Niemand will die Palästinenser haben – Nicht einmal die EU

EU zahlt Ägypten 7,4 Milliarden, um Migranten fernzuhalten

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Die Angst vor den Palästinensern geht um in Europa© Quelle: Youtube /Tagesschau, Screenshot

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf am Sonntag gemeinsam mit den Regierungschefs von Belgien, Italien, Österreich, Zypern und Griechenland in Kairo den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Anschließend war der Ägypter um 7,4 Milliarden Euro reicher.

Das Darlehen dient vor allem dem Zweck, Ägypten zu überreden, keine Boote Richtung EU starten zu lassen, auf denen sich illegale Zuwanderer befinden, die so direkt in die EU einreisen oder einen der begehrten Plätze auf den Schiffen der sogenannten „Seenotretter“ erreichen wollen, die von der deutschen Regierung mit Millionen Euro subventioniert werden.

Olaf Scholz war aus gutem Grund nicht mit in Kairo an Bord. Wie hätte das auch ausgesehen, wenn der Co-Finanzier der sogenannten „Seenotrettung“ einen Milliardenvertrag mit Ägyptens al-Sisi unterzeichnet, der eben diese Seenotsituationen verhindern helfen soll?

Und weil das alles so fadenscheinig ist, haben die Geldkoffergäste unter den Pyramiden für das Protokoll vereinbart, dass es zusätzlich auch eine Zusammenarbeit in Bereichen wie erneuerbare Energien, Handel und Sicherheit geben soll; auch Ägyptens schwächelnde Wirtschaft soll unterstützt werden.

Grundsätzlich aber sollen diese frischen Milliarden für Ägypten die Migration in die EU eindämmen. Aber welche Migration soll das sein?

Wer sich die Mittelmeerkarte anschaut, dem wird schnell klar, dass Ägypten alles andere als ein günstiger Ausgangspunkt für eine Bootsfahrt in die EU ist. Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen sind jedenfalls geografisch die deutlich bessere Alternative. Wer von Ägypten aus startet, der muss erst hunderte von Seemeilen zurücklegen.

Worum geht es also? Die Süddeutsche Zeitung nahm sich im Juni 2023 des Problems an und schrieb dazu:

„Illegale Migration wird in Ägypten nicht gerne gesehen, die bekannte Showmasterin Lamis Elhadidy berichtet - nicht ohne einen Anflug von Stolz in der Stimme -, dass sich seit 2016 von der ägyptischen Küste kein Schiff mehr illegal nach Europa aufgemacht habe.“

Aber wofür dann 7,4 Milliarden Euro, wenn kaum Boote ablegen? Offenbar geht es um die Routen über Land Richtung Libyen. Soll Präsident al-Sisi angehalten werden, junge Ägypter davon abzuhalten, nach Libyen zu reisen?

Weiter heißt es bei der Süddeutschen:

„Auf der Website des ägyptischen Ministeriums für Auswanderung wird davor gewarnt, eindrücklich, etwa mit einem Totenkopf, gezeichnet in eine riesige Welle, die auf ein Flüchtlingsboot überzuschwappen droht. Dazu der Slogan: 'Dein Leben ist wertvoll - wirf es nicht weg. Bevor du auswanderst, denk nach und lass dich beraten.'  Daneben ist die Nummer einer Hotline angegeben.“

Zurück zum Anfang: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist mit ein paar EU-Regierungschefs im Gepäck zu einem milliardenschweren Abkommen nach Kairo – weil sie es nachher nicht allein gewesen sein will?

Die Tagesschau kommentiert, die Idee wäre, dass Ägypten im Gegenzug die Migration in Richtung Europa eindämmen soll. Pi mal Auge gerechnet sind das 7,4 Millionen Euro pro ägyptischen Küstenkilometer. Aber wofür ist das EU-Geld, wenn von ägyptischen Küsten aus keine illegale Massenzuwanderung in die EU droht?

Die Tagesschau blickt in Richtung Tobruk/Libyen:

„Die Vereinbarung zielt darauf ab, dass Ägypten die irreguläre Migration Richtung Europa eindämmt. Vor allem die griechische Regierung war zuletzt in Sorge über eine neue Flüchtlingsroute vom libyschen Tobruk aus Richtung Kreta. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) registrierte in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Menschen, die so ankamen. Die meisten von ihnen sollen aus Ägypten stammen.“

Nochmal zum Verständnis: Der ägyptische Präsident soll illegale Migration vom libyschen Tobruk aus verhindern? Und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht von eintausend Menschen im ersten Quartal, was gemessen an der Gesamtzahl eine geringe Anzahl Illegaler ist.

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Also worum geht es wirklich?

Um hier einer Antwort näher zu kommen, ist es hilfreich, die Karte vom Mittelmeer weiter aufzuziehen und sich die Frage zu stellen, wo sich aktuell Krisenherde befinden und wo die Millionen in den Startlöchern stehen, um sich auf den Weg in die EU zu machen.

Dabei landet man unweigerlich an der Grenze Ägyptens zum Gaza-Streifen und bei der sehr plausiblen Idee, dass die 7,4 Milliarden Euro für Ägypten möglicherweise auch dafür bereitgestellt wurden, die Route Gaza-Ägypten-Libyen-Mittelmeer-EU zu schließen mit Hilfe des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und mit Hilfe von 7,4 Milliarden Euro.

Wer sich bisher die Frage stellte, warum die arabisch-muslimisch geprägten Anrainer-Staaten von Gaza und Israel kein Interesse an den Palästinensern haben, der erlebt jetzt einen pfiffigen Ägypter, der sich die Ablehnung palästinensischer Flüchtlinge auch noch von der EU vergolden lässt. Ursula von der Leyen will diesen hochexplosiven Deal verständlicherweise nicht allein einfädeln, sondern sie holt sicherheitshalber weitere EU-Staatschefs mit ins Boot.

Wieder die Tagesschau schrieb im Oktober 2023, Ägypten wolle eine Fluchtmigration von Hunderttausenden aus Gaza nach Ägypten verhindern, denn die Erfahrungen aus Ländern wie Jordanien und Libanon hätten gezeigt, dass die Palästinenser nicht mehr weggehen. Aber besteht diese Gefahr wirklich, wenn der Schritt über Libyen in die EU zu einer gangbaren Fluchtalternative würde?

Die Süddeutsche Zeitung schrieb gestern, die Europäische Union wende viel Geld und diplomatischen Pomp auf, um den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi an sich zu binden. Es ginge darum, eine „strategische Partnerschaft“ zu besiegeln.

Weiter heißt es da, über diesen Vertrag werde schon länger verhandelt, „weil Ägypten seit langem eine Schlüsselrolle dabei einnimmt, die Migration Richtung Europa einzudämmen“. Und wieder die Frage: Welche Rolle sollte das sein, die vom vergleichsweise entfernten Ägypten aus Abfahrten von Libyen, Tunesien oder Marokko aus verhindern könnte?

Die SZ hat das so eine Idee, wozu dieser Milliardendeal noch taugen könnte, was Ursula von der Leyen und ihr Tross lieber zurückhalten und die Medien bisher nicht anrühren mögen:

„Aber (der Deal) hat für die EU noch einmal zusätzliche Bedeutung gewonnen durch den Krieg in Gaza. Denn in vielen Mitgliedsstaaten geht die Sorge um, es könnten sich wegen des israelischen Angriffs viele palästinensische Flüchtlinge über Ägypten auf den Weg nach Europa machen.“

Nicht von ungefähr war auch der Regierungschef von Zypern mit in Ägypten. Ihn traf Frau von der Leyen vor wenigen Tagen auf Zypern. In der Presseerklärung machte die EU-Chefin die besondere Rolle Zyperns deutlich, ebenso die besondere Verantwortung, damit Zypern nicht zum Hotspot der nächsten Fluchtmigration wird. Frau von der Leyen ist gerade überall. Die Angst vor den Palästinensern geht um in Europa.

Und es gibt noch eine weitere Brandstelle, die hier noch gar nicht hinreichend beleuchtet ist, nämlich das Verhältnis zwischen dem libyschen Warlord Khalifa Haftar und dem russischen Präsidenten. Putins Interesse an einer Destabilisierung Europas könnte hier ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, gegen die der ägyptische Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi mit 7,4 Milliarden Euro in Stellung gebracht wird.

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