Diskutiert wird, dass man nicht mehr diskutieren will

Gleichschaltung in Leipzig: Claudia Roth und die Buchmesse schaffen Rechts-freie Räume

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

„Verlage gegen Rechts“ auf der Leipziger Buchmesse© Quelle: Julian Adrat

Auf der Leipziger Buchmesse diskutieren Autoren und Verlage an einem Stand der Bundesregierung, wie man Diskussionen zukünftig ausschaltet. Das kann man sich nicht mehr ausdenken, die Blaupausen liegen in der Reichskulturkammer und im Ministerium der Kultur der DDR.

Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat sich auf der Leipziger Buchmesse eine üppige Fläche samt Raum für Lesungen und Diskussionen angemietet. Auf einer dieser Lesungen war Julian Adrat für uns. Der Künstler und Autor hat im richtigen Moment abgedrückt und einen exemplarischen Gesprächsverlauf aufgezeichnet, der es in sich hat.

Schon das Motto, unter dem die Runde lief, lässt tief blicken und man muss sich die Frage stellen, merken die Initiatoren der Bundesregierung und ihre Gäste diese von ihnen selbst produzierte Doppeldeutigkeit wirklich nicht? Auf einem großen Flatscreen über der Gesprächsrunde eingeblendet stand nämlich:

„Bücher, die wissen, wo sie stehen – Verlage gegen Rechts“

Die Runde wird moderiert von der Autorin Zoë Beck, sie ist Mitbegründerin des feministischen Schriftstellerinnennetzwerks Herland und Mitinitiatorin des Aktionsbündnisses „Verlage gegen Rechts“ bei der Leipziger Buchmesse 2024. Ihre Gäste, die sich an dem Gespräch beteiligen, sind der Gründer des Berliner lesbisch-schwulen Querverlages, Jim Baker, und Mario Pschera vom Berliner Dagyeli Verlag.

Hier zunächst der Gesprächsauschnitt:

Zoë Beck: Wann cancelt man denn wirklich? Was soll das überhaupt? Bitte definiert das mal für mich ...

Jim Baker: Du stellst ja eine schwierige Frage ...

Zoë Beck: Meine Güte, ja (grinst) ...

Jim Baker: Ich würde es auch gerne wissen. Weil ich meine ... vor allem, weil ich jetzt nur für „Verlage gegen Rechts“ spreche. Wir sitzen da und überlegen uns in der Gruppe sehr basisdemokratisch solche Themen und überhaupt. Und da wird halt diskutiert, wen wollen wir einladen, wen kennste. Zumindest in meiner Erfahrung war das nie ein aktives „Den würde ich auf gar keinen Fall einladen.“ Sondern wir setzen die Schwerpunkte, wir setzen die Themen, wir entscheiden ganz aktiv, wen wir dabeihaben wollen. Klar, wir wollen diejenigen haben, mit denen wir diskutieren wollen. Klar kann die andere Seite daraus ziehen, von wegen: „Ja, ich lade den nicht ein und deswegen wird keine Diskussion zustande gekommen.“ Aber ich glaube, dass das vielleicht ein Ergebnis dieses Prozesses ist ... das war nie die Absicht, würde ich dann behaupten ...

Zoë Beck: Naja, die Absicht ist ja auch, dass Diskussionen zustande kommen und nicht einfach der Platz, der Raum gegeben wird für Propaganda. Und darum geht's ja. Und deshalb müssen wir halt auch ein bisschen schwierige Fragen ...

Jim Baker: Es gab ja auch genug Störaktionen, kann ich mich erinnern ...

Mario Pschera: Also, das ist genau der entscheidende Punkt. Findet tatsächlich auch eine Diskussion statt? Auch aus unterschiedlichen politischen Milieus, aus einem breiten Meinungsspektrum? Oder wird es zur Propagandaveranstaltung? Und gerade also insbesondere die neue Rechte ist ja sehr gut geschult, auch Veranstaltungen zu kapern, es gibt dafür extra (etwas), findet man auch im Internet ...

Das muss man mehrfach lesen: Denn man versteht zunächst gar nicht, wer da eigentlich für wen spricht. Warum ist das so schwer zuzuordnen? Wenn Frau Beck und Herr Baker davon sprechen, sie wollen Diskussionen führen, dann meinen sie das Gegenteil davon. Dann sind tatsächlich Kontrahenten, Teilnehmer einer „Störaktion“, wie es Baker nennt.

Aber Frau Beck treibt es auf die Spitze, wenn sie ihren Zuhörern versucht plausibel zu machen, dass man quasi keine Gegenmeinung zulässt, weil die Äußerung einer anderen Auffassung mindestens im Verdacht stehe, Propaganda zu sein. Die Idee einer ergebnisoffenen Diskussion ist hier auf erschütternde Art und Weise ad Absurdum geführt worden.

Es soll „kein Raum für Propaganda sein“. Dass eine Diskussion ohne unterschiedliche Meinungen gar keine Diskussion, sondern Propaganda für eine einvernehmliche Haltung ist, kommt der Runde gar nicht in den Sinn. Und auch aus dem Publikum am Stand der Bundesregierung auf der Leipziger Buchmesse gibt es dazu keinerlei Protestregungen. Null und Nichts.

Bestürzend: Die Zuhörer machen hier nicht den Eindruck, als seien sie still, weil sie etwa zu geschockt wären von dieser offen vorgetragenen Renaissance totalitärer Denkstrukturen. Ist das schon ein Gewöhnungseffekt?

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Noch ein Wort zu den „Störaktionen“, von denen Baker und Pschera sprechen: Beide wissen natürlich genau, dass linksradikale und -extreme Störer Auftritte konservativer und rechter Verlage auf vergangenen Buchmessen massiv gestört haben. Und dass diese Antifa-Adepten dann allerdings – etwa bei Kubitschek und Antaois – auf eine selbstbewusste Gegenwehr stießen und diese sich nicht einfach dem Druck beugten und ihren Stand abbauten.

Frage also: Wie weit muss man ideologisch schon zerfressen sein, wie Mario Pschera, angesichts massiver linker Störaktionen festzustellen, die neue Rechte sei „sehr gut geschult, auch Veranstaltungen zu kapern“? Das ist in etwa so zynisch und dämlich, wie einem Opfer sexueller Übergriffe zu erklären, ihr Rock wäre zu kurz gewesen.

Und das alles findet auf einer Bühne der Bundesregierung auf der Leipziger Buchmesse statt. „Verlage gegen Rechts“ bittet aktuell um Spenden, aber man darf sicher sein, dass, soweit es nicht bereits geschieht, eine staatliche Förderung nicht lange auf sich warten lässt. Der eine oder andere teilnehmende Verlag hat so eine Unterstützung offenbar auch dringend nötig.

Julian Adrat kommentiert das Erlebte per X:

„Absicht ist, dass Diskussionen zustande kommen, ohne dass Raum gegeben wird für Propaganda“, sagt Zoë Beck, die Kriminalromane ohne Masuklinum schreibt 🤡 Zwei Schritte rein in die Leipziger Buchmesse und schon stoße ich auf völlig entseelte Schwurbelei, einzige Überzeugung: Gendersterne und Nazi-Psychose. Nicht ein My Debattenkultur. Aufklärerisches Wertebewusstsein: Fehlanzeige.“

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