Schwerter zu Pflugscharen – Schwere Waffen für die Ukraine

Frohe Ostern: Vom Dilemma der Gewaltfreiheit im Angesicht des Krieges

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Kommt Ihnen das auch irgendwie zynisch vor, dass heute zu Ostern tausende Menschen auf die Straße gehen, um für den Frieden zu demonstrieren und eine Hauptforderung dabei heißen könnte, der Ukraine endlich schwere Waffen zu liefern, um diese siegreich gegen die russische Armee im Land einzusetzen?

Die Zeit und weitere Zeitungen hatten gestern Claudia Baumgart-Ochse zitiert, sie forscht am Leibniz-Institut in Sachen Konfliktforschung und befand, dass der alte Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ eigentlich doch ziemlich „naiv“ sei.

Für Baumgart-Ochse stammen Ostermärsche und Friedensbewegung aus der Zeit des Kalten Krieges. Jetzt aber werde geschossen, und es sei ein heißer Krieg, der noch dazu mit Kriegsverbrechen geführt werde. Wer jetzt Frieden ohne Waffen schaffen will, der spreche „der Ukraine das Recht ab (...), sich auch zu verteidigen.“

Das klingt zunächst logisch. Aber es hat auch eine weitreichende Bedeutung, was die Geschichtsschreibung einer Friedensbewegung angeht, welche bis heute von Linken und Grünen als Teil ihrer DNA beansprucht wird. Denn nehme man Baumgart-Ochse beim Wort, kann die pazifistische Haltung der Friedensbewegung immer nur eine theoretische gewesen sein, verbunden mit der berühmten Frage nach einem gerechten Krieg.

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Aber ist der Krieg der Ukrainer gegen den russischen Aggressor ein gerechter?

Da kann man noch so intensiv eine Vorgeschichte des Konfliktes im Donezbecken herunterbeten, der Einmarsch der Russen in die Ukraine wird deshalb nie ungeschehen gemacht werden können. Und sie kämpfen weiter, Putins Eroberungskrieg ist in noch vollem Gange.

Baumgart-Ochse sagt, „Wir haben hier eine russische Aggression.“ Aber diese Aussage hängt dann doch ziemlich allein in der Luft.

Der „gerechte Krieg“ hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag: Im zweiten Weltkrieg ging es darum, Hitlerdeutschland zu besiegen und den Terror aus Europa zu vertreiben. Kein Mensch wäre angesichts von Auschwitz auf die Idee gekommen, die andere Wange hinzuhalten.

Aber auch der Sieg über Deutschland und den Nationalsozialismus befreit niemanden davon, seine Methoden zu rechtfertigen. Der alliierte Bombenterror, die Versenkung von Flüchtlingsschiffen, die zu tausenden verhungerten deutschen Soldaten auf den Rheinwiesen, die Entvölkerung des Deutschen Ostens - von den Alliierten auf dem Reißbrett entworfen - die hunderttausenden vergewaltigten deutschen Frauen und Mädchen ... ach, die Liste der Grausamkeiten vor allem gegen die deutschen Zivilisten ist lang und sie reicht weit in die Nachkriegszeit hinein.

Auch der „gerechte Krieg“ gegen Hitlerdeutschland hat demnach ein paar auffällige Makel schwerer Menschenrechtsverletzungen und solcher internationaler Konventionen bis hin zum Exodus des deutschen Ostens. Die letzten Überlebenden dieser deutschen Odyssee werden in den nächsten Jahren altersbedingt sterben. Aber noch wollen sie reden. Viele im Alter sogar dringlicher als in den Jahrzehnten zuvor.

Leider ist es nicht so einfach, gerechte Kriege davon abhängig zu machen, wer angegriffen und wer nur verteidigt hat. Ist es beispielsweise legitim, mit Bombern in einem souveränen Staat Atomversuchsanlagen zu zerstören, weil der Verdacht besteht, diese Anlagen könnten demnächst Massenvernichtungswaffen produzieren?

Man ist hier geneigt, zuzustimmen. Aber was, wenn sich später die Behauptung von Massenvernichtungswaffen als Lüge herausstellt und eine amerikanische Außenministerin im Fernsehen erklärt, 500.000 tote Kinder wären nur ein Kollateralschaden gewesen?

Das Elend reicht aber noch viel weiter zurück: Ab Beginn des zweiten Jahrtausends marschierten Kreuzritter in den Krieg mit einem „Gott will es!“ als Legitimation auf den Lippen. Von „Schwertern zu Pflugscharen“, einem modernen Motto der Friedensbewegung, war damals nicht die Rede.

Ist der Kampf der Ukrainer gegen den russischen Aggressor ein gerechter? Wer würde das in Abrede stellen wollen? Oder doch mit seiner Vorgeschichte als ungerecht begründen?

Ist die Weltgemeinschaft bereits daran gescheitert, dass sie den zwar territorial begrenzten, aber schon jahrelang wütenden Krieg im Donezbecken mit zehntausend Toten nicht schon viel früher beendet hat? Was die dringende Frage einer Mitschuld aufwirft: Wo waren die Blauhelme und was hätten sie überhaupt ausrichten können?

„Schwerter zu Pflugscharen“ ist ein Motto, das auch viele deutsche Pazifisten Jahr für Jahr auf Ostermärschen vor sich hergetragen haben wie eine Monstranz. Manch einer wird sich heute noch erinnern:

„Am 12. Mai 1983 reisen einige Grüne, darunter Petra Kelly und Gerd Bastian, nach Ost-Berlin und treffen sich mit DDR-Oppositionellen zu einer kleinen Demo auf dem Alexanderplatz. Als sie ein Plakat mit dem „Schwerter-zu-Pflugscharen“-Symbol hervorholen, werden sie von Sicherheitskräften festgenommen.“

Tragisch im Hinblick auf die deutsche Friedensbewegung ist hier möglicherweise auch der biblische Ursprung von „Schwerter zu Pflugscharen“:

„Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.“

Micha 4, 1-5

Das hört sich nach allem an, nur nicht nach einer friedlichen Botschaft. Hier ging es vielmehr darum, den Heiden und ihrer Vielgötterei eine Art Marshallplan aufzubürden, die Aufsässigen nach ihrer Zwangschristanisierung die Waffen wegzunehmen und sie zu abhängigen Arbeiter und Bauern zu machen.

Erstaunlich, dass Kirchenmenschen im Zusammenhang mit „Schwerter zu Pflugscharen“ bis heute von einer „endzeitlichen Friedensvision“ sprechen. Denn „Schwerter zu Pflugscharen“ könnte dem Ursprung nach sogar einen „gerechten Krieg“ begründen - Gott mit uns!

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Aus heutiger Sicht für viele verstörend: Die eindrucksvolle Bronzeskulptur „Schwerter zu Pflugscharen“ im Garten der UN war 1959 ein Geschenk der Sowjetunion an die Vereinten Nationen. Und sie sollte nicht weniger symbolisieren als den Anspruch der Sowjetunion, eine große Weltfriedensmacht zu sein.

Die Skulptur sollte an die Friedensziele der UN-Charta erinnern:

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates oder in jeder anderen Weise, die mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist.“

Und hier darf man auch nicht unterschlagen, dass der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg von den verbleibenden Alliierten die Hauptlast im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht aufgebürdet wurde. Der Kalte Krieg hat diesen Blickwinkel später fast vollständig unter sich begraben.

Also noch einmal gefragt: Kommt Ihnen das zynisch vor, dass heute zu Ostern viele hunderttausend Menschen auf die Straße gehen, um für den Frieden zu demonstrieren und gleichzeitig schwere Waffen fordern, um die russische Armee zu besiegen und zu verjagen?

Vor wenigen Tagen schrieb die Zeit:

„Linke Grüne fordern schwere Waffen, die AfD redet vom Frieden: Zu Ostern 2022 hat sich der einstige deutsche Pazifismus politisch endgültig umgestülpt. Was ist passiert?“

Und weiter heißt es da:

„30 Jahre nachdem er im Bonner Hofgarten mit 300.000 anderen gegen Aufrüstung demonstrierte, steht der Grüne Jürgen Trittin im Bundestag am Rednerpult und wünscht sich mehr Waffen.“

Gleichzeitig erklärt Tino Chrupalla, der Parteivorsitzende der AfD: „Mit Waffenlieferungen beendet man keinen Krieg." Es müssten stattdessen Diplomaten in die Ukraine geschickt werden. Es fehlt hier nicht viel und AfD-Abgeordnete liefen mit „Schwerter zu Pflugscharen“-Button am blauen Hemd durch den Bundestag, während einer wie der grüne Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter schwere Waffen für die Ukraine fordert.

72 Prozent der Anhänger der Grünen stimmen mittlerweile für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, ergab eine Umfrage. Interessant ist, wie Trittin diesen Widerspruch gegenüber der Zeit als einen nur vermeintlichen wegbügelt und dabei genau jene Anwürfe perfekt bedient, die heute sagen, die Grünen wären nie eine Friedens- oder Pazifistenpartei gewesen.

Trittin argumentiert so: Schon früher hätten Grüne Geld gesammelt für den ANC in Südafrika, der nicht friedlich gewesen sei. „Und für den Widerstand gegen die Junta in El Salvador, der war auch nicht friedlich.“ Der altgrüne Trittin sieht in den Grünen von Anfang an beides:

„Der Pazifismus einerseits und die Unterstützung für Freiheitskämpfe andererseits. Der Unterschied war und ist: dort, wo das Recht herrscht, müssen wir auch gewaltfrei sein. Aber in Diktaturen und bei Unterdrückung unterstützen wir es, wenn Menschen sich wehren.“

Mit anderen Worten: „Schwerter zu Pflugscharen“ kann aus grüner Sicht auch bedeuten, die Klinge muss erst richtig blutig sein, bevor wir sie schmieden können. Und was ein gerechter Krieg ist, dass bestimmen immer noch wir.

Und damit wären wir dann wieder bei dem Kollateralschäden angekommen, bei Allbrights 500.000 toten Kinder, die es wert gewesen sein sollen, für den Frieden in der Region ermordet zu werden.

Aber auch das muss noch erwähnt werden: Längst nicht alle Ostermarschierer 2022 fordern schwere Waffen für die Ukraine. Den Menschen ist der Widerspruch heute durchaus bewusst.

Tagesschau.de sichtete gestern Slogans wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Nicht noch mehr Waffen“ auf Plakat beim Chemnitzer Ostermarsch.

Der Nachrichtensender sprach unter anderem in Gronau mit einem Organisator einer Friedensdemo, der gegen Waffenlieferungen an die Ukraine argumentierte. Er begründet seine Ablehnung unter anderem mit der Sorge vor einem Atomschlag Russlands, der folgen könnte, wenn aus Putins Sicht eine "rote Linie" überschritten sei.

Aber soll man Putin deshalb gewähren lassen und die westliche Unterstützung der Ukraine aufgeben? Die Christen in der Ukraine feiern Ostern mit verzierten Eiern und Paska, einer Art Kuchen, der am Vorabend des Osterfests gebacken und am Ostersonntag gegessen wird. Die Zutaten sind Schmand, Rosinen, kandidierte Aprikosen, Zitrone. Ganz wichtig ist auch die Dekoration: Entweder mit Sahne oder bunten Streuseln, „auch Kreuzmotive passend zum Osterfest sind für das Hefeteiggebäck beliebt“, schreibt der Berliner Kurier. Also serviert und gegessen von jenen, die noch leben. In den Kellern und Bunkern gibt es kein Paska.

2020 zu Ostern eröffnete ntv seine Berichterstattung mit folgender Schlagzeile: „Präsident grüßt aus Kaminsessel. Putin feiert mit Millionen Christen Osterfest“. Putin wurde noch vor zwei Jahren von ntv so zitiert: „Alles wird gut mit Gottes Hilfe“, sagte Putin bequem in einem Sessel vor einem Kamin sitzend.

Zu Ostern 2022 steht Putin als Feldherr über den Kartentisch gebeugt.

Und vor 37 Jahren dichtete der britische Sänger Sting seinen Song „Russians“, über den er später sagte:

„Russians ist ein Lied, über das man sich leicht lustig machen kann, ein sehr ernstes Lied, aber zu der Zeit, als es geschrieben wurde – auf dem Höhepunkt der Reagan-Rambo-Paranoia, als man die Russen als graue, untermenschliche Automaten betrachtete, die nur gut genug waren, um sie in die Luft zu jagen.“

Sting hat seinen Song jetzt unter dem Eindruck des Ukrainekrieges neu aufgenommen:

Sting - Russians (Guitar / Cello Version)

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