Die Staatsanwaltschaft will die Entscheidung allerdings nicht hinnehmen. Oder die weisungsbefugte Landesregierung?
In der Pressemeldung wird noch einmal all das aufgeführt, was offenbar dem Landgericht nicht hinreichend belegt war. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft als schlechter Verlierer. Aber nicht nur das: Dahinter steckt ja ein Menschenleben. Und jemanden für neun Monate wegzusperren — unter anderem wegen Fluchtgefahr —, um dann nicht einmal zum Hauptverfahren zugelassen zu werden. Das ist schon mehr als nur eine Schlechtleistung der Staatsanwaltschaft.
Rechtsanwalt Dirk Schmitz kommentiert für uns die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart auf Nichteröffnung des Verfahrens:
Unjuristisch würde ich sagen: „Voll auf die Acht!“
Juristisch: Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist, ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird sogar ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit verlangt, als dies beim dringenden Tatverdacht für einen Haftbefehl im Sinne des § 112 StPO erforderlich ist. Das heißt indirekt, dass schon der Haftbefehl trotz dessen Bestätigung durch andere Kammern und Gerichte aus heutiger Sicht niemals gerechtfertigt war.
Dabei hat das Landgericht offensichtlich berücksichtigt, dass zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich ist. Das OLG wird als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Landgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig würdigen.
Wenn das OLG die Entscheidung nach Erlass und Vollzug eines Haftbefehls bestätigt, ist das bildlich gesprochen wie ein Sechser in der Klassenarbeit, kombiniert mit Eckestehen und Mülleimer auf dem Kopf.
Deshalb: Die hyperschnelle Pressemitteilung – wohl schneller als die Anwaltspost – zeigt, wie angepisst die Truppe ist.
Traurig: Politisch motivierte Verfolgung Unschuldiger. Gerade hier ist das mehr grüne als schwarze Baden-Württemberg leider führend. Kein halbwegs professioneller Strafverteidiger hat mehr Vertrauen in die Staatsanwaltschaften als Wunscherfüllungsbehörde grüner Allmachtsphantasien. Zwar soll die Staatsanwaltschaft gemäß § 150 Gerichtsverfassungsgesetz „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ sein. Wenn dies aber heute jemand laut im Gerichtssaal behauptet, hört man höchstens ein Lachen. Leider! Die Delegitimation des Rechtstaates beginnt in der Mitte der Justiz und nicht in Thüringen durch Höcke.
Kompliment an die mutige Kammer des Landgerichts Stuttgart.
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Und hier noch einmal der Vollständigkeit halber zitiert aus der Pressemeldung der Staatsanwaltschaft, was das Landgericht teilweise offenbar für nicht für prozessrelevant oder nicht hinreichend bewiesen hielt:
„Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Gründer von ,Querdenken 711' hinsichtlich der Vorwürfe des versuchten Betruges und der Geldwäsche einlegen.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft besteht gegen den 48jährigen Angeschuldigten nicht nur ein hinreichender Tatverdacht wegen mitangeklagter Steuerstraftaten. Vielmehr wird ihm weiterhin vorgeworfen, spätestens seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe von einer hohen vierstelligen Zahl an Personen finanzielle Zuwendungen für „Querdenken 711“ im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben, hierbei die Zuwendenden getäuscht und mehr als 500.000 Euro für eigene Zwecke verwendet sowie die mutmaßlich rechtswidrige Herkunft der eingeworbenen finanziellen Zuwendungen in mittlerer sechsstelliger Höhe durch vier Bargeldauszahlungen verschleiert zu haben.
Nachdem gegen den Angeschuldigten wegen dieser Tatvorwürfe am 20.03.2023 Anklage erhoben worden war, hat das Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen der 9-Monats-Haftprüfung mit Beschluss vom 04.04.2023 den gegen den Angeschuldigten erlassenen Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, zugleich aber, wie schon in seinem Beschluss vom 02.01.2023, das Fortbestehen eines dringenden Tatverdachts des versuchten Betrugs und der Geldwäsche bejaht.
Im Gegensatz zum vom Landgericht abgelehnten hinreichenden Tatverdacht, wonach die Verurteilung des Angeschuldigten lediglich wahrscheinlicher sein muss als dessen Freispruch, setzt der dringende Tatverdacht darüber hinaus die sich nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen ergebende hohe Wahrscheinlichkeit voraus, dass der Angeschuldigte eine Straftat schuldhaft begangen hat.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nun im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft über die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage in Bezug auf die Vorwürfe des versuchten Betruges und der Geldwäsche in vier Fällen sowie über die Wiederherstellung hie-rauf bezogener Vermögensarreste und Pfändungen zu entscheiden. Gibt es der Beschwerde statt, kann es zugleich bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Stuttgart stattfindet.“
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Kommentar von Bernhard Rossi
Auch der 63-Jährigen Frau Dr. med. Dorothea Thul, Kinderärztin, wird derzeit der Prozess in Bernkastel-Kues am Amtsgericht gemacht. Beweisaufnahme. Verhaftet wurde Sie bereits am 12. April 2023 und ist zur Zeit Gast des Landes Rheinland-Pfalz in der JVA Koblenz und der JVA Zweibrücken. Die Angeklagte wird in Handschellen mit Begleitung von zwei Polizistinnen und einem Polizisten zu ihrem Sitzplatz geführt und die Handschellen abgenommen. Ihr wird eine Stofftasche mit Akten nachgetragen. Die Anklageschrift mit zahlreichen Vorwürfen und üblen Behauptungen im Internet und abgehörte telefonische Beleidigungen lenken vom wahren Kern ab. Möge sich jeder selbst ein Bild machen!
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Kommentar von H E
Aber die Anklage wegen Steuerbetrug und versuchten, Steuerbetrug wird er erhoben, soweit ich weiß. Also alles gut und dass es zugelassen wird, zeigt auch, dass Fehler gemacht wurden. Wenn jemand Jahre lang erfolgreich Unternehmer, ist auch so ein Fehler einfach nicht passieren da gibt es für mich keine Unschärfen oder Ähnliches darf nicht.
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Kommentar von Bernhard Rossi
Hat der deutsche Staat Angst vor der breiten Öffentlichkeit! Herr Ballweg hätte viele Menschen gewonnen, die diesen Mann noch gar nicht kennen! Herr Ballweg hätte Fragen aufgeworfen, die sich viele Bürger heute selber stellen.
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Kommentar von Caroline T.
Die Staatsanwaltschaften haben nicht erst seit der Causa Ballweg große Schuld auf sich geladen. Dass sie von oben weisungsgebunden sind, weiß jeder. Es gibt noch mehr politisch Gefangene, weniger bekannte Namen. Nicht irgendwo, in Deutschland. Ich möchte, dass diese Menschen vollumfänglich rehabilitiert werden.
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Kommentar von .TS.
Schallende Ohrfeige?
Nö, denn das eigentliche Ziel wurde erreicht: Einen erfolgreichen Regimekritiker nachhaltig auszuschalten und Nachahmer empfindlich abzuschrecken.
Die Rechnung zahlt am Ende so oder so der Teuerzahler.
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Kommentar von Marcus Thiemann
Mir scheint, diese Staatsanwaltschaft würde manchem Terrorregime zu Ehre gereichen. Glückwunsch an Michael Ballweg. Möge es dabei bleiben.
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Kommentar von Sylvia E.
Das muss man sich mal geben: Untersuchungshaft weit über das zulässige Maß hinaus.. und jetzt nicht mehr als heiße Luft?
Und . Konsequenzen ? Nichts. Niente.
Liebe Westdeutsche: Jetzt bekommt ihr vielleicht-so ihr nachdenkt- wo die Reise zukünftig hingehen wird.
Da hilft auch der Wohlstand und der Ruf nach dem Rechtsstaat nicht mehr..
Good Luck
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Kommentar von Palmström
Und all das Theater bezahlt der Steuerzahler.
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Kommentar von Lars Schröder
Was nützt es jetzt noch?
Während der Corona-Massnahmenpolitik-Zeit hat man Ballweg aus dem Verkehr gezogen, daß er der Regierung nicht dazwischenfunken konnte.
Im Nachgang kann man wieder Rechtsstaat simulieren, es kommt nicht mehr darauf an.
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Kommentar von Kerstin Holderbaum
Strike! Viel Glück für Michael und tausend Dank an die Anwälte