Was ist dran an der Behauptung von Gazprom, dass schon einmal ein Sabotageakt versucht wurde?

Hat eine Unterwasserdrohne der Nato schon 2015 versucht, Nord Stream zu sprengen?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

2015 wurde von Nord Stream im Rahmen einer Routine-Untersuchung ein mit Sprengladungen bzw. Munition ausgestattetes Unterwasser-Fahrzeug gefunden und von der schwedischen Marine entschärft.© Quelle: Twitter / Kim Dotcom

Eine Nachricht mit Sprengstoff: Gazprom veröffentlichte aktuell Bilder einer Art Kampfdrohne, die bereits 2015 in der Nähe der Nord Stream 2-Pipeline gefunden wurde.

Die mutmaßliche Motivation für diese Nachmeldung nach sieben Jahren könnte so aussehen: Hier soll – und bisher ohne Beweise – ein Hinweis gegeben werden, wer für die Sabotage-Anschläge auf die Nord-Stream 2-Pipeline von 2022 verantwortlich sei, denn schließlich wurde es mutmaßlich schon einmal versucht.

Aber ist die Story auch wahr oder nur russische Propaganda?

Alexander-wallasch.de erinnerte vor wenigen Tagen daran, dass der CIA in Sibirien 1982 eine Pipeline zur Explosion brachte, eine Sprengung, die noch vom Weltall aus zu sehen gewesen sein soll. Die Leitmedien haben diese Geschichte bis heute liegengelassen. Lediglich die Weltwoche übernahm die Meldung.

Jetzt also Gazprom mit einem weiteren Hinweis auf eine mutmaßliche Vorgeschichte zur Sabotage-Sprengung von Nord Stream 2. Die Kernaussage: Sie haben es schon einmal probiert! Auch hier, wie schon zur sibirischen Pipeline, Schweigen im Wald bei den ehemaligen Leitmedien.

Lediglich ein paar wenige alternative Medien übernehmen die Meldung von Gazprom. Auf Twitter veröffentlicht der windige Multimillionär Kim Dotcom alias Kim Schmitz, der sich mittlerweile in Neuseeland eine Fluchtburg eingerichtet hat, einen Tweet zum Thema.

Kim Dotcom fragt:

Diese Seafox-Drohnen werden von der deutschen Firma Atlas Elektronik hergestellt. Und auf der Seite des Herstellers heißt es zur Verwendung:

„Dieses faseroptisch geführte One-Shot-Minenräumfahrzeug wird für die halbautonome Beseitigung von Seeminen und anderen auf See gefundenen Kampfmitteln eingesetzt.“

Hier halten wir zunächst fest, dass so eine Seafox-Drohne demnach gar nicht autonom arbeitet, sondern immer über faseroptische Leitungen mit einem Schiff verbunden sein muss. Wenn so eine Drohne gefunden wurde, dann muss diese notwendige Verbindung demnach gekappt worden sein.

Weiter heißt es beim Unternehmen zur Verwendungsart:

„Das System ist für militärische Zwecke voll qualifiziert und wurde in großer Zahl in verschiedenen Marinen eingeführt. Es kann von einer Vielzahl von Trägerplattformen aus eingesetzt werden, darunter spezielle MCM-Schiffe, Oberflächenkämpfer, Gelegenheitsfahrzeuge, Schlauchboote und Hubschrauber.“

Jetzt gilt es zunächst den Verdacht auszuräumen, dass Dotcom und ein paar wenige Medien möglicherweise einer russischen Propaganda-Meldung aufgesessen sind. Denn was soll der Laie erkennen können bei der Betrachtung von ein paar schlammigen Unterwasserfotos, die genauso einen versenkten Staubsauger aus den 1950er Jahren zeigen könnten?

Wenn diese Sprengstoff-Unterwasserdrohne 2015 gefunden wurde – so lautet die Meldung –, dann wäre der Beleg dafür zunächst eine Meldung von 2015.

Und tatsächlich gibt es die. Ein englischsprachiges Pipeline-Journal mit Redaktion in Hannover berichtete am 13. November 2015 davon mit der Schlagzeile: „Explosive-Laden Drone Found Near Nord Stream Pipeline“.

Dort heißt es zum Fund:

„Ruling out sabotage, the Swedish military has successfully cleared a remote operated vehicle (drone) rigged with explosives found near Line 2 of the Nord Stream Natural Gas offshore pipeline system. The vehicle was discovered during a routine survey operation as part of the annual integrity assessment of the Nord Stream pipeline. Since it was within the Swedish Exclusive Economic Zone (EEZ) approximately 120 km away from the island of Gotland, the Swedes called on their armed forces to remove and ultimately disarm the object.”

Die Drohne wurde demnach bei einer Routine-Untersuchung von Nord Stream entdeckt und vom schwedischen Militär geräumt und entschärft. Übersetzt heißt es im Pipeline-Journal weiter:

„‘Wir betrachten es derzeit nicht als gefährlich für Handelsschiffe oder die Pipeline‘, sagte Jesper Stolpe, Sprecher der schwedischen Streitkräfte, gegenüber Radio Schweden. Laut Stolpe wurde das Kabel zur Steuerung der Drohne und zur Zündung des Sprengstoffs gekappt, sodass das Fahrzeug im Moment relativ ungefährlich ist.“

Zur Herkunft der Drohne schrieb das Journal:

„Die nationale Identität der Drohne sei bisher nicht verifiziert, da viele Länder Unmanned Underwater Vehicles (UUVs) ähnlicher Bauart einsetzen, sagte Stolpe.“

Als Quelle gibt das Journal einen englischsprachigen Bericht auf der Webseite von Nord Stream an.

Dort heißt es (übersetzt):

„Die Nord Stream AG schätzt die professionelle und schnelle Unterstützung durch die schwedischen Streitkräfte. Die vorsorglich am Einlass geschlossene Leitung 2 wurde wieder geöffnet und der Gastransport wieder aufgenommen. Die zeitnahe und sichere Lösung der Situation mit dem ungewöhnlichen Fund bestätigt die Effizienz der von Nord Stream eingerichteten operativen Strukturen und Schnittstellen zu Behörden zur Gewährleistung eines zuverlässigen Gastransports. Das Munitionsstück wurde am 6. November 2015 bei Routineuntersuchungen im Rahmen der jährlichen Integritätsbewertung des Nord Stream-Offshore-Pipelinesystems in unmittelbarer Nähe der Nord Stream-Leitung 2 gefunden. Der Standort des Objekts lag in der schwedischen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), etwa 120 km von der Insel Gotland entfernt. Die zuständigen schwedischen Behörden wurden informiert und blieben bis zur erfolgreichen Räumung des Objekts in direktem Kontakt mit Nord Stream.“

Auch das schwedische Radio berichtete Ende 2015 vom explosiven Fund. In der Meldung des Radios wird darauf hingewiesen, dass die gefundene Drohne/Tauchroboter regulär dazu verwendet wird, Seeminen zu beseitigen.

Oktober 2022 ist in den angesprochenen Meldungen auf einmal die Rede davon, dass es sich um eine Nato-Drohne handeln würde.

Interessant also zu wissen, ob Nord Stream solche Drohnen selbst eingesetzt hat, um beim Verlegen der Pipeline eventuell vorhandene Seeminen zu räumen bzw. ob Nord Stream beispielsweise die schwedische Marine gebeten hat, mit so einer Drohne eine Mine oder ähnliches zu beseitigen.

An Land ist so eine Kampfmittelbeseitigung kein so außergewöhnlicher Akt, er findet in Deutschland auf einer ganzen Reihe von Großbaustellen statt. Aber in der Ostsee?

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Hilfreich wird hier ein verlinktes Pdf auf der Nord-Stream-Webseite von 2010 mit der Überschrift: „Nord Stream: Verantwortungsvoller Umgang mit
Munitionsaltlasten“. Denn dort heißt es unmissverständlich:

„Gebiete mit militärischen Altlasten zu umgehen, hatte bei der Planung der Pipelineroute höchste Priorität. Wo dies nicht möglich war, wurden geeignete Maßnahmen für einen sicheren Umgang mit möglicherweise gefährlichen Funden getroffen.“

Und es gibt weitere Hinweise:

„Nord Stream hat den Meeresboden entlang des Installationskorridors so intensiv untersucht wie kaum ein anderes Unternehmen bei ähnlichen Projekten.“

Ebenso gibt es dort einen Hinweis, auf eine Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen bzw. Militär, die solche Roboter ebenfalls einsetzen könnten:

„Im Rahmen der Meeresboden-Untersuchungen arbeitet Nord Stream mit den zuständigen nationalen und internationalen Behörden zusammen.“

Ist hier gegebenenfalls bei der Suche nach Minen eine der Unterwasserdrohnen verlorengegangen/von der Faserleitung abgerissen, die dann Jahre später von Nord Stream wiedergefunden und vom schwedischen Militär unschädlich gemacht wurde?

Bei Nord Stream im genannten Pdf heißt es zu solchen Untersuchungen:

„Im Anschluss daran setzte Nord Stream ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug (Remotely Operated Vehicle – ROV) ein, um jedes einzeln erfasste Objekt innerhalb eines 20 Meter breiten Streifens entlang der Route zu inspizieren: In schwedischen Gewässern stand von über tausend Funden lediglich ein Gegenstand in Zusammenhang mit Kriegsaltlasten.“

Und weiter erklärt das Unternehmen, man arbeite bei der Räumung von militärischen Altlasten „mit Marine-Spezialisten der Ostsee-Anrainerstaaten zusammen“.

Folgendes lässt sich hier zur Meldung von Gazprom zusammenfassen:

2015 wurde von Nord Stream im Rahmen einer Routine-Untersuchung ein mit Sprengladungen bzw. Munition ausgestattetes Unterwasser-Fahrzeug gefunden und von der schwedischen Marne entschärft.

Bei den veröffentlichten Fotos könnte es sich um eine Seafox-Drohne der deutschen Firma Atlas Elektronik handeln. Diese Drohnen werden eingesetzt, um beispielsweise Unterwasserminen unschädlich zu machen.

Hierbei handelt es sich nicht um einen Tauchroboter, der etwa in der Lage wäre, Sprengstoffladungen an Gas-Pipeline anzubringen. Diese Drohnen sind mit einem Mutterschiff verbunden und besitzen eine so genannte One-Shot-Einrichtung zur Zerstörung militärischer Altlasten Unterwasser.

Alexander-wallasch.de sprach bereits mit dem Unternehmen aus Deutschland, dass die Seafox-Drohne herstellt. Ein Rückruf eines Spezialisten des Unternehmens ist noch offen und wird hier ggf. nachgereicht.

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