"... einen Strom von Siedlern!"

Eine vergessene Empörung: Als Europa eine Umvolkung in Tibet bejammerte

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

„Eine gezielte Überfremdungspolitik“© Quelle: Pixabay/ Rotten77

Sprechen wir über eine fast vergessene Debatte: Es geht um Tibet und die Bemühungen der chinesischen Führung, die Tibeter durch massiven Zuzug von Chinesen im Dunkel der Geschichte verschwinden zu lassen.

Noch 2022 etwa zitierte die regierungsnahe linke Frankfurter Rundschau den Chef der Exil-Tibeter mit den Worten: „In zehn oder 15 Jahren wird es Menschen in Tibet geben, die ihre eigene Sprache nicht mehr sprechen.“

Die Welt schrieb 2008 über die Situation in Tibet:

„Das Sagen in Lhasa haben Pekings Emissäre, die durch eine massive Umsiedlung von Chinesen nach Tibet einen schleichenden Bevölkerungsaustausch und damit die Verdrängung tibetischer Kultur und Religion betreiben.“

Und die Zeitung schreibt weiter, dass die Tibeter im Laufe der Zeit im eigenen Land zur Minderheit wurden.

Und noch einmal die „Welt“:

„Längst sind die Tibeter zur Minderheit im eigenen Land geworden und kämpfen gegen Entrechtung, Armut und Arbeitslosigkeit. Und gegen die ständigen Repressionen Pekings.“

Die Deutsche Welle schrieb 2009 über chinesische Siedler in Tibet von einer „gezielten Überfremdungspolitik“. In diesem Zusammenhang sei auch „die verkehrstechnische Erschließung des ehemaligen Eremitenstaates zu sehen.“ Auch wurde damals eine Eisenbahnstrecke gebaut, welche laut Deutscher Welle „den Abtransport tibetischer Bodenschätze ebenso wie den Zuzug chinesischer Siedler oder den Transport größerer Truppenkontingente“ erleichtern soll.

Ein Tibet-Experte erklärte für die Deutsche Welle, wie diese Überfremdung funktioniert:

„Die offiziellen Statistiken erfassen allerdings nur die fest angesiedelten Chinesen. Auf dem Papier bilden die Tibeter noch die deutliche Mehrheit der Bevölkerung. Aber Dieter Schuh glaubt diesen Statistiken nicht. Denn er hat viele der sogenannten temporären Siedler gesehen. Menschen, die jahrelang in Tibet bleiben, dort ihre Existenz aufbauen, Kinder bekommen.“

Interessant auch, was die „taz“ über Tibet schrieb, als der Autor kritisierte, dass sich Tibet 1913 in die Selbstisolation begeben und es versäumt habe, am Leben der Staatengemeinschaft teilzunehmen:

„Von daher war es vom Völkerbund auch nicht als eigenständiges Staatsgebilde anerkannt worden. Im Jahr 1950 vollzog China das, was es als Wiederherstellung seiner legitimen Rechte ansah und gliederte - zweifellos gewaltsam - Tibet wieder an.“

Die schweizerisch-tibetsche Gesellschaft schrieb 2017 von einem stillen Drama in Tibet:

„Durch gezielte Überfremdung Tibets mit chinesischen Einwanderern wird das tibetische Volk wirtschaftlich und gesellschaftlich zu einer unbedeutenden und rechtslosen Minderheit im eigenen Land reduziert.“

Das Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften schrieb:

„Im 20. Jahrhundert setzten die unterschiedlichen Herrschaftsregime Chinas die Eisenbahn gezielt ein, um die weitläufigen Territorien, die ihrer Kontrolle unterstanden, zu kolonisieren (...) Und als Kolonialisierung empfindet die tibetische Exilregierung den Bau der Eisenbahn nach Lhasa (DIIR 2008). Die Eisenbahn brachte und bringt (...) einen Strom von Siedlern in die Regionen und bildet damit das Rückgrat für die politische und militärische Kontrolle.“

Die Tibet-Initiative Deutschland e.V. (TID) veröffentlichte vor 15 Jahren folgenden Absatz:

„Eine über Jahrhunderte eigenständige Entwicklung hat in Tibet eine auf der Welt in Schrift, Sprache und Religion einzigartige Kultur hervorgebracht, die als kulturelles Erbe der Menschheit erhalten werden muss. (...) Die Massenansiedlung von Chinesen in Tibet stellt heute die größte Bedrohung für das Überleben des tibetischen Volkes dar. Die Fortführung dieser unmenschlichen Politik wird die Tibeter in naher Zukunft zu einer unbedeutenden Minderheit im eigenen Land machen und zum vollkommenen Verlust der Identität und Kultur der jetzt noch lebenden sechs Millionen Tibeter führen.“

Dieser Tibet-Debatte nahm sich 2008 auch die linke Zeitung „Jungle World“ an. Sie kommentierte die Aussagen der Tibet-Initiative dahingehend, dass das Gerede des Dalai Lama vom drohenden „kulturellen Genozid“ einfach nur gewählter klänge als eine schlichte Hetze gegen „Überfremdung“.

„JungleWorld“ weiter:

„Dem Tibeter geht es mit den Chinesen also so wie dem Hessen mit den Türken, Jugoslawen, Arabern etc. Da hilft nur die Meditation oder eine
Doppelpass-Kampagne. Oder man macht es wie ein Teil der tibetischen Aufständischen in Lhasa im März und steckt die Geschäfte der verhassten Nachbarn in Brand.“

Die Grünen aus Mülheim berichteten 2023 von einer Beflaggung ihres Rathauses mit der Fahne Tibets. Begründet wurde das von den Grünen wie folgt:

„Auch nach der Besetzung Tibets durch die chinesischen Kommunisten 1959 sind die Demokraten aufgerufen, an die eklatante Verletzung des Selbstbestimmungsrechts von Völkern wie der Tibeter in der freiheitlichen Welt zu erinnern.“

Zur Einordnung: Hier agiert eine fremde Macht, ein Aggressor, der sich ein Nachbarland untertan gemacht hat. Es war nicht die tibetische Regierung selbst, die aktiv darum warb, dass immer mehr Chinesen ins Land kommen.

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