Warum macht Kubitschek aus Sellners Triumphzug ein Waterloo?

Die Neue Rechte wirft der AfD „Altparteienverhalten“ vor

von Alexander Wallasch (Kommentare: 16)

„Weidels Entscheidung ist Altparteienverhalten und hat dem Gegner Munition geliefert.“© Quelle: Youtube / Kanal Schnellroda, Screenshot

Die AfD hat sich vom Referenten der Parteichefin getrennt. Der mutmaßliche Grund: Roland Hartwig war über einen Unvereinbarkeitsbeschluss hinweg an einem Treffen mit Martin Sellner beteiligt. Das nahm jetzt Götz Kubitschek zum Anlass, Alice Weidel frontal anzugreifen.

Sieht da einer seine Felle wegschwimmen? Jedenfalls hat der neurechte Strippenzieher Götz Kubitschek, Chef des Antaios-Verlages und Initiator diverser rechtsintellektueller Zusammenkünfte wie dem „Institut für Staatspolitik“ in seinem Portal „Sezession“ gerade empfindlich Nerven gezeigt.

Und damit auch möglichst viele Leser etwas davon haben sollen, hat Kubitschek den gleichen Text ebenfalls dem Blog „PI-News“ angeboten, der ihn gerne veröffentlicht hat. Konkret geht es um die Correctiv-Affäre und eine vorzeitige Vertragsauflösung zwischen Alice Weidel und ihrem Referenten „in beiderseitigem Einvernehmen“.

Über die Gründe wurde bisher wenig bekannt. Besagter Referent ist der 69-jährige Roland Hartwig, der bisher für Alice Weidel tätig war und es nun nicht mehr ist. „In beiderseitigem Einvernehmen“ ist üblicherweise die Chiffre dafür, dass niemand hart aufgeprallt ist, was üble Nachrede oder finanzielle Versorgung angeht.

So eine Referenten-Position, noch dazu, wenn sie an eine bestimmte Person gebunden ist, ist zweifellos in besonderem Maße eine Vertrauensposition. Geht man an einem bestimmten Punkt getrennte Wege, dann hängt das nicht selten mit Vertrauensverlust zusammen.

Und wer dauerhaft in einem Maße unter Feuer genommen wird, wie es Spitzenpolitiker der AfD von Politik und Medien erfahren, der muss sich auf seine Berater noch einmal mehr verlassen können.

Dieser Roland Hartwig ist nicht irgendwer. Der gebürtige Berliner war bald zwanzig Jahre lang Chefsyndikus des Bayer-Konzerns, er saß für die AfD bis 2021 im Deutschen Bundestag, auch das mag eine Rolle gespielt haben, dass die AfD-Parteichefin ihn nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag zum persönlichen Referenten gemacht hat. Hartwig kennt sich im Parlamentsbetrieb aus. Wer von außen reingeholt werden muss, kommt hier gefühlt auf einem anderen Planeten an.

Noch etwas ist bemerkenswert: Der Jurist Hartwig war für die AfD Leiter der Arbeitsgruppe Verfassungsschutz (VS), bis er unter dem damaligen Parteichef Meuthen abgelöst wurde. In der Rolle als Fachmann für VS-Angelegenheiten hat er eine Auflösung des Unvereinbarkeitsschlusses der AfD gegenüber der Identitären Bewegung nie aktiv oder gar öffentlich betrieben. Zum VS hatte Roland Hartwig für die Partei Handreichungen vorbereitet und Vorträge gehalten.

Grundsätzlich mag gelten: Wenn ein Referent der Parteivorsitzenden schon am Mittag zum Wein über exklusiven Fleischbergen mit dem führenden Vertreter einer Vereinigung tafelt, der gegenüber man als AfD eine Unvereinbarkeit beschlossen hat, dann ist das eine Sache. Wenn dieses Treffen aber im Vorfeld nicht kommuniziert wurde, dann ist ein Vertrauensschwund abgemachte Sache.

Parteichefin Weidel jedenfalls macht aus der Personalie und dem Bezug zur Correctiv-Affäre kein Geheimnis, ihr Büro versendet auf Anfrage folgendes Statement:

„Sie liegen richtig, wenn sie annehmen, dass die Vertragsauflösung im Zusammenhang mit der Veranstaltung in Potsdam steht. Die Auflösung des Anstellungsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen beinhaltet aber auch, dass ich über detaillierte Hintergründe in der Öffentlichkeit keine weitere Auskunft erteile.“

Aber zurück zum Artikel von Götz Kubitschek. Der fragt im Titel: „Warum hat Alice Weidel ihren Berater Roland Hartwig entlassen?“, bleibt allerdings eine Antwort schuldig. Stattdessen wirft er der AfD-Chefin „Cancel Culture“ (CC) vor. Das ist kein Kavaliersdelikt, denn CC, die Diffamierung und Ausgrenzung von Andersdenkenden, ist seit Jahr und Tag eine besonders schmutzige Waffe gegen die AfD und ihre Vertreter.

Was macht Kubitschek? In Ermangelung der tatsächlichen Beweggründe von Weidel, der AfD und Hartwig formuliert der Vordenker der Neuen Rechten eine kurze Abhandlung über CC in seinem unverkennbaren Sound voller Schnellroda-Denkfalten:

„Die Cancel Culture hat ihre Erfinder und Betreiber zu Getriebenen und zugleich Eingesperrten gemacht: Wer nicht mehr frei und ungeschützt sprechen kann, beginnt um sich zu kreisen und verkleinert seinen geistigen Raum. Wer einmal zu Canceln begann, muß rechtfertigen, warum er es nicht mehr tut, wenn der nächste Fall ähnlich gelagert ist.“

Das mag alles irgendwie wahr sein, das klingt auch ganz nett, aber es hat mit dem aktuellen Fall nichts zu tun, es ersetzt Unwissen durch kaminschwangeres Raunen.

Aber dann wird Kubitschek doch konkreter:

„Mit Hartwigs Entlassung hat die Partei die Tür geöffnet für Forderungen von außen und für den daraus entstehenden Rechtfertigungs- und Erklärungsdruck.“

Da muss man nicht lange drumherum faseln, hier wird von Kubitschek eine Nibelungentreue eingefordert, diese bedingungslose, emotionale und potenziell verhängnisvolle Treue gegenüber einer gemeinsamen Sache. Aber welche gemeinsame Sache zwischen Schnellroda und der AfD kann das sein?

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Diese Treue mag durchaus ein wichtiger Kit auf dem windigen Rittergut sein. Aber es ist alles andere als der Maßstab für eine Partei, die sich aktuell mit allen Wachstumsraten und – insbesondere gemessen am Niedergang der SPD – schon bald als beständigste Volkspartei erweisen kann.

Kubitschek zeigt in seinem wütenden Text Nibelungentreue. Das macht ihn sympathisch. Treue ist Tugend und sie stützt hier explizit den Ziehsohn und Kameraden Martin Sellner.

Nein, es geht Kubitschek hier gar nicht um die Personalie Roland Hartwig. Die Vertragsauflösung des persönlichen Referenten ist für ihn eine missliebige Bekräftigung der Unvereinbarkeit der AfD gegenüber der Identitären Bewegung. Dagegen setzt sich Kubitschek mit seinem Angriff gegen Weidel zur Wehr.

Wenn der stete Tropfen den Stein höhlt, dann wird dem Fundament des Rittergutes hier ein Stück weit der Hahn abgedreht. So mag es Kubitschek mit seinem auch stilistisch wenig überzeugenden Text empfunden haben. Das kann er deutlich besser – da war er wirklich richtig wütend.

Sein Text besteht teilweise aus viel zu langen Zitaten und schafft es dennoch in den letzten beiden Absätzen, mit ganz kurzer Lunte zu explodieren, als werfe Kubitschek der AfD einen Fehdehandschuh hin. Nein, ganz falsch formuliert: Es liest sich, als versuche jemand das Gegenüber mit aller Gewalt auf seine Seite hinüberziehen:

„Es gibt kein Verhalten, das den Gegner dazu brächte, die Entscheidung einer VS-Einstufung und das Gerede von Parteiverboten zu revidieren und den Konkurrenten um Stimmen, Gelder, Mandate und Macht ins faire Demokratiespiel einzuladen.“

Das muss man nicht übersetzen, dass ist der Singsang der Sirenen in Moll, aber Alice Weidel ist nicht Odysseus. Sie muss eine Partei führen, die aktuell auf dem besten Weg ist, sich langfristig als Volkspartei zu etablieren. So schmerzhaft es da sein mag, aber die Bulldozer, selbst die Florettkämpfer an der Flanke müssen jetzt ihre Motoren ausschalten und ihre Waffen strecken: Es beginnt die Zeit der Diplomatie!

Kubitschek grollt und sieht das als sinnlose Liebesmühen an. Er sieht seinen Einfluss auf die AfD schwinden, seine Netzwerke flattern und er mag ebenfalls mit Erstaunen bemerkt haben, dass das Wachsen der AfD auch etwas mit Mäßigung zu tun hat. Mäßigung! Ein wohlklingender Begriff, der indes in Schnellroda wie eine Kettensäge klingt.

Der finale Absatz von Kubitschek lässt keinen Spielraum mehr für Interpretationen, die Katze ist aus dem Sack und ihr Fell blutet, weil jemand versucht hat, es ihr über die Ohren zu ziehen:

„Um einen alten Satz zu wiederholen: Es gibt keine Alternative im Etablierten. Dieses ,Etablierte' muß zu den Bedingungen der Alternative verändert werden. Geschieht das nicht, verschwindet an der AfD das Alternative ebenso, wie das Grüne der frühen Grünen verdampfte, bis am Boden des Topfes eine Baerbock sichtbar werden konnte.“

Und weil Götz Kubtischek immer noch so wütend ist, hängt er hinten an, über wen eigentlich:

Weidels Entscheidung ist Altparteienverhalten und hat dem Gegner Munition geliefert.“

Wenn das kein Fehdehandschuh ist, was dann? Wer auf diese Weise auf den wachsenden Erfolg der AfD reagiert, der fürchtet sich vor ihrem Wachsen wie kein anderer. Der sieht seinen Einfluss schwinden, der leidet unter Verlustängsten, der sehnt sich zurück nach dem Lagerfeuer und versteht nicht, warum es andere am Ofen viel gemütlicher finden.

Die AfD und ihre Führungsspitze ist zweifellos mit Schnellroda, Sellner und Kubitschek verbunden. Zeitweilig pilgerte die Parteispitze in großer Zahl in den Saalekreis nach Sachsen-Anhalt, um zu schauen, wen Kubitschek wieder Illustres zusammengeführt hat im neurechten Salon. Das alles schweißt zusammen.

Aber jetzt ist es an der Zeit, dem Thinktank eine viel klarer definierte Rolle anzubieten. Nein, Schnellroda versteht nicht, wie eine Partei geführt werden muss. Wie denn auch, wenn man das etablierte Parteiensystem so sehr verabscheut.

Aber die AfD hat ihre 24 Prozent nicht auf der gewachsten Holzpritsche im Rittergut Schnellroda gewonnen, sondern aus den blau gepolsterten Sitzen heraus ans Rednerpult tretend und zur Nation sprechend. Es sind die Reden von Alice Weidel und Co, die zu Bestsellern in den sozialen Medien werden. Schnellroda hat damit rein gar nichts zu tun.

Und an diesem Text von Kubitschek gemessen, scheint darüber jemand auf den Geschmack von verbrannter Erde gekommen zu sein. Es knirscht, es knistert, Wagnerzeit auf Schnellroda!

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