Interview mit RA Dirk Schmitz

Ein Rentnerputsch „wie aus einem Monty-Python-Film“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Der irre Plan eines angeblichen Umsturzes war „in Vorbereitung“.© Quelle: Youtube / WDR aktuell, Screenshot

Gestern veröffentlichte der Generalbundesanwalt eine Pressemitteilung zur Anklage gegen neun Personen, u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens sowie versuchten Mordes.

Die Medien waren vor über einem Jahr mit vor Ort, als tausende Polizeibeamte Wohnungen stürmten, in denen angebliche Putschisten einen Terroranschlag gegen die Bundesregierung geplant haben sollen. Die Bilder in den Medien zeigten dann überwiegend verhaftete Rentner. Nach über einem Jahr Ermittlungsarbeit wurde Anklage erhoben. Rechtsanwalt Dirk Schmitz ordnet die Veröffentlichung für Alexander-wallasch.de ein:

Wo stehen wir im Putschfall?

Die Bundesanwaltschaft hat am 11. Dezember 2023 Anklage gegen zahlreiche Personen, u.a. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens sowie versuchten Mordes vor mehreren Oberlandesgerichten, u.a. beim OLG Stuttgart, erhoben.

Was konkret heißt "terroristische Vereinigung"?

Richard Reeve Baxter, ehemaliger Richter am Internationalen Gerichtshof, meinte einmal, wir hätten Grund zum Bedauern, dass uns ein juristischer Begriff des Terrorismus jemals auferlegt wurde. Der Begriff sei unpräzise; er sei mehrdeutig; und vor allem diene er keinem entscheidenden juristischen Zweck. So existiert für fast jeden Staat eine eigene Definition von Terror, in den USA selbst behördenspezifisch. Bereits Ende der 1980er Jahre existierten über einhundert verschiedene Definitionen von dem Wort „Terror“.

Terroristische Aktionen zielen darauf ab, schwere oder lang andauernde Störungen des öffentlichen Lebens oder dramatische Schädigungen zu bewirken. So soll die Bevölkerung durch bedeutsame Schrecken eingeschüchtert oder Staaten zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen genötigt oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder internationaler Organisationen nachhaltig erschüttert oder zerstört werden. Da kann ich nur sagen: Chapeau, lieber Prinz. Dem ging es gerade nicht darum, „Terror“ zu verbreiten, sondern mit lächerlichen Mitteln, einem offensichtlich untauglichen Versuch, einen schnellen „Change“ herbeizuführen – das genaue Gegenteil von Terror. Das ist möglicherweise kriminell, terroristisch sicher nicht.

Der Fall wird vor mehreren Oberlandesgerichten gleichzeitig verhandelt, einem sogenannten „Netzwerk-Gericht“. Ist das aus juristischer Sicht klug?

Ja und nein. Der Vorteil: Ein Prozess mit 27 Angeklagten kann an mehreren Standorten besser organisiert werden. Der Nachteil: Es besteht die Gefahr unterschiedlicher rechtliche Sichtweisen. Vor allem, wenn die betroffenen Normen sehr politisch und sehr unbestimmt sind. Wenigstens sind es mehr als 24 Angeklagte. So viel waren es bei den Nürnberger Prozessen.

Wie beurteilen Sie den inhaltlichen Vorwurf der Anklage der Generalbundesanwaltschaft?

Die Gruppe plante ab August 2021 mit einer „bewaffneten Gruppe“ in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Abgeordnete festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen. Waren hier alle 736 MdBs und ihre mehrere tausend Mitarbeiter gemeint? Hierfür soll die Rentner-Truppe in Vorbereitungen eingetreten sein wie die Rekrutierung von „militärischem Personal“, die Beschaffung von Ausrüstung und wohl die Durchführung eines Schießtrainings.

Zugleich – so meinen die Staatsanwälte – setzte die Vereinigung verstärkt auf den Aufbau bundesweiter, flächendeckend operierender bewaffneter Kräfte. Der Vortrag bleibt aber sehr dünn: außer Absicht nichts Substantielles – wie die Ampel-Regierung. Alles wartete auf den „Tag X“ als Signal für das Eingreifen. So sei der Tod von Königin Elizabeth II. als derartiges Signal diskutiert worden. Als konkrete Vorbereitung hört sich das eher nach einem Monty-Python-Film an.

Ist das juristisch ausreichend?

Wir befinden uns im Bundesgerichtshof-Biotop eines abstrakten politischen Gefährdungsdeliktes. Ein „Ansetzen zum Versuch“ ist nicht erforderlich für die „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“. Während die nebulöse „Allianz“ einen ersten Angriff auf die obersten staatlichen Institutionen ausführen sollte, wollte die Vereinigung anschließend in Eigeninitiative – so die Staatsanwaltschaft – die Beseitigung der verbliebenen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene übernehmen. Zu diesem Zweck hätte die Truppe bereits mehrere „Feindeslisten“ erstellt.

Das ist insbesondere vor dem vorhandenen objektiven Potenzial an Männern und Waffen lächerlich. Meiner Einschätzung nach ist das in diesem Fall keine Tat im gefährlichen Versuchsstadium, sondern eine intellektuelle Erörterung. Aber der irre Plan eines angeblichen Umsturzes war damit „in Vorbereitung“. Und das reicht erst einmal nach der Rechtsprechung. Egal, wie blödsinnig. So sollte die „neue staatliche Ordnung“ in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln. Als zentraler Ansprechpartner dafür war Russland vorgesehen.

Der „militärische Arm“ sollte mit insgesamt fast 300 militärisch organisierten Verbänden zuschlagen. Dieser staatsanwaltschaftliche Ermittlungs-Unsinn suggeriert Tausende Putschisten. Aber wo ist der Rest der Täter bei 27 „Angeklagten“? Und warum ist der jeweils konkrete individuelle Vorwurf pro Angeklagtem nach dem Text der Staatsanwälte so dünn? Den Mordversuch kann ich nicht zuordnen. Eine Reflexhandlung bei einer Haussuchung? Wenn es politisch passt, ist jeder Schusswechsel mit der Polizei in jüngster Zeit ein Mordversuch mit dolus eventualis. Es sei denn, es handelt sich um Flüchtlingsmesser.

Der „militärische Arm“ habe einen Führungsstab gehabt, heißt es, welcher sich mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der „Heimatschutzkompanien“ befasste. Es wurde wohl ein PC gefunden …

Welche Waffen und welches Potenzial sehen Sie da entlang der Anklage?

Der Generalbundesanwalt meint, die Vereinigung verfügte über finanzielle Mittel in Höhe von etwa einer halben Million Euro. Sie habe Zugriff gehabt auf ein größeres Waffenarsenal. Die Rede ist da von knapp 400 Schusswaffen, eine ähnliche Menge an Hieb- und Stichwaffen, ein paar hundert weitere Waffen sowie eine niedrige sechsstellige Zahl an Munitionsteilen. Zudem sei weitere militärische Aus­rüstung angeschafft worden, darunter ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln.

Welche Schusswaffen sollen das konkret sein?

Bleiben wir mal bei den Hieb- und Stichwaffen. Hier wurde von der Polizei wohl das Schlossmuseum des Prinzen geplündert. „Ballistische Helme?“ Gemeint sind wohl eher bei Amazon frei verkäufliche Show-Stücke! Handfesseln? Beate Uhse und der Orion-Versand lassen grüßen. Ich vermisse eine konkrete Auflistung von schweren Infanteriewaffen, Panzerfäusten, gepanzerten Kfz. Nichts. Dafür hatten Mitglieder und Interessenten eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Ziemlich konspirativ. Ein Angeklagter soll mit einem anderen auf Weisung eines weiteren die Verschwiegenheitserklärung ausgearbeitet haben. Das hätte ich als Anwalt alleine in zehn Minuten geschafft. Gott sei Dank haben die mich nicht gefragt.

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Ein Angeklagter soll über eine Fluglizenz verfügen. Er war innerhalb des Führungsstabs einer Untereinheit für taktische Luftunterstützungsaufgaben zugewiesen – schreibt die Staatsanwaltschaft. Wo ist die Luftwaffe?

Der soll im Ortenaukreis Rekrutierungsveranstaltungen organisiert haben, bei denen eine Vielzahl von Personen Verschwiegenheitserklärungen unterzeichneten. Ein weiterer Angeklagter soll ebenfalls an Rekrutierungsveranstaltungen beteiligt gewesen und dafür sein eigenes Wohnanwesen zur Verfügung gestellt haben. Er wurde dafür zum Militär-Verantwortlichen für den Bereich „Tübingen“ ernannt. In diesem Zusammenhang rekrutierte er insbesondere zwei weitere Personen und war mit noch jemandem für die militärische Ausbildung des Personals verantwortlich.

Nochmal zu den Waffen und dem Personal, das sie bedienen sollte …

Verdächtig machen mich die Auflistungen von Hieb- und Stichwaffen. Sind Steakmesser dabei? Hier wird absichtlich aufgeblasen. Die Tatwaffe des Schusswechsels bei der Durchsuchung war ein „Selbstbau“ auf Basis eines Gewehres aus der AR-15-Baureihe, das einer der Angeklagten aus einzelnen im Internet rechtmäßig erworbenen Komponenten zu einer einsatzfähigen Waffe zusammengebaut habe. Das hört sich nicht nach einem putschfähigen Waffenarsenal an. Insgesamt spart der Generalbundesanwalt völlig aus, wie viele Heimatschützer die Leute denn schon konkret gewonnen hatten.

Einer der Angeklagten überließ der Vereinigung eine Armbrust nebst Laservisierung …

So was kenne ich aus Rambo-Filmen. Bei Sylvester Stallone waren es hunderte Tote mit Pfeilen. Insgesamt fällt es den Brains der Generalbundesanwaltschaft schwer, die potenziell notwendige „Panikstimmung der Bevölkerung“ aus der Uniform eines Prinzen, Pardon, Hauptmannes von Köpenick, zu klopfen.

Gibt es Präzedenzfälle?

Boshaft antworte ich mit „Ja“! Der BGH und die Justiz jagten zu Zeiten des Stalinismus Josef „Jupp“ Angenfort, einen deutschen Politiker und Landtagsabgeordneten von KPD und DKP. Der BGH führte damals aus, ein Massen- und Generalstreik könne Gewalt im Sinne des StGB § 80 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein. Gegen ihn wurde wohl das erste Zuchthausurteil eines bundesdeutschen Gerichts wegen einer politisch motivierten Straftat nach 1945 gefällt. Parallelen: Er wollte damit die Bundesregierung stürzen – völlig untauglich. Dafür wollte der Westen ein Zeichen gegen den Osten setzen. Ansonsten werden von der Justiz rechtsargumentativ islamistische Terroristen mit dem Prinzen verglichen. Wie passend.

Rechtliche Kritik?

Alles schon von Rechtswissenschaftlern geäußert: Die Norm verletze den Bestimmtheitsgrundsatz, widerspreche dem Schuldprinzip, überschreite die Grenze zum Gesinnungsstrafrecht und missachte das Übermaßverbot.

Ein ideologisch starker Staat hat das nicht nötig. Eher ein kranker mit juristischer Medizin. Die Legaldefinition des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB umschreibt die schwere staatsgefährdende Gewalttat dahin, dass die vorbereitete Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet sein muss, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben. In den Köpfen. Das ist Gesinnungsstrafrecht.

Die Norm verstößt meines Erachtens und dem vieler Kommentatoren gegen das Übermaßverbot, weil sie nicht die Verletzung hochrangiger Rechtsgüter, sondern bereits deren Gefährdung im frühen Stadium der Tatvorbereitung unter Strafe stellt. Diese Vorverlagerung des Strafrechts in den Bereich der Vorbereitung von Rechtsgutsverletzungen ist m.E. nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das sieht der BGH allerdings anders. Dessen komplexe Erwägungen lauten verkürzt: Das ist schon irgendwie gefährlich. So sei ein zielgerichtetes Handeln zur Beeinträchtigung der inneren Sicherheit im Sinne einer Absicht nicht erforderlich. Die Angeklagten müssen zur Ausführung der von ihnen vorbereiteten Tat „irgendwie“ fest entschlossen sein.

Die politische Wirkung?

Verheerend. Unsere Republik macht sich lächerlich. Der Hauptmann von Köpenick wurde vom Berliner Landgericht II zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, aber von einem verständnisvollen Wilhelm II. begnadigt und am 16. August 1908 vorzeitig aus der Haftanstalt Tegel entlassen. Beim Prinzen und seiner Truppe ist mit einem noch geringeren Strafmaß – Höchststrafe fünf Jahre – zu rechnen.

Ganz Deutschland fand den Hauptmann-„Geniestreich“ witzig. Der Kaiser soll gelacht haben: „(…) Kein Volk der Erde macht uns das nach!“ Der Redakteur der „Vossischen Zeitung“ erkannte die Bühnentauglichkeit des Geschehens, das er mit romantisch-verwegenen Räubergeschichten verglich: „Ein unerhörter Gaunerstreich, der (…) wie ein lustiger Operettenstoff anmutet (…)“ Ja. So sehe ich das hier.

Die mediale Wirkung?

Aus meiner Sicht lächerlich, frei nach dem Motto eines echten Presseberichts aus Sachsen: Wieder Razzia im Erzgebirge: Polizei beschlagnahmt Reichs-Gulaschkanone. Nach Rollatoren wurde jetzt mit einer Gulaschkanone erstmals schweres Kriegsgerät beschlagnahmt. Gefährliches Kriegsgerät. Im Ernst: Die Rechtsprechung spricht bei der vorbereiteten Tat u.a. über eine von § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB vorausgesetzte Bestimmung und Eignung der Gefährdung der inneren Sicherheit des Staates durch eine objektive Schwächung der Leistungsfähigkeit der Sicherheitsorgane und einer nachhaltigen Erschütterung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung. Das ist ein hoher moralischer Maßstab. Die Rechten schmunzeln und die links-grün Woken schweigen auffällig vor dem Hintergrund echter Gefahren für unsere demokratische Lebensform.

Danke für die Einordnung!

Dirk Schmitz M.A., seit 1991 Rechtsanwalt, langjähriger ehrenamtlicher Richter, Kommunikationswissenschaftler, engagierter Verteidiger, derzeit im Kryptowährungsprozess “Onecoin” vor dem Landgericht Münster. Schmitz sieht durch den Zeitgeist Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit gerade in Masken- und Impfzeiten in Gefahr.

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