewaltig, weil die Schwarzmeerregion für Russland etwa die gleiche strategische Bedeutung hat wie die Karibik für die USA oder das südchinesische Meer für China. Die Russen können da nicht einfach nach Hause gehen wie der Westen in Afghanistan, im Irak, in Syrien oder in Libyen.

Das alles ist ähnlich wie die Kubakrise 1962. Für die USA war es damals auch nicht möglich, sowjetischen Einfluss in der Karibik zuzustimmen. Und ähnlich wie in der Kuba-Krise kommen wir aus dem Ukrainekrieg durch nur durch besonnenes politisches Handeln, durch Verhandlungen und Kompromisse heraus.

Russland wird auch nach dem Ukrainekrieg ein Machtfaktor in Europa bleiben, und es wird auch in Zukunft keine tragfähige europäische Friedensordnung geben ohne Russland, weil Russland eben von der Landkarte nicht verschwinden kann.

Trotz aller Gegensätze: Hier bringt Säbelrasseln sehr wenig, wenn es nicht mit einem klugen und besonnenen politischen Vorgehen verknüpft wird. Deshalb muss Politik nach anderen Wegen suchen. Um den Weltfrieden nicht zu gefährden, sind jetzt mehr Diplomatie und Interessenausgleich notwendig und weniger Kriegsrhetorik und eine öffentlich zur Schau gestellte Haltungsdiplomatie.

Verhandlungen sind jetzt der einzig mögliche Weg, zu einer Lösung zu kommen. Ein „weiter-so“ bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben. Die Mehrheit der Deutschen ist eindeutig gegen die Ausweitung von Waffenlieferungen und für Verhandlungen.

Das muss ich in der deutschen Politik auch wiederspiegeln, denn sie sind ja Vertreter des Volkes. Militärische Operationen und Waffenlieferungen müssen immer an den Versuch gekoppelt bleiben, politische Lösungen herbeizuführen, und das Grundgesetz, unsere Verfassung, kennt zudem das sogenannte Friedensgebot. Unsere Verfassung fordert dazu auf, Frieden zu bewahren und/ oder baldmöglichst wiederherzustellen.

Eine lange Fortdauer des Ukrainekrieges ist weder im deutschen noch im europäischen Interesse. Lösungsorientiertes außenpolitisches Handeln braucht daher eine andere Gewichtung. Sie muss ihre Hauptaufgabe wieder ins in den Blick nehmen: Diplomatie, Interessenausgleich, Verständigung und Konfliktbewältigung.

Wir helfen der Ukraine, wir haben Mitverantwortung für die Ukraine, aber wir müssen auch Mitsprache beanspruchen. Daher muss auf politischer Ebene mehr miteinander gesprochen werden. Die Deutsche und die französische Regierung sollten endlich initiativ werden in Richtung auf einen Waffenstillstand und anschließende Verhandlungen.

Und wo steht Europa? Der Ukrainekrieg ist doch ein genuin europäisches Thema. Wieso kommen die Friedensinitiativen nicht von der EU, sondern aus Brasilien und China? Vom Ukrainekrieg ist besonders Europa als Schlachtfeld dieses Krieges und als potenzieller Hauptkriegsschauplatz eines großen Krieges betroffen.

Gerade deswegen fehlt mir die politische Gestaltungskraft Europas. Deutschland und Europa dürfen nicht länger Objekt und Spielball sein wollen in einem Stellvertreterkrieg mit Russland, der Gefahr läuft, um China ausgeweitet zu werden.

Europa muss endlich ein interessengeleiteter strategischer Akteur werden, und wir brauchen dringend oberhalb der Geberkonferenzen für Waffenlieferungen eine politisch strategische Ebene unter Einbeziehung von wichtigen Ländern dieser Welt. Wir brauchen endlich einen politisch abgestimmten Plan, der die Frage beantwortet, wie alle aus diesem Krieg herauskommen, und die zentrale politische Perspektive muss es sein, den Krieg zu beenden und endlich realistische Wege zum Frieden zu finden. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit."

Dann erscheint Sahra Wagenknecht auf der Bühne am Brandenburger Tor:

"Liebe Friedensfreunde! Ich bin so froh, dass ihr alle hier heute gekommen seid. Und ich weiß, dass auch viele Tausende unsere Kundgebung an den verschiedenen Livestreams mitverfolgt folgen. Ich denke, heute kann man sehen, wie viele wir sind. Und von jetzt an werden wir unsere Stimme so laut erheben, dass sie nicht mehr übergangen werden kann.

Denn liebe Freundinnen und Freunde, wir sind nicht nur viele, wir fangen jetzt auch an, uns zu organisieren. Weil: Deutschland braucht endlich wieder eine wirklich starke Friedensbewegung.

Ihr habt ja alle verfolgt, was passiert ist, als Alice Schwarzer und ich gemeinsam mit 69 rstunterzeichnen, unser Manifest für Frieden veröffentlicht haben. Da ist ein Teilen der politischen und medialen Öffentlichkeit Deutschlands eine regelrechte Hysterie ausgebrochen.

Was hat man uns nicht alles unterstellt! Was hat man uns nicht alles vorgeworfen! Uns und damit stellvertretend natürlich auch den über 600.000 Unterzeichnen unseres Manifest. Wir seien zynisch, gewissenlos, amoralisch, Handlanger Putins, womöglich sogar von Putin bezahlt. Und trotzdem haben sich die Menschen nicht abhalten lassen. Sie haben unser Manifest unterzeichnet. Jeden Tag werden es mehr, die das Manifest unterzeichnen.

Und da muss ich auch nochmal sagen, das ist großartig von euch allen! Ein herzliches Dankeschön! Die Kampagne gegen uns gipfelte darin, dass man versucht hat, uns in die Nähe der extremen Rechten zu rücken. Daran sieht man, wie krank die Diskussion in Deutschland inzwischen ist.

Seit wann ist der Ruf nach Frieden, der Ruf nach Diplomatie und Verhandlungen rechts? Und Kriegsbesoffenheit ist dann wohl links!

Einige haben ja offenbar völlig ihren politischen Kompass verloren. Und ich sage auch noch mal in aller Deutlichkeit, nur um die alle abzuschrecken, die das schon wieder überall verbreiten wollen, weil es sich eigentlich von selbst versteht. Aber ich sage es trotzdem nochmal:

Selbstverständlich haben Neonazis und Reichsbürger, die in der Tradition von Regimen stehen, die für die schlimmsten Weltkriege der Menschheitsgeschichte Verantwortung tragen, auf unserer Friedenskundgebung nichts zu suchen. Das versteht sich aber wohl von selbst, dachte ich.

Aber genauso sage ich auch, jeder, der ehrlichen Herzens mit uns für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren will, ist hier willkommen, und daraus soll man nicht so eine dumme Debatte machen. Es nervt mich, auf welchem Niveau in Deutschland inzwischen diskutiert wird. Es ist wirklich unsäglich.

Und ich finde auch - auch, das möchte ich hier nochmal sagen - wenn wir schon über Rechtsoffenheit reden - das ist ja ein Begriff, der ganz oft gefallen ist im Vorfeld der Kundgebung - wenn wir schon über Rechtsoffenheit reden, dann sollen sich die Kriegstrommler doch verdammt noch mal an ihre eigene Nase fassen! Leute, die keine Scham haben, sich mit anderen zu verbünden, die ganz echte Nazis verehren. Ich denke da zum Beispiel an den früheren Rüpelbotschafter und den Vizeaußenminister der Ukraine, Herr Melnyk, der macht gar keinen Hehl daraus.

Melnyk und auch andere Größen dieses Landes machen doch gar kein Hehl daraus, dass sie beispielsweise in dem Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera einen nationalen Heroen sehen, und ich erinnere daran: Bandera, der Antisemit, ist mitverantwortlich für die Ermordung von tausenden Juden, Polen und Russen.

Und dieser Mann wird von Melnyk und anderen verehrt, und unsere Kriegstrommler machen sich mit denen gemein und erzählen uns etwas über Querfront und Rechtsoffenheit. Was ist das für eine verlogene Debatte! Das möchte ich ja auch nochmal deutlich sagen.

Aber das hysterische Gebrüll in Teilen der Politik und der Medien zeigt natürlich auch, sie haben wirklich Angst vor uns. Sie haben Angst vor einer neuen Friedensbewegung, und ich finde, da haben sie auch Grund dafür. Sie haben nämlich Angst, dass sie ihre Politik nicht mehr ohne Weiteres so fortsetzen können.

Und ich sage Ihnen ja, genau deshalb sind wir hier, damit sie diese Politik nicht fortsetzen können. Also bitte schön, wenn sie Angst haben, das ist ein Kompliment für uns alle!

Es geht um viel. Es geht zum einen darum, das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden. Es geht darum, Russland ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren. Ich meine, man muss sich das mal vorstellen: Das Weiße Haus, Joe Biden, hat mit Rüstungskonzernen über viele Jahre Verträge abgeschlossen – also für viele Jahre Verträge abgeschlossen – dass die die Ukraine mit Waffen beliefern. Für viele Jahre soll die Kriegsmaschinerie munitioniert werden, damit ihr nicht die Waffen ausgehen.

Was ist das für eine wahnsinnige und zynische Politik!

Und die stellen sich dann auch noch hin und sagen, das sei Solidarität mit der Ukraine. Was ist das für eine Lüge! Das ist doch keine Solidarität! Das ist das genaue Gegenteil dessen.

Denn Solidarität, das ist doch völlig klar: Solidarität wäre, alles dafür zu tun, das Sterben zu beenden. Solidarität heißt, Leben retten und nicht Leben zerstören. Solidarität heißt, sich für den Frieden zu engagieren und nicht für den Krieg. Und dafür braucht man keine Panzer, dafür braucht man Diplomatie, Verhandlungen und Kompromissbereitschaft von beiden Seiten. Das braucht man dafür, das ist solidarisch.

Und ja, natürlich, das sage ich ja auch: Selbstverständlich geht dieser Appell auch an den russischen Präsidenten. Natürlich muss auch Putin bereit sein zu Verhandlungen und Kompromissen. Die Ukraine darf kein russisches Protektorat werden. Aber nach allen Berichten, die wir über die Friedensverhandlungen im Frühjahr haben – und damals hatte sich der damalige israelische Ministerpräsident (…) engagiert und auch die türkische Regierung – nach allen Berichten über die Verhandlungen damals muss man sagen, die sind offensichtlich damals nicht an der russischen Seite gescheitert. Und auch das gehört zur Wahrheit, finde ich, dazu.

Es geht also darum, das Sterben in der Ukraine zu beenden. Aber es geht auch um mehr. Das ist ja hier schon angesprochen worden. Es geht auch darum, das Risiko einer Ausweitung dieses Krieges auf ganz Europa, womöglich auf die ganze Welt, dieses Risiko zu bannen, und es ist verdammt groß, dieses Risiko.

Wir haben alle gesehen, der Einschlag einer ukrainischen Raketen in Polen damals, die ja zunächst als russische Rakete hingestellt wurde, der hat dazu geführt, dass die ersten Verrückten tatsächlich schon gefordert haben, der Bündnisfall müsse jetzt eintreten.

Und wir alle wissen doch, es kann ja tatsächlich mal eine russische Rakete, sogar aus Versehen jenseits der Ukraine einschlagen. Und was passiert? Haben wir dann den Bündnisfall? Haben wir dann den Weltkrieg? Das heißt, mit jedem Tag, an dem dieser Krieg verlängert wird, und mit jeder tödlichen Waffe, die wir da weiter zusätzlich in dieses Pulverfass liefern, wächst die Gefahr für einen großen Krieg in ganz Europa und womöglich in der ganzen Welt.

Und auch das müssen wir unbedingt stoppen. Auch dagegen stehen wir heute hier, weil das ist eine unverantwortliche Entwicklung, die unbedingt aufhören muss.

Und dann erzählt man uns: Ja, das sei doch Putin Propaganda! Nein, liebe Leute, auch der UN Generalsekretär Guterres hat vor kurzem sehr deutlich davor gewarnt, dass die Welt gerade dabei ist, mit sehenden Augen, mit weit geöffneten Augen in einen großen Krieg hineinzugehen.

Ist Guterres auch ein Putin Propagandist? Mein Gott, wie kann man nur die Augen so schließen, wie kann man nur so kriegsbesoffen sein, dass man diese Gefahr nicht sieht. Das ist doch Wahnsinn, das zu verantworten!

Oder meinen einige vielleicht: Ach, diese Gefahr, die müssen wir heldenhaft in Kauf nehmen, weil wir ja für das Gute kämpfen und auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Und denen, die das sagen, möchte ich deutlich entgegnen: Nein, wäre die Gefahr eines nuklearen Infernos in Kauf nimmt, der steht nicht auf der richtigen Seite der Geschichte.

Und wer nicht alles in seiner Macht stehende tut, um die Gefahr einer solchen Eskalation zu bannen, der kämpft auch nicht für das Gute, sondern der ist verantwortungslos.

Die Atomkriegs-Uhr steht aktuell bei neunzig Sekunden vor zwölf. Die Wissenschaftler, die diese Uhr betreuen, haben sie vor kurzem noch einmal nach vorne gestellt. Interessiert das die Bundesregierung überhaupt nicht? Noch nie, noch nicht mal im kalten Krieg, stand die Welt so nah an der Schwelle eines atomaren Infernos. Und auch deshalb sind wir heute hier, denn das darf nicht weitergehen. Diese Atomuhr muss wieder zurück, verdammt nochmal, sie muss weiter weg von zwölf Uhr und nicht immer näher drankommen.

Ich kann mich noch gut an meine Kindheit und Jugend erinnern. Das waren die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts, das war die Zeit, wo über Raketenstationierung in Deutschland diskutiert wurde und weltweit über Sternkriegsprogramme. Ich bin aufgewachsen mit der Angst vor einem großen Krieg, mit der Angst vor einem Atompilz über Berlin. Und ich kann mich noch gut erinnern, wie dankbar ich war, als dann mit Michael Gorbatschow eine neue Zeit begann. Eine Zeit der Abrüstungsgespräche und Abrüstungsverträge.

Und das war eine Zeit, wo man das Gefühl hatte: Ja, jetzt beginnt ein neues Zeitalter, ein Zeitalter der Abrüstung, der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Sicherheit. Ich gebe zu, ich hatte in den Jahren danach fast vergessen, wie es sich anfühlt, wenn man Angst hat vor Krieg. Heute weiß ich es wieder. Heute, dreißig Jahre nach Gorbatschow, hat Putin mit dem Start-Abkommen gerade den letzten noch gültigen Abrüstungsvertrag auf Eis gelegt.

Das hat er getan, nachdem die USA zuvor den ABM-Vertrag, den INF-Vertrag und das Open-Sky-Abkommen aufgekündigt hatten. Heute redet niemand mehr von Abrüstung. Heute wird aufgerüstet, was das Zeug hält, und die Atomwaffenarsenale werden modernisiert. Heute wollen Politiker unseres Landes, das Gorbatschow seine Wiedervereinigung verdankt, Russland ruinieren.

Heute sollen deutsche Kampfpanzer wieder auf russische Soldaten schießen, und zumindest Melnyk ist sich sicher, dass bald auch Kampfjets geliefert werden.

Liebe Freundinnen und Freunde, diesen Wahnsinn müssen wir stoppen. Deshalb sind wir heute hier.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir leben ja in einer Orwellschen Welt. Was erzählt man uns da eigentlich für Geschichten? Panzer schaffen Frieden, Waffen retten Menschenleben, und der ukrainische
Oligarchenkapitalismus, der genauso korrupt ist wie der russische, kämpft angeblich für unsere Freiheit und unsere Demokratie.

Schon George Orwell wusste, wenn alle die verbreitete Lüge glaubten, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde zur Wahrheit.

Und deswegen sagen wir deutlich: Wir glauben eure Lügen nicht mehr. Wir wissen, dass Waffen töten und Panzer dazu da sind, Krieg zu führen. Und wir wissen auch, dass unsere Freiheit nicht in der Ukraine verteidigt wird, genauso wenig wie vorher am Hindukusch.

Und es geht auch nicht um hehre Werte in diesem Krieg, sondern um die NATO und den Umfang der amerikanischen Einflusszone. Und deshalb sind wir hier, damit dieses sinnlose Sterben aufhört. Und wir sind auch deshalb hier, weil wir uns von der deutschen Regierung nicht vertreten fühlen.

Wir fühlen uns nicht vertreten von einer grünen Außenministerin, die wie ein Elefant im Porzellanladen über das internationale Parkett trampelt und ihre öffentlichen Äußerungen so wenig im Griff hat, dass sie mal eben aus Versehen Russland den Krieg erklärt.

Nein, von Frau Baerbock fühlen wir uns nicht vertreten. Und wir fühlen uns auch nicht vertreten von Panzer-Toni und den ganzen grünen Waffennarren, die den Eindruck erwecken, sie würden am liebsten gleich selbst mit geladenem Rohr im Leopard gegen Russland rollen. Was ist das für eine Debatte, die da geführt wird?

Petra Kelly würde sich mit Grausen von dieser Partei abwenden. Das muss man hier auch mal deutlich sagen.

Und liebe Freunde und Freunde, wir fühlen uns auch nicht vertreten von einer Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann, der die Geschäftsbilanz von Rheinmetall und Co offensichtlich mehr am Herzen liegt als das Schicksal der Menschen in der Ukraine oder gar der Weltfrieden. Nein! Von dieser Frau und von einer FDP, wo die Strack-Zimmermanns den Ton angeben, fühlen wir uns nicht vertreten.

Aber wir fühlen uns auch nicht vertreten von einem Kanzler, der zwar zunächst immer zögert und für Bedachtsamkeit und Vorsicht wirbt, aber dann trotzdem regelmäßig vor den Kriegtrommlern in seiner Koalition einknickt und eine rote Linie nach der nächsten überschreiten.

Nein, Herr Scholz, auch von ihnen fühlen wir uns nicht vertreten, weil, das ist eine fatale Politik!

Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgroßeltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden. Wir wollen nicht, dass auf deren Urenkel wieder geschossen wird mit deutschen Waffen. Auch deshalb sind wir hier, weil das ist wirklich völlig geschichtsvergessen.Haben die denn überhaupt nicht mehr im Kopf, was Deutsche Geschichte mal war?

Liebe Freundinnen und Freunde, wir wollen auch nicht – auch deshalb sind wir hier –, dass Deutschland sich immer weiter in diesen Krieg hineinziehen lässt, solange bis der Krieg möglicherweise hier ist. Das wollen wir auf gar keinen Fall, und dagegen wehren wir uns, und deswegen sind wir hier auch so zahlreich.

Nein, Schluss, nieder mit dem Krieg!

Wir halten es mit der großen pazifistischen Schriftstellerin Bertha von Suttner, die einmal geschrieben hat: Keinen vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden.

Nein, liebe Freundinnen und Freunde, das wollen wir nicht! Lasst uns das Blutvergießen stoppen! Wir stehen auf für Frieden und gegen den Krieg. Wir sind da, und wir werden nicht mehr verschwinden! Lasst uns heute den Startschuss für eine neue starke Friedensbewegung in Deutschland geben! Ganz herzlichen Dank!"

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