„Wir sind immer und zu jeder Zeit auf solche Ausschreitungen vorbereitet“

DPolG-Boss Heiko Teggatz: „Zu Situationen wie in Frankreich wird es in Deutschland nie kommen“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 17)

Die Auseinandersetzung rivalisierender Clans ist nicht zu vergleichen mit dem, was da jetzt gerade in Frankreich passiert.© Quelle: Youtube/ Tagesschau Screenshot

Heiko Teggatz, Gewerkschaftsboss der Bundespolizei, gibt Entwarnung: So etwas wie in Frankreich wird es in Deutschland nicht geben. Dagegen sprächen mehrere Faktoren. Unser Brennpunkt-Interview.

Die Ausschreitungen in Frankreich hören offenbar nicht auf. Das Gewaltpotenzial lässt nicht nach. Jetzt sind die Ausschreitungen nach Belgien und Holland übergeschwappt. Wie ist die deutsche Bundespolizei aufgestellt? Richtet man sich darauf ein, oder schaut man erst einmal zu?

Die Bundespolizei ist permanent auf so etwas vorbereitet. Wir haben den großen Vorteil, dass wir unsere Bundesbereitschaftspolizei, die ja zur Bundespolizei gehört, mittlerweile auf fast 7000 Einsatzkräfte haben aufwachsen lassen. Die Bundespolizei stellt rund um die Uhr mehrere Einsatzhundertschaften als sogenannte BMI-Reserve in Bereitschaft. Das ist jetzt nichts Neues und hat auch nichts mit Frankreich zu tun. Sondern das ist einfach die Einsatztaktik, welche die Bundespolizei fährt. Da wären wir immer und zu jeder Zeit auf solche Lagen vorbereitet.

Also, das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dann könnte Frankreich neidisch auf die deutsche Bundespolizei sein, weil wir das in den Griff kriegen würden?

Ja. Gut, ob wir das in den Griff kriegen würden, weiß ich nicht, aber wir werden auf jeden Fall nicht überrascht. Und ich glaube in der Tat, dass Frankreich großes Interesse daran hat, auch die deutsche Einsatztaktik ein Stück weit anzunehmen. Wir haben ja auch vor knapp einem halben Jahr die erste deutsch-französische Einheit in den Dienst gestellt in Bad Bergzabern, das ist in der Pfalz, in der Nähe zu Frankreich. Und dort arbeiten schon Gendarmerie und Bundespolizei sehr eng in einer gemeinsamen Einheit zusammen.

Wäre es hier an der Stelle nicht hilfreich, wenn die Bundespolizei mal ein paar Vertreter entsendet, die sich mal anschauen, wie die französischen Kollegen vor Ort mit der Lage umgehen? Oder ist das noch nicht so weit, dass man sowas in der EU organisieren kann?

Soweit ist die EU natürlich nicht. Und da muss man sich auch wirklich die Frage stellen, wollen die Nationalstaaten das denn auch? Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Frankreich diese Situation in den Griff bekommen wird, früher oder später. Dass die Lage in Frankreich so eskaliert ist, hat ja mehrere Faktoren. Da ist ja nicht nur dieser tragische Vorfall mit dem 17-Jährigen, sondern da hängt noch viel mehr dran. Wenn Sie daran denken, was schon für Proteste stattgefunden haben in Frankreich, als es nur darum ging, das Rentenalter hochzusetzen. Das ist eben das Phänomen eines Zentralstaates: Der gesamte Frust der Bevölkerung entlädt sich sozusagen an der Zentralstelle. In Frankreich ist die Staatsregierung als Zentralregierung natürlich auch zentrale Führungsstelle für die französische Polizei.

Deshalb wird es in Deutschland, da bin ich mir ganz sicher, zu solchen Situationen nie kommen, weil die Polizeiarbeit in Deutschland immer noch Ländersache ist. Und wenn so ein Vorfall sich in Brandenburg abgespielt hätte, dann könnte ich mir gut vorstellen, dass es auch im Land Brandenburg, dann unter Umständen zu ähnlichen Situationen hätte kommen können. Aber nicht in dem Ausmaß, wie es in Frankreich jetzt passiert ist. Bei uns würde sich das viel lokaler abspielen.

Es gab also aus Paris noch keine Anfrage, ob die Bundespolizei mal aushelfen könnte?

Nein. Aber die Bundespolizei ist tatsächlich mal gefragt worden, auszuhelfen. Und zwar war das in Davos in der Schweiz, wo die Einsatzführung tatsächlich einem deutschen Polizeiführer übertragen wurde. Anfang der 2000er Jahre muss das gewesen sein. Ich meine, das war damals noch ein G8-Treffen. Da hat ein Deutscher den Einsatz geleitet. Aber das war das einzige Mal, woran ich mich erinnern kann, wo es überhaupt jemals dazu gekommen ist.

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Wenn man die deutschen Nachrichten anschaltet, Haupttenor ist „Polizeigewalt, Polizeigewalt, Polizeigewalt“. Wie kommt das denn bei den Kollegen an? Traut man sich dann überhaupt noch mal, robuster einzugreifen, wenn sowas passiert? Sie sagten ja gerade optimistisch, es wäre kein Problem, sie würden es hinkriegen …

Ja, wir würden das hinkriegen. Und zum anderen bin ich mir sehr, sehr, sehr sicher, dass es in Deutschland zu so einem Vorfall gar nicht erst kommen könnte. Denn erstens: Die Auswahl bei denjenigen, die Polizistinnen und Polizisten in Deutschland werden möchten, ist schon an ziemlich hohe Anforderungen geknüpft. Und die Ausbildung, die meine Kolleginnen und Kollegen hier in Deutschland in der Polizei genießen, ist die beste weltweit. Solche Situationen, wie dort in Frankreich passiert, werden nicht nur in der Ausbildung, sondern auch permanent nach der Ausbildung immer wieder und immer wieder trainiert, so dass ich mir wirklich einhundert Prozent sicher bin, dass es so einen Vorfall in Deutschland nie geben würde.

Die Bundeswehr hat ja recht martialische Werbung. Die haben große Werbeflächen, wo Bilder aus dem Einsatz gezeigt werden. Bei der Polizei hat man eher den Eindruck, dass die Kollegen lernen müssen, wie man Trans von Trans unterscheidet. Muss man da keine Sorgen haben, dass die Polizei irgendwie verweichlicht und nicht mehr in der Lage ist, den Bürger zu schützen?

Nein. Der wirklich harte Einsatz wird sowohl während der Ausbildung als auch nach der Ausbildung regelmäßig trainiert. Ob man das jetzt so kommunizieren muss, wie die Bundeswehr das macht, weiß ich nicht. Durch zu transparente Kommunikation gibt man ja auch unter Umständen die eine oder andere Taktik preis und dem polizeilichen Gegenüber damit die Gelegenheit, sich auf die Taktik einzustellen. Also, Sie können sich sicher sein, dass alle solche Dinge, wie schon gesagt, sehr, sehr, sehr häufig trainiert werden, auch unter erschwerten Bedingungen trainiert werden.

Diese Ereignisse beispielsweise im Ruhrpott in Essen, wo die Clans aufeinander getroffen sind, haben diese Krawalle nicht das Potenzial, zu solch einer Explosion zu führen und in irgendeiner Form zu überregionalen Krawallen?

Ausdrücklich nein, weil das auch nicht zu vergleichen ist mit dem, was da in Frankreich gerade passiert. Also die Clankriminalität in Deutschland, schlimm genug, und noch viel schlimmer, dass da nicht konsequenterweise politisch schon vor Jahren entgegengewirkt wurde. Nichtsdestotrotz ist die Auseinandersetzung rivalisierender Clans nicht zu vergleichen mit dem, was da jetzt gerade in Frankreich passiert. Auch das ist da im Ruhrpott relativ gut lokal einzugrenzen. Und ich bin mir auch da sicher, dass sich die Polizei dort in Nordrhein-Westfalen und insbesondere auch die Bereitschaftspolizei in Nordrhein-Westfalen gut aufstellt.

Allerdings sind die Möglichkeiten der Kolleginnen und Kollegen vor Ort natürlich immer davon abhängig, wie der politische Rückhalt letztendlich ist. Die Gesetze, die wir in Deutschland haben, würden sicher ohne Probleme ausreichen, solche Lagen kurz und mittelfristig in den Griff zu bekommen. Die Frage ist natürlich immer, wie ist der politische Background? Will man das überhaupt? Oder sagt man, man duldet das bis zu einem gewissen Maße, um schlichtweg ein bisschen Ruhe reinzubekommen in die Gesamtsituation. Aber wie gesagt, das ist immer politisch abhängig und daher letztendlich die Entscheidung vom Polizeiführer vor Ort, wie der auf solche Situationen reagiert. Aber nochmal: Das ist nicht zu vergleichen mit dem, was da in Frankreich passiert.

Heute also nicht, aber haben wir in zehn Jahren in Deutschland solche Verhältnisse wie in Frankreich aktuell?

Nein, das glaube ich nicht. Warum? Weil ich mittlerweile erkenne, dass die Politik, selbst die politischen Lager, die eigentlich nicht wirklich viel mit Polizei und innerer Sicherheit zu tun haben, doch schon langsam umdenkt und auch die Situation mittlerweile gut erfasst und hoffentlich ein bisschen gegen den Trend steuert.

Vielen Dank für das Gespräch!

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