Ulrike Guérot ist derzeit nicht wegen ihrer couragierten Haltung in den Schlagzeilen, sondern aufgrund einer Äußerung über eine schwerwiegende Herpeserkrankung im Intimbereich, die sie direkt auf eine vom Gastgeber wie anderen Teilnehmerinnen bewusst geschaffenen Stresssituation während eines ein Jahr zurückliegenden Talkshowauftritts bei Lanz zurückführt.
Die Politikwissenschaftlerin Guérot berichtete vor wenigen Wochen in dem Youtube-Format „ Petra Führich Talks “ über ihren Auftritt bei Markus Lanz am 2. Juni 2022. Damals war sie als Expertin eingeladen. Sie äußerte Kritik an der Bundespolitik bezüglich des erst wenige Monate andauernden Ukraine-Krieges. Mit massiven und durchaus bösen Reaktionen ihrer Gesprächspartner/innen, zum Teil „unter der Gürtellinie“.
Nachdem hierzu bei Alexander-wallasch.de schon ein Facharzt zu Wort gekommen ist, fragen wir nun nach den juristischen Implikationen des Falles den Rechtsanwalt Dirk Schmitz M.A. Dieser fordert umfassenden Gesundheitsschutz für Teilnehmer und Teilnehmerinnen.
Muss Moderator Markus Lanz jetzt ins Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung?
(lächelt) Zumindest nicht deshalb. Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) ist Erfolgsqualifikation der einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB) und setzt voraus, dass - hier - ein wichtiges Glied des Körpers verloren geht oder dauernd nicht mehr gebraucht werden kann oder dass das Opfer in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt. Das scheint, nicht nur, weil es sich beim Opfer um eine Frau handelt, nicht der Fall zu sein.
Man könnte bestenfalls an § 229 StGB denken, fahrlässige Körperverletzung?
Hier gibt es eine ganze Reihe von Verhaltensmustern, die als erforderliche Sorgfalt im öffentlichen Umgang miteinander angesehen werden. Wer diese Verhaltensmuster missachtet, kann sich der fahrlässigen Körperverletzung schuldig machen. Wer den Ausbruch einer latent vorhandenen Erkrankung für möglich oder gar eine Erstinfektion als möglich erachtet und sich abseits der Üblichkeit im öffentlichen Raum bewegt, agiert fahrlässig und kann dementsprechend strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Auf die Sendung bezogen: Wenn die Angriffe in einer Talkshow eine so große unvorhergesehene Intensität und Dichte erreichen, besteht eine doppelte Fürsorgepflicht des Moderators in eigener Sache – und gegenüber den anderen Teilnehmern – mäßigend und nicht eskalierend einzuwirken. Dies hat Lanz nicht getan.
Hat Herr Lanz nicht noch Öl ins Feuer gegossen?
Diese Garantenpflicht trifft Lanz, gerade im öffentlich-rechtlichen Staatsfunk, in besonderem Maße. Hier ist vor allem das grün-woke Talkshow-Format-Exekutionsschema in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen. Ein Moderator und nahezu alle Teilnehmer nehmen rechnerisch die meiste Redezeit ein, werden zunehmend gegenüber dem zu „Exekutierenden“ aggressiver, um schließlich dessen Meinung als „rechts“, „querulatorisch“ oder „querdenkerisch“ zu brandmarken. Dieser hat aufgrund dieser Situation regelhaft keine Chance. Das gleiche Lanz-Biotop nimmt aber den rechtlichen Schutz sogar vor „Mikroaggressionen“ für sich selbst in Anspruch. In einer solchen psychischen Angriffsverdichtung ist eine Verletzung der Garantenstellung schon durch Unterlassen zu sehen.
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Was ist denn die rechtlich geforderte Moderatorenfunktion?
Hier war der Moderator Teil des Angriffs auf seinen Gast. Ein Teilnehmer darf sich darauf verlassen, dass ein Moderator (vom gleichen lateinischen Wort mit der Bedeutung Mäßiger, Lenker, Handhaber; abgeleitet vom Verb moderare - mäßigen, in Schranken halten, regeln) eine Person ist, die ein Gespräch mäßigend lenkt und in der Kommunikation vermittelt. Wer dieser Rolle verlässt, steht grundsätzlich für Schäden ein, die er schafft.
Problematisch ist, ob das Ergebnis - der Scheidenherpes-Ausbruch - im weitesten Sinne adäquat-kausal aus Sicht des Täters Lanz vorhersehbar war. Das ist offen. Wäre Frau Guérot mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zusammengebrochen, was auch auf Vorerkrankungen hindeutet, wäre der Fall klarer. Ich schlage vor, dass das Regierungsfernsehen bei Interviews von Kritikern zukünftig grobe Gesundheitsdaten vorab abfragt und ggf. einen Arzt mit „Veto-Recht“ in das Format integriert. Oder man kommt wieder zum früher üblichen fairen Umgang zurück.
Gibt es zivilrechtlich auch Ansatzpunkte?
Die Gerichte haben herausgearbeitet, dass es grundsätzlich Aufgabe des Organisators ist, darzulegen, dass alle möglichen Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden. Kann der Betroffene daher nachweisen, dass er sich beim Organisator (hier: dem ZDF) angesteckt hat oder durch dessen Handlungen verletzt wurde, so ist dies eine gute Ausgangsbasis für einen Schadensersatzanspruch.
Der BGH hat entschieden (Beschluss vom 16. August 2016, VI ZR 634/15), dass z.B. ein Krankenhausträger eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast hat, dass die Hygienestandards eingehalten wurden: „Hat der Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorgetragen, trifft den Krankenhausträger die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen, die er ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen angeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden.“
Wer also eine Veranstaltung organisiert, den treffen Verkehrssicherungspflichten. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer umfassend zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH vom 6. März 1990, VI ZR 246/89). Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (BGH vom 16. Februar 2006, III ZR 68/05).
Wendet man diese Grundsätze auf die ZDF-Lanz-Show an, so haften der Veranstalter nicht für jeden, der sich dort verletzt oder ansteckt. Er haftet allerdings dann, wenn er Maßnahmen nicht ergriffen hat, die ein umsichtiger und verständiger Organisator ergriffen hätte – siehe fehlende Gesundheitsabfrage oder Arztpräsenz.
Und wenn eine Ansteckung durch die nächstsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann erfolgt wäre?
Wird man durch einen Dritten angesteckt, so stellt sich die Frage, ob dieser hierfür auf Schadensersatz haftet. Als Ausgangspunkt für diese Frage lässt sich die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Ansteckung mit HIV heranziehen. Hier entschied das Gericht, dass eine Haftung für eine HIV-Infektion vorliegt, wenn
der Infizierte von seiner Erkrankung gewusst hat, er dem Betroffenen nichts davon mitgeteilt hat und trotzdem mit ihm ungeschützten Sexualverkehr ausgeübt hat.
Der BGH (Urteil vom 4. November 1988, 1 StR 262/88) führt wörtlich aus: „Jedenfalls beginnt die Strafbarkeit des Täters dort, wo er kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfaßt als der sich selbst Gefährdende. So verhält es sich aber, wenn jemand, dem bekannt ist, daß er HIV-infiziert ist, geschlechtlich verkehrt mit einem anderen, den er von der Infektiosität und der mit seiner Ansteckung verbundenen Lebensgefahr nicht informiert hat.“
Überträgt man dies auf den Herpes-Virus, so haftet derjenige, der von seiner Ansteckung oder zumindest von seiner erheblichen Gefährdung gewusst hat und, ohne die Menschen in seiner näheren sozialen Umgebung zu informieren, ungeschützt mit ihnen Kontakt hat. Auf Sexualverkehr kommt es dabei nicht an. Ich unterstelle aus dem Sendungsverlauf, dass sich Strack-Zimmermann und Guérot nicht so nahe gekommen sind.
Wenn aber Marie-Agnes Strack-Zimmermann hypothetisch von einer eigenen offenen Herpes-Infektion wusste, hätte sie eine Maske tragen oder sich anders setzen müssen. Denn Herpes kann im Ansteckungszeitraum auch über die Atemluft übertragen werden. Aber das wissen wir nicht.
Folgen Sie RA Dirk Schmitz auf Twitter: @schmitzidirk
Dirk Schmitz M.A., seit 1991 Rechtsanwalt, langjähriger ehrenamtlicher Richter, Kommunikationswissenschafter, engagierter Verteidiger, derzeit im Kryptowährungsprozess “Onecoin” vor dem Landgericht Münster. Schmitz sieht durch den Zeitgeist Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit gerade in Masken- und Impfzeiten in Gefahr. Als “alter Liberaler” ohne FDP-Hintergrund steht Schmitz für Bürgerrechte und “die Freiheit des Andersdenkenden”. Sein dem Philosophen Voltaire zugeschriebener Leitspruch lautet: „Obwohl ich völlig anderer Meinung bin als Sie, würde ich mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“
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Kommentar von Bernhard Rossi
"Gynäkologie ist ein Fach, für das es besondere Intimitätsregeln gibt. Da wird weniger darüber gesprochen, was da unten herum passiert." Dieser Meinung schließe ich mich gerne an!
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Kommentar von Charlotte Hinterhuber
Ich glaub ich spinne. Wenn die Dame Probleme in ihrem Intimbereich hat, sollte sie einen Arzt aufsuchen und nicht irgendwelche Leute verklagen. Das ist ja unglaublich.
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Kommentar von Stefan Meschkank
Ich habe diese Interview auch gesehen und halte den Ausbruch einer Herpeserkrankung in kurzer Zeit durch Stress für möglich. Ich habe die Vorwürfe an den Herrn Lanz gehört aber keine Androhung einer Klage. Wenn jemand durch ein Extremereignis über Nacht graue Haare oder einen Totalausfall dieser bekommt würde jeder darüber offen reden. Warum nicht über Scheidenherpes? Es stellt sich für mich eher die Frage: Wird Herr Lanz das Gesprächsangebot von Frau Prof. Dr. Guerot annehmen?
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Kommentar von Wolfgang Aust
Ich muss Herrn Klose völlig recht geben. Anfügen möchte ich noch die Frage, wo dieses Theater denn hinführen soll?
Wenn es also strafrechtlich relevant werden könnte, wenn man jemandem etwas sagt, was er nicht hören will und er deswegen einen Pickel am Hintern kriegt, dann würde das das bestehende woke Instrumentarium gegen Hass und Hetze wirklich fantastisch nach unten abrunden.
Auch, wenn es jetzt gerade gegen Gestalten wie Lanz oder Strack-Zimmermann geht: Es geht in die falsche Richtung, zumindest, wenn man die Rede- und Meinungsfreiheit erhalten möchte.
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Kommentar von hans
… guter Gedanke werter A.W., fragen Sie doch bitte den RA wie meine Ansprüche gegen den ÖRR durchsetzbar wären. Ich bekomme immer Lippenherpes. Schon allein der Gedanke die dort tätigen Wichtigtuer auch noch, mit Haftandrohung, bezahlen zu müssen, ekelt mich schon lange an.
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Kommentar von August Klose
Sorry, Herr Wallasch, aber es wird langsam lächerlich. Hat sich die Frau Guérot zuvor nie Lanz angeschauen, hat sie noch die Strack-Zimmermann ertragen? Wenn es um die Sache geht, geht man dort nicht hin. Man geht dort hin, wenn man es sich antun will dort richtig im Topf mit rumzurühren und da muss man dann die Hitze auch ertragen in der Küche. Klar war die Sendung unter aller Sau, aber das sind die immer.
Jetzt in der Öffentlichkeit mit ' ner Scheidenherpes zu kommen ( i.Ü. "schwere Herpesinfektion" hätte es auch gemacht) zeugt zumindest davon, nicht über den Dingen zu stehen, um es mal diplomatisch auszudrücken.