„Die Lösungsansätze sind moderne Befugnisse für die Polizei“

DPolG-Boss Heiko Teggatz: Wir werden nicht lockerlassen, den Finger in die Wunde zu legen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

2023 wurden von 6 Millionen Straftaten 43 Prozent von einem Bevölkerungsanteil begangen, der nur 14 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht.© Quelle: privat

Der Chef der Bundespolizeigewerkschaft nimmt im Interview mit Alexander-Wallasch.de kein Blatt vor den Mund. Heiko Teggatz ist als unerschrockener Mahner ein Garant dafür, dass die Ampelregierung die Sicherheitsarchitektur des Landes nicht endgültig destabilisieren kann.

Vorab gefragt: Müssen Sie als Beamter heute vorsichtiger sein, was Sie kritisieren, als noch vor Monaten oder Jahren?

Ja, das ist so. Nach dem neuen Bundesdisziplinargesetz seit dem 1. April in Kombination mit dem Polizeibeauftragten- und dem Hinweisgeberschutzgesetz auf jeden Fall.

Diese Kriminalstatistiken mit überproportionalem Ausländeranteil sind nicht neu. Diese Entwicklung kennen wir seit 2015. Wir haben etliche gemeinsame Interviews dazu geführt. Aber selbst Horst Seehofer hat ja damals versucht, diese Informationen irgendwie zu deckeln ...

Das war ja immer die politische Marschrichtung. Übrigens auch unter der Union, das muss man ehrlicherweise sagen. Solche Themen zu tabuisieren ist grundfalsch. Meiner festen Überzeugung nach war das schon immer falsch! Nur wenn man über Themen spricht, verhindert man damit Schwelbrände. Und jetzt liegen mit der Kriminalstatistik die wirklich harten, knallharten Fakten auf dem Tisch und jetzt sollte man das auch ganz offen und selbstverständlich in aller Öffentlichkeit diskutieren. Diskutieren, wo die Ursachen liegen, damit man die Symptome erfolgreich bekämpfen kann.

Ich möchte intervenieren. Habe ich mit meiner Kritik ab 2016 alarmistisch übertrieben? Ich habe diese PKS immer gelesen. Demgegenüber hatte ich immer den Eindruck, dass viele Medien lediglich die Pressemitteilungen des Ministeriums als Schreibvorlage für ihre Artikel genommen haben, anstatt sich die PKS gründlich durchzulesen ...

Eine Statistik kann man immer so oder so lesen. Ich ziehe aus jeder Statistik, und wenn sie noch so schlecht ist, irgendwo Punkte raus, die relativ positiv sind. Und genau das ist ja in den vergangenen Jahren immer wieder passiert. Und ganz ehrlich: Auch bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 war Ministerin Faeser noch sehr zurückhaltend in ihrer Deutung der Zahlen. Ich hätte mir gewünscht, dass da auch reeller argumentiert worden wäre, als die Ministerin die Statistik vorgestellt hat.

Herbert Reul (CDU), der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, hat relativ früh die Alarmglocken geläutet. War er der Initialgeber für die umfassende anschließende Kritik auf Bundesebene?

Ich glaube, Herbert Reul hat die Alarmglocken geläutet, nachdem Joachim Herrmann in Bayern die Wahrheit ans Licht gebracht hat. Und da, vermute ich mal, war es eher Minister Herrmann, der da ganz offen drüber gesprochen und damit natürlich auch seine Kollegen in den Ländern ein bisschen unter Druck gebracht hat.

Georg Restle vom ARD-Politmagazin „Monitor“ sagt allerdings, das Thema sei hochgespielt, es seien eben auch mehr Ausländer gekommen. Geht diese Gleichung auf?

Nein, sie geht nicht auf. Denn wir reden hier von 6 Millionen Straftaten, die im Jahr 2023 begangen worden sind in Deutschland. Und die zu 43 Prozent von einem Bevölkerungsanteil begangen wurden, der nur 14 Prozent ausmacht.

Und man kann ja sogar noch weitergehen. Wenn man sich die Focus-Berichterstattung zu dem Thema genauer anschaut, dann sind von dem Bevölkerungsanteil der 14 Prozent Nichtdeutschen auch ein Großteil polizeilich absolut unauffällig. Das muss man einfach mal so sagen. Also, das Problem haben wir nicht mit europäischen Nichtdeutschen und auch nicht mit ukrainischen Nichtdeutschen, sondern das Problem liegt hier ganz eindeutig bei Staatsangehörigen von muslimisch geprägten Ländern.

Das sagen Sie allerdings auch nicht erst seit gestern. Was macht das mit Ihnen? Ein Gefühl der Genugtuung jetzt?

Nein, mit Genugtuung kann man hier gar nichts anfangen. Im Gegenteil, ich wäre so manches Mal froh gewesen, wenn sich meine Vermutungen nicht bestätigt hätten. Hier kann man auch auf die Grenzkontrollen mal eingehen. Auch die hätten viel früher kommen müssen. Aber was man jetzt politisch machen muss, ist, Konsequenzen daraus ziehen. Das heißt, die Forderungen, die erhoben worden sind, auch von mir – nach modernen Befugnissen, nach Personal, nach ausreichend Haushaltsmitteln, um entsprechende Technik beschaffen zu können – die müssen jetzt umgesetzt werden, und das vermisse ich immer noch. Übrigens: Nicht nur im Haushalt für die Bundespolizei im Jahr 2024, wo eine halbe Milliarde Euro an Sachhaushalt fehlt, sondern auch für die künftige Haushaltsaufstellung der künftigen Haushaltsjahre.

Wir werden immer noch nicht alle von der Bundespolizei dringend benötigten und geforderten zusätzlichen Planstellen bekommen. Die Forderung der Bundespolizei liegt ungefähr bei 5000 zusätzlichen Planstellen, bekommen sollen wir 1000, von den Sachmitteln mal ganz abgesehen, denn da ist auch kein Licht am Ende des Tunnels. Das wird auch in den künftigen Haushaltsjahren vermutlich so weitergehen, dass die Bundespolizei mit einem jährlichen Defizit von ungefähr einer halben Milliarde Euro leben muss. Das heißt auf Deutsch, wir bekommen mehr Aufgaben, wir sollen moderner agieren können, wir sollen moderne Gefahrenabwehr betreiben, bekommen aber nicht genügend Geld, um die entsprechende Technik zu beschaffen. Von den Befugnissen mal ganz abgesehen.

Mit Herrn Ostermann haben Sie einen starken Stellvertreter an Ihrer Seite. Was baut sich denn da gerade auf bei Ihnen in der Gewerkschaft?

Wir fahren unsere Linie weiter. Wir sind ja bekannt dafür, dass wir sehr direkt sind, auch in unseren Forderungen, die natürlich immer fachfundiert begründet sind. Und genauso werden wir weitermachen. Und wir werden nicht lockerlassen, dort den Finger in die Wunde zu legen und dort zu kritisieren, wo wir ganz offenkundige Missstände feststellen.

Jetzt hat besagter Georg Restle etwas entdeckt, was sie noch gar nicht auf der Agenda hatten. Restle hat nämlich festgestellt, dass die Polizei die Ausländer viel zu sehr auf dem Kieker hat, deshalb seien die Statistiken so hoch ...

Das kann man natürlich auch so deuten. Aber das ist natürlich völliger Unsinn. Die Polizei ermittelt immer da, wo Straftaten geschehen, und das völlig unabhängig von der Nationalität des Täters. Das steht in unserem Grundgesetz so drin. Und gerade die Polizei ist ja gehalten, um nicht zu sagen verpflichtet, dieses Grundgesetz nicht nur zu schützen, sondern auch zu verteidigen, und das notfalls bis zum Letzten. Und dazu gehört natürlich auch der Artikel drei im Grundgesetz, nachdem alle Menschen gleich sind vor diesem Grundgesetz.

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Es gab allerdings Anfang 2016 schon eine große Diskussion um die nordafrikanischen Intensivtäter, sogenannte „Nafris“. Da hat die Polizei damals erklärt, dass man natürlich die Täter-Zielgruppe auch spezifizieren muss, sonst würde man gar nicht weiterkommen mit der Ermittlungsarbeit ...

Wenn ein polizeiliches Lagerbild darauf hindeutet, dass bestimmte Gruppen bestimmte Straftaten begehen, dann ist doch klar, dass die Polizei ihren Ermittlungsschwerpunkt auf diese bestimmten Gruppen legt. Nehmen wir doch mal die Kölner Domplatte. Wenn da bekannt ist, dass die dort begangenen Straftaten von nichtdeutschen Straftätern, um nicht zu sagen nordafrikanischen Straftätern begangen werden, dann laufen die Ermittlungen natürlich auch in die Richtung. Dann ermitteln Sie ja nicht gegen die graue Oma aus Schweden. Das ist auch völlig normal und völliger Unsinn, was der ARD-Mitarbeiter da geäußert hat.

Wie kann man denn ihrer Meinung nach die wachsende Kriminalisierung bestimmter Ausländergruppen in Deutschland toppen? Was sind denn ihre Lösungsvorschläge, außer zu sagen, wir brauchen 500 Millionen mehr?

Nein, die Lösungsansätze sind – ich komme nochmal darauf zurück – moderne Befugnisse für die Polizei. Und zwar Präventivbefugnisse, gefahrenabwehrende Befugnisse. Die Bundesregierung hat jetzt die große Chance mit dem neuen Bundespolizeigesetz, beispielsweise die Bundespolizei in die Lage zu versetzen, Gesichtserkennungssoftware laufen zu lassen auf Bahnhöfen.

Anonymisierte Verhaltensüberwachung durchzuführen auf dem Bahnhof. Sprich, zu schauen, wo bewegen sich Personengruppen oder einzelne Personenverdächtige, wo fällt einer hin, wo rennt jemand hin? All diese Dinge könnten im Bundespolizeigesetz geregelt werden. Leider findet sich gerade zu diesem Themenkomplex, zur Gefahrenabwehr, in diesem neuen Bundespolizeigesetz, keine einzige Befugnis, die uns wirklich weiterbringt. Im Gegenteil, dieses Gesetz ist genau wie die anderen Gesetze – zum Beispiel das Bundesdisziplinargesetz – geprägt von Kontrollmechanismen gegenüber der Polizei. Man missbraucht hier ein Gesetz zur Gefahrenabwehr für die Menschen in Deutschland zu einem Kontrollgesetz gegenüber der Polizei. Das ist einfach nur beschämend, was da läuft.

Die Kommunikation zwischen den Polizeien und der Politik erscheint nicht perfekt ...

Eine Zusammenarbeit sieht natürlich anders aus. Aber das gehört so ein bisschen zum Geschäft. Solange uns Gewerkschaften immer noch die Möglichkeit geboten wird, auch in aller Öffentlichkeit bei einer Anhörung im Innenausschuss, beispielsweise nächsten Montag, unsere Kritik dort auch dem Parlament vorzutragen, solange ist die Welt – in Anführungszeichen – noch in Ordnung.

Ich hoffe, dass das, was da am Montag an Stellungnahmen eingegangen ist, von den Gewerkschaften und an Sachverständigenanhörungen durchgeführt wird, insbesondere von mir, die Parlamentarier auch mal zum Nachdenken bringt. Denn noch besteht die Chance, hier nachzubessern. Es liegt schlichtweg in der Hand dieser Bundesregierung, sich für die Bürger einzusetzen, für die Gefahrenabwehr einzusetzen auf der einen Seite oder eben sich lieber mehr darauf zu konzentrieren, die Polizei zu kontrollieren.
Aber wie gesagt, das entscheiden die Parlamentarier, die gewählten, demokratisch gewählten Parlamentarier, und die Bevölkerung in Deutschland kann sich dann einen Reim daraus machen.

Was wünschen Sie sich eigentlich von den Bürgern? Da ist ja etwa während der Corona-Maßnahmen auch einiges in Schieflage geraten ...

Ich wünsche mir natürlich von den Bürgern die gleiche Wertschätzung und den gleichen Respekt, den die Polizei den Bürgern gegenüber walten lässt. Wir sehen es jetzt gerade aktuell – auch dadurch, dass die Bundespolizei die ganz Kontrollen wieder eingeführt hat – insbesondere in den ländlichen Bereichen, in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, dass die Bevölkerung die Arbeit der Bundespolizei dort vor Ort sehr schätzt.

Das Sicherheitsgefühl gerade im ländlichen Raum dadurch, dass die Polizei jetzt dort stärker sichtbar ist, das finden die Bürger da richtig gut. Und da gibt es auch schon einige Mitteilungen, auch ans Bundesinnenministerium oder an die Landesinnenminister, dass die Bevölkerung sehr glücklich ist, dort endlich auch mal wieder Polizei vor Ort zu sehen. Also insofern glaube ich, dass das Verhältnis zwischen der Polizei und einem überwiegenden Teil der Bevölkerung relativ gut ist. Und ich wünsche mir, dass das auch so bleibt und noch ein bisschen verstärkt wird.

Danke für das Gespräch!

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