Was ist denn da los: Biden in den USA und die Reste-Ampel in Deutschland machen weiter Politik und Gesetze, als wäre ihr Ende nicht eingeläutet. Wie gefährlich sind diese Übergangszeiten eigentlich?
Man müsste erst mal unterscheiden zwischen Administrativ-Entscheidungen und parlamentarischen Entscheidungen. Wobei das im Ergebnis dann auch keinen wesentlichen Unterschied macht. In den USA ist die Lage insofern ein bisschen seltsam, dass zwischen der Wahl mit dem eindeutigen Ergebnis und der Regierungsübernahme geraume Zeit vergeht. Das ist bei uns ja auch der Fall, hat aber einen konkreten sachlichen Grund, den man gar nicht überwinden könnte. Das sind nämlich die aufwändigen Koalitionsverhandlungen, die oft über drei Monate lang Zeit brauchen.
In den USA kann ich auf den ersten Blick gar nicht erkennen, warum noch Monate vergehen müssen, bevor Trump ins Amt kommt. Es wird so sein, da die amerikanische Verfassung – die hunderte von Jahren alt ist und seither kaum geändert worden ist – einfach auf traditionellen Regeln aus dem Postkutschen-Zeitalter basiert, als alles, insbesondere was mit Kommunikation zu tun hatte, viel, viel länger dauerte.
Bei uns dauern die Koalitionsverhandlung so lange, bis eine Regierung ins Amt kommt. Was jetzt die Gesetzgebung angeht, ist es so, dass eine Regierung keine Gesetze gibt. Auch wenn sie faktisch meist entscheidend daran beteiligt ist. Denn Gesetze werden mit Mehrheiten im Parlament verabschiedet. Da ist kein Grund erkennbar, diese nicht in dieser Übergangszeit zu verabschieden.
Jeder Parlamentarier, der findet, es sei jetzt keine besonders legitime Zeit, um Gesetze zu machen, weil die bisherige Politik ihre Mehrheit verloren hat und die neue noch nicht im Amt ist, dem steht es frei, einem Gesetz dann eben nicht zuzustimmen. Und alle anderen Parlamentarier, die sagen, die Zeit für Gesetzgebung ist genauso gut wie immer, wenn man eine Mehrheit im Bundestag zusammenbringt, der kann es machen.
Was den amerikanischen Präsidenten angeht, da findet man schwer nur den einen sachlichen Grund, warum alles so lange dauert. Es wird gesetzlich und verfassungsrechtlich so geregelt sein, wie lange er im Amt bleibt, und dann hat er deswegen keine eingeschränkte Kompetenz.
Ich erinnere mich an die Wahlen 2021, als Scholz mit der Koalitionsbildung begann. Da wurde er von der Noch-Kanzlerin Merkel regelrecht an die Hand genommen. Und Merkel erklärte explizit, in dieser Übergangszeit keine Gesetzesvorhaben mehr einzubringen oder weitreichende politische Entscheidungen zu treffen. Das scheint auf ein Agreement hinzuweisen ...
Man kann sagen, dass das bisher in der Bundesrepublik so üblich war. Für Biden kann man daraus unmittelbar allerdings nichts ableiten. Wenn Trump beispielsweise vorher gesagt hätte, daß er gegen die Lieferungen ist, und Biden sagt: dann mache ich’s, so lange ich noch kann, dann wäre es vielleicht ein politisches Problem. Aber rechtlich wäre nichts dagegen einzuwenden.
Mit den Raketen ist es übrigens so: Die USA hatten schon im Vorfeld auf diplomatischen Kanälen angedeutet, dass, wenn es wirklich wahr sei, dass Russland auf dem Schlachtfeld in Europa nordkoreanische Soldaten einsetzt, diese Zusammenarbeit Konsequenzen haben werde. Daher bestand, egal, wer Präsident ist, die diplomatische Notwendigkeit, irgendetwas zu tun, weil die USA ansonsten unglaubhaft geworden wäre.
Es soll im Übrigen so sein, dass diese Raketen-Lizenz hinter den Kulissen sehr eng beschränkt worden ist: Die Ukrainer dürfen nach Ansicht der Amerikaner keineswegs nach freiem Ermessen auf alles mögliche in Russland schießen, sondern der Aktionsradius bleibt auf den Raum Kursk beschränkt. Das steht unmittelbar damit im Zusammenhang, dass im Raum Kursk die genannten nordkoreanischen Soldaten eingesetzt sind, was wiederum dadurch bedingt wird wurde, dass dort die Ukrainer nach Russland eingedrungen sind und die Russen wohl echt Probleme haben, noch genügend Leute zusammenzufinden, um etwas dagegen zu unternehmen.
Wenn jetzt Joe Biden sagt, wenn es allein nach ihm gehe, dann gebe er als Reaktion – mit bestimmten Restriktionen und Limitationen – die Raketen frei und Trump zieht das in zwei Monaten zurück, dann wären die USA in der Tat diplomatisch ein Stück weit blamiert. Wenn man die Raketensache realistisch einschätzt, zeigt sich meines Erachtens, dass diese Reaktion nach wie vor eher symbolisch sein dürfte. Die schießen nicht nach Moskau, sondern die schießen nur im Raum Kursk so ein bisschen herum.
Was den Einsatz von nordkoreanischen Soldaten angeht, gibt es selbstverständlich keine völkerrechtliche Regel, die es unmittelbar verbietet, nordkoreanische Soldaten in Europa gegen Europäer einzusetzen. Aber wenn es da keine Regel gibt, die das verbietet, so liegt es daran, dass bisher noch niemand über diese theoretischen Möglichkeiten nachgedacht hat. Normen gibt es immer nur zu Sachverhalten, die man theoretisch für denkbar hält. Aber in der bisherigen Weltgeschichte hat es das ja noch nicht gegeben.
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Haben Sie nicht auch gestaunt, als Selenskyj sagte, dass er die neu genehmigten reichweitenstarken Systeme schon in wenigen Tagen einsetzen will? Denn das hieße doch, dass diese Systeme offensichtlich schon in der Nähe sind oder auf dem kurzen Wege dorthin geschafft werden können. Ich dachte eigentlich, wenn die Amerikaner das freigeben, dann wird es noch Wochen dauern, bis die vor Ort sind ...
Das Selenskyj-Zitat kenne ich noch nicht. Ich habe nur gehört, dass Selenskyj total empört ist, dass überhaupt etwas kommuniziert worden ist, denn so könne der Gegner sich vorbereiten. Die Raketen hätten doch für sich gesprochen, wenn sie einschlagen. Das könnte wiederum wie folgt einzusortieren sein: Das verhält sich ähnlich, wie diese Scharmützel zwischen Israel und Iran, wo der Iran immer massig Zeug nach Israel schießt, wovon aber kaum etwas unten ankommt, weil der Iron Dome seine Arbeit macht.
Der Iran kann dann seiner Bevölkerung erzählen, sie haben ganz viel nach Israel geschossen, aber in Wahrheit wird das vermutlich vorher hinter den Kulissen abgestimmt, dass da nichts wirklich Schlimmes passiert. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das hinter den Kulissen auch zwischen den Russen und den Amerikanern abgesprochen wird. Dass die nämlich sagen: Dass ihr hier Nordkoreaner nach Europa schafft und die dann auf Ukrainer schießen, das finden wir nicht so witzig.
Und deswegen muss und wird jetzt irgendetwas passieren von unserer Seite. Aber da beide nicht den dritten Weltkrieg wollen, wird das abgesprochen hinter den Kulissen, dass die Reaktion auch wieder irgendwie angemessen bleibt und jedenfalls die Sache zwischen Rußland und den USA nicht übermäßig eskaliert. Und diese Logik wird eigentlich immer gelten, egal ob Biden oder Trump, egal ob nach der Amtseinführung oder vorher.
Dank für das Gespräch!
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Kommentar von Heinz Schattanek
„Was den Einsatz von nordkoreanischen Soldaten angeht, gibt es selbstverständlich keine völkerrechtliche Regel, ... Aber wenn es da keine Regel gibt, die das verbietet, so liegt es daran, dass bisher noch niemand über diese theoretischen Möglichkeiten nachgedacht hat.“
Sich darüber Gedanken zu machen ist auch nicht nötig, da es in der Geschichte Europas übliche Praxis war. Im 1. Wetkrieg setzten z.B. die Entente-Mächte Frankreich und England Soldaten ein, die sie in ihren Kolonien aushoben. Und das keineswegs unter Zwang und großem Unwillen der Soldaten wie es die indischen Sikhs in den Kämpfen in Flandern bewiesen. An diesem Krieg beteiligte sich – ob freiwillig oder nicht – die ganze Welt. Und die Kolonialmächte öffneten dafür all ihre Tore.
Und selbst China sandte 100.000 Arbeiter nach Frankreich zum Ausheben von Schützengräben, wo sie alliierte Soldaten für den Kmpf freisetzten. China hoffte, vergebens, so sich der Einmischung der Großmächte in die inneren Angelegenheiten zu erwehren.
Arbeiter für den Krieg waren schon immer leichter zu finden als Diplomaten für den Frieden.
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Kommentar von winfried klemm
Das Leben ist vorbei - Dement und Frei! Warum nicht eine große Tat, das größte Verbrechen aller Zeiten?
Wird Zeit den Schickelhuber zu übertrumpfen!
Hu Hu es brennt die Welt, ein letzter Geistesblitz.
Wie es ihm gefällt!
Antwort von Alexander Wallasch
Bitte beim nächsten Mal präziser formulieren. Ich neige bei diesen raunenden Anspielungen wirklich zum Löschen,
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Kommentar von Frank Steinwender
Da habe ich gerade mal den ersten Absatz gelesen und möchte schon widersprechen!
Wo steht eigentlich geschrieben, daß es wochen- oder gar monatelange Koalitionsverhandlungen zwingend braucht? Und das die in diesen Verhandlungen zusammengeschacherten Verträge reine Verschwendung von Papier und Druckerschwärze sind, haben wir ja inzwischen auch schon oft genug erlebt.
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Kommentar von Petra Wilhelmi
Also, um nur ein "bisschen um Kursk" herum zu schießen, benötigt man wohl keine Langstreckenraketen. Großbritannien und Frankreich haben diese Waffen auch freigegeben. Man bedenke - einen Selenskyj, der - um es einmal für S. positiv auszudrücken - unter der Fuchtel von Ukrobanderes steht, gibt man solch ein Mandat. Seine Drohnen fliegen ja jetzt schon bis Moskau. Raketen wären für diesen Typen ja noch viel besser, weil die wirklich Schaden anrichten. Ich frage mich, tickt der Westen noch normal? Wenn man den Westen beim Wort nimmt, hat er gerade den 3. Weltkrieg begonnen. Ich hoffe für uns alle, dass irgendwo bei irgendwelchen Politikern noch ein bisschen Selbsterhaltungswillen die Oberhand gewinnt. Ganz im Inneren hoffe, ich, dass es die Ukraine, wenn es zu solch einem Angriff auf Russland kommt, nicht mehr geben wird. Wir brauchen keine Ukrobanderas in Europa, die nur Unfrieden stiften und sonst nichts können.