Wer die 1980er Jahre im Norden Deutschlands miterlebt hat, der erinnert sich vielleicht noch an die bäuerlichen Notgemeinschaften beispielsweise im Bereich Lüchow-Danneberg. Hier und in der weiten Umgebung gehörte der Protest gegen das Endlager Gorleben zum täglichen Geschäft, hier kontrollierte die Polizei auch die Landwirte eine Zeit lang engmaschig, Straßensperren waren an der Tagesordnung.
Ein ähnliches Bild damals – teilweise noch bis heute – in vielen anderen Gemeinden, beispielsweise rund um den Höhenzug Asse bei Wolfenbüttel, der als Endlager für Atommüll in der Erprobung war und die Landwirte der Umgebung jahrzehntelang auf die Barrikaden brachte. Der Protest wurde hier teilweise in die nächste Generation weitergegeben. Aber auch rund um die „Startbahn West“ nahe Frankfurt gab es erbitterte Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, viele Bauern standen wie selbstverständlich auf der Seite der Protestierenden, ihre Trecker prägten auch hier wie anderswo das Bild.
Die Grünen haben ihre DNA zu keinem geringen Anteil aus diesen Bürgerinitiativen und bäuerlichen Notgemeinschaften generiert. Heute, bald 40 Jahre später, richtet sich ein bundesweiter Protest der Bauern insbesondere auch gegen Vertreter der grünen Partei – Landwirtschaftsminister ist der Alt-Grüne Cem Özdemir.
Und ausgerechnet die Grünen in der Bundesregierung und ihre Entourage wollen den protestierenden Bauern 2023 rechtsextreme Motivation unterzuschieben, sie versuchen den Protest zu diffamieren, weil er sich gegen ihre Politik richtet, gegen eine grüne, von immer mehr Menschen als zerstörerisch empfundene Ideologie.
Das ging jetzt einem Grünen aus Schleswig-Holstein, jemandem, der schon lange um diese Zusammenhänge weiß, offenbar massiv gegen den Strich. Kai Nielsen sitzt im Kreistag von Schleswig-Flensburg, er ist als Grüner dort aktiv, wo es um die oft banalen Dinge geht, die für die Menschen der Region unmittelbar relevant sind. Nur mit einer grünen Ideologie ausgestattet kommt man hier nicht weit. Hier sind die Menschen von den Entscheidungen unmittelbar persönlich betroffen, aber diejenigen, die entscheiden, sitzen am selben Tisch oder wohnen Zaun an Zaun.
Besagtem Kai Nielsen ist jetzt via X der Kragen geplatzt. Nielsen soll Polizeibeamter sein. Der grüne Polizist twitterte schon öfter einmal gegen den Strich der Parteiideologen. Zu den Bildern von protestierenden arabisch-stämmigen Jugendlichen und jungen Männern etwa, die vor dem roten Rathaus den Neptun-Brunnen bestiegen und ihre Fahnen schwenkten, schrieb Nielsen Anfang November 2023:
Ich hoffe sehr, dass es zumindest nach diesen Bildern in meiner Partei die @Die_Gruenen zu einer Kurskorrektur in der #Innenpolitik kommt. Und zwar zu einer deutlichen. Viel zu lange wurde die „Hand“ über die gehalten, die unseren #Rechtsstaat zutiefst verachten.
Jetzt meldete sich der norddeutsche Grüne wieder zu Wort. Und er zeigt dabei mit dem Finger auf seine die Bauernproteste diffamierenden Parteigenossen in Berlin.
Kai Nielsen schreibt via X:
Heute sind wir alle #Bauern 🚜👩🌾💚 @Bauern_Verband #Bauernproteste #Landwirte
Liebe Landwirtinnen und Landwirte, 365 Tage im Jahr habt ihr meine vollste Solidarität und Unterstützung 💚🚜 Ohne Euch würde in unserer Region nicht einmal mehr der Storch landen! Danke und großer Respekt für Eure Leistung 🙏 #Bauernprotest @Bauern_Verband #Landwirtschaft
Wenn wir #Gruene nicht die Bedeutung des ländlichen Raumes und der #Landwirtschaft schätzen und anerkennen lernen, werde ich in der wunderschönen Eider Treene Sorge Niederung der letzte Grüne sein, der hier für unsere Partei das Licht ausmacht und den Schlüssel abgibt. Isso
Wir #Grüne sind übrigens sehr gut beraten, uns bei der Kritik an den #Bauernprotesten zurückzuhalten. Sehr wohl wissen wir alle, dass unsere oft gut gemeinten Proteste auch nicht immer wie dörfliche Laternenumzüge verliefen. Wer jetzt verlangt, dass der #Bauernverband Sorge dafür tragen solle, dass es in diesen Tagen zu keinerlei #Rechtsverstößen kommt, dem lege ich gerne nochmal etwas Recherche zum 2.November 1987 Startbahn West nahe. Ich kann mich an den Tag sehr gut erinnern. 2 #Polizei|beamte wurden während einer Demonstration aus der Menge heraus erschossen! Die Teilnahme an den damaligen #Demonstrationen gehörten zum Selbstverständnis unserer Partei @Die_Gruenen Jeder von uns mit klarem Menschenverstand und gut justiertem Kompass weiß, dass man eine #Unterwanderung von einigen #Gewalttätern niemals verhindern kann.
Ich persönlich kenne keinen einzigen gewaltbereiten #Landwirt Keinen! Wenn ob der angespannten Situation auf den Höfen bei einzelnen mal kurzfristig die Gäule durchgehen, ärgern die sich am nächsten Morgen nach getaner Arbeit selbst am meisten drüber. Ich weiß von vielen Polizeikollegen, dass sie über das bisherige Verhalten unserer! #Bauern bei den Protestaktionen voll des Lobes sind. Den Anweisungen wird Folge geleistet und man zeigt sich stets sehr kooperativ. Wenn Familienangehörige und Freunde sich heute Nacht mit ihren Traktoren auf den Weg machen, haben sie meine vollste #solidarität und Unterstützung. Niemand von denen führt irgendwas Böses im Schilde. Niemand! Menschen, die die Offenheit der Bauern ausnutzen um #Straftaten zu begehen, gehören bestraft und das ist auch gut so! #Bauerproteste #WirFürUns
Und über seine Polizeikollegen schrieb Kai Nielsen heute um halb zehn:
Aus meinem Kollegenkreis heute Morgen vollstes Verständnis für den landwirtschaftlichen #Bauernprotest2024 Nur mal so.
Weitere Berichte folgen im Laufe des Tages.
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Kommentar von Malka
Lieber Herr Wallasch,
zuerst mal ein frohes neues Jahr für Sie und Ihre Familie.
Ich bin mittlerweile zu folgender (bahnbrechender)🤣🤣🤣
Erkenntnis gekommen: Für die junge Generation muss mal so 5 Jahre DDR Echtzeit eintreten. Anders lernen die es nicht.
Jede Generation muss halt ihre Fehler selber machen.
Ich bin ein bisschen müde geworden derzeit.
Was ich aber am deprimierendsten finde, ist diese kleinliche Streiterei im bürgerlichen Lager.
Statt so nebensächliche Kleinigkeiten einfach mal beiseite zu lassen, wenn es um grundsätzliche Dinge geht, wird sich aus Anstand noch im klein-klein entzweit.
Dabei wäre gerade die Einigkeit in grundsätzlichen Dingen so wichtig…
Liebe Grüße
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Kommentar von Karl Eduard
Sehr gut, Herr Wallasch! Während sich viele der alternativen Medien wieder mal als reine Echokammer der Systemmedien gebärden um billig Empörungsklicks einzusammeln, zeigen Sie positive Aussagen zu den längst überfälligen und absolut legitimen Bauernprotesten und das noch dazu aus dem "feindlichen Lager". Man sieht also es gibt auch ein paar Grüne mit Verstand bzw. Erinnerungsvermögen an die eigene Vergangenheit. Nachdem sich jetzt bereits Spediteure, Jäger und viele andere angeschlossen haben wäre es an der Zeit positiv über die Proteste zu berichten und die Bevölkerung zu animieren daran teilzunehmen. Niemand interessiert was die Lohnschreiber einer untergehenden Regierung von sich geben. Der Mainstream würde ohne Millionen aus Steuergeldern und Unterstützung von Milliardären wie Gates gar nicht mehr existieren, daher ist alles was die von sich geben nichts anderes als ein Schreiben um das eigene Überleben und das sichern der mit ihrem Gewissen erkauften Pfründe. Niemand sollte dafür Zeit oder Geld investieren, schon gar nicht in den Alternativen Medien.
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Kommentar von .TS.
Es ist leichter gewaltbereite RotzGrüne zu finden als Landwirte.
Wenig verwunderlich: Wer auf dem hohen Roß hockt zeigt wenig Begeisterung dafür das Gewaltmonopol entgleiten zu sehen.
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Kommentar von Hans-Joachim Gille
Sehen Sie, Herr Wallasch, weder haben heutige Grüne, noch sonstige Kartell-Parteien etwas mit der Situation vor 40 Jahren zu tun. Und alle wohlmeinenden Grünen werden in der zukünftigen Abrechnung einer Entgrünifizierung der Deutschen Geschichte mit dran sein. Mitgefangen, mitgehangen.