Ich höre jedenfalls, wie sie kurz mit jemandem spricht, der Hund bellt, dann wird die Tür wieder geschlossen, sie kommt zurück und ich sehe ihr schon an, dass etwas nicht stimmt, bevor sie mehr murmelt als spricht: „Das ist so schlimm.“
Um Himmelswillen, ich denke sofort an dicke Rechnungen oder Mahnungen, an was auch immer, da drückt sie mir einen schmalen Flyer in die Hand und sagt mit belegter Stimme: „Die armen Jungs!“
Ich kenne Frau seit über dreißig Jahren, etwas hat sie getroffen. Sie erzählt von zwei Jungs, etwas jünger als unsere Jüngsten, also zwischen 16 und 20 Jahren alt. Die Jungs, die ja eigentlich schon junge Männer sind, erzählt sie weiter, hätten in Anzughose, gebügeltem weißem Hemd und Krawatte mit akkurat gescheitelter Kurzhaarfrisur vor der Tür gestanden und wollten mit ihr über Gott sprechen. Sie fragten meine Frau, ob sie etwas von Jesus erfahren möchte.
Ich schaute den Flyer an, der heißt „Lebensfragen – Wo findet man die Antwort?“ Auf der Innenseite des schmalen Papierchens steht ein Bibelzitat.
„Die Bibel sagt: ,Gottes Wort ist wahr und zuverlässig“'. Hier wird also die Bibel als Zeugin für den Wahrheitsgehalt der Bibel angeführt, was argumentativ aus meiner Sicht eher ungünstig ist. Solche Zweifel sind gestattet, aber man sollte sie tunlichst nicht an der Tür diskutieren wollen.
Aber Frau war sowieso von etwas ganz anderem bewegt. Sie war bewegt davon, dass diese „netten Jungs“ hier mit ihrem Vater bei über dreißig Grad von Tür zu Tür laufen müssen. Der Vater selbst ging auf der anderen Straßenseite mit einem dritten Jungen an der Hand, der ebenfalls ein weißes Hemd mit einem kleinen Binder trug und ebenfalls akkurat gescheitelt wie aus der Fabrik für kleine Jungs gefertigt daherkam und vielleicht gerade einmal acht oder neun Jahre alt war.
Frau stand noch am Fenster hinter der Gardine und schaute hinterher und wahrscheinlich gehörte sie zu den Wenigen, die überhaupt ein paar freundliche Worte mit ihnen gewechselt hatte. Ich dachte im Stillen: Dass sie den Flyer genommen hat, das war ein Fehler, das vermerken die bestimmt mit einem sparsam runtergespitzten, angeleckten Bleistiftstummel in einem schwartigen Büchlein und kommen dann bei Gelegenheit noch einmal wieder.
Dazu fiel mir eine dieser Geschichten meines Großvaters wieder ein, die er uns Kindern erzählt hatte. Er hatte uns von einer Geheimschrift der Bettler berichtet, von geheimen Zeichen, welche diese mit Kreide an Häuser malen, damit nachfolgende Bettler wissen, ob es sich hier lohnt. Mein Großvater kannte diese Zeichen und hatte eines an sein Haus gemalt, welches besagte, dass dort böse und geizige Menschen leben. Unnötig zu erwähnen, dass meine Großeltern das Gegenteil davon waren.
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Als Kind haben mich bettelnde Menschen fasziniert, uns ging es ja gut, wir mussten nie hungern. Damals wohnten wir in einem Neubaugebiet am Stadtrand in einem Vierfamilienhaus und manchmal an den Wochenenden klingelte es und jemand bat um etwas. Meine 87-jährige Mutter wohnt dort heute noch. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, in den letzten Jahrzehnten von ihr gehört zu haben, dass noch mal Bettler gekommen wären.
Einmal, ich erinnere es noch genau, ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt, hatte meine Mutter einen Marmorkuchen in Kastenform gebacken, ich war immer besonders scharf auf den dunklen Teil, weil der nach Schokolade schmeckte. Der Kuchen war noch nicht richtig ausgekühlt und wir Zwillinge schon ganz zappelig, aber wir hatten zu warten, bis Mutter das Signal gab. Und dann schnitt sie einfach für den älteren zerlumpten Herrn an der Tür eine warme Scheibe ab, wickelte sie in Butterbrotpapier, zog ein rotes Gummiband darum und reichte ihm den Kuchen.
Ich kann heute behaupten, dass meine Mutter damals den gleichen Blick hatte wie meine Frau vorhin, als sie mit dem dünnen schmalen Flyer zurückkam. Aber die Jungs, die ihn ihr gaben, gingen ohne Marmorkuchen. Es ging ja alles viel zu schnell. Wir hatten auch keinen im Ofen, aber ein Getränk wäre doch möglich gewesen!
Ist das ein Fall für das Jugendamt? Ich zog die Schuhe an und schlenderte ein stückweit die Straße herunter und traf hundert Meter weiter wieder auf die kleine Gruppe, die gerade fast synchron die gegenüberliegenden Hauseingänge verlassen hatten. Der Vater war hager und Typ trauriger Buchhalter, er schielte stark, ein Handlungsreisender im Namen des Herren, der seine Kinder am Wochenende zum Missionieren mitnimmt.
Kein böser Typ, eher vom Leben geschlagen und verletzt wirkend. Ich kann nicht einmal sagen, ob diese tragische Aura hier zur gelernten Missionsausstattung gehört so wie der traurige Blick des Alten, der es geschafft hatte, dass meine Mutter den für uns so kostbaren Kuchen stückchenweise schon vor der Zeit anschnitt und weggab.
Und strenggenommen waren die Zeugen Jehovas auch nicht wegen Kuchen gekommen. Sie waren sogar fest davon überzeugt, ihrerseits das Wertvollste mitzubringen, was sie zu bieten haben.
Ich sagte Frau beim Zurückkommen, dass ich verstanden habe, was sie meint. Und sie sprach noch einmal von den armen Jungs und dass jetzt ihr Tag gelaufen sei, weil sie nur noch an diese armen Kinder denken könne.
Ich versuchte sie mit der Behauptung zu beruhigen, dass ich glaube, dass auch dieser Vater seine Kinder liebt. Vielleicht liebt er sie sogar ganz besonders. Und ich erwähnte weiter, dass ich sogar überzeugt bin, dass auch die Kinder voller Vertrauen an ihrem Vater hängen, wenn ich auch nicht sicher sei, ob das nicht schon eine Art Stockholmsyndrom ist.
Meine Frau meint, darum ginge es doch aber gar nicht, die ganze Familie sei in dieser Sekte gefangen, die Jungs hätten noch nie ihren Geburtstag gefeiert. Ich sagte noch: „Gut, dann fahr halt hinterher und bringe ihnen ein Eis“, aber sie sagte, bis sie dort sei, sei die Gruppe wohl schon verschwunden. Und wer wisse schon, ob sie es überhaupt annehmen dürften, vielleicht spräche ja etwas dagegen.
Ja, wer weiß das schon. Und wer weiß, ob nicht diese Gedanken schon bewusst erzeugt werden als Teil einer Missionierung, indem dieser elende Gesamteindruck erzeugt wird. Aber da können die Jungs wirklich am wenigsten etwas dafür. Und auch der Vater war mal ein Junge, aber das ist schon lange her.
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Kommentar von Schafokalypse bald
Satire (Monty Python, 1979): "Er hat Jehova gesagt!"
Realität BRiD 2020-22: "Er hat die 'Corona-Pandemie' geleugnet!"
Realität BRiD 2022-23: "Er hat den Klimawandel geleugnet!"
Realität BRiD 2022-23: "Er hat den 'Überfall Putins auf die friedliebende Ukraine' geleugnet!"
Wir leben hier unter den 'Zeugen' Gretas, Coronas, und sämtlichen anderen Bullsh|ts.
Die Zeugen Jehovas sind das geringste Problem, das wir haben, ehrlich.
Der penetrante antideutsche Selbstentleibungskult der globalistisch links-gehirngewaschenen Herde ist das Problem.
Und Soros / Schwabs 'Langer Marsch' soll noch weitergehen, und die Herde um mich rum so, den Medien folgend: "hurraah!"
Tja, so ist das - Realität überholt Satire.
Über die Zeugen Jehovas hatte ich mal Einblicke gewonnen, weil jemand den ich kannte da drin war.
Meine Erfahrung: besser nicht online diskutieren, sich fernhalten und Schluß. Ändern kann man da nichts.
Frau Wallasch möchte ich raten: seine Energie stets nur dort einzusetzen, wo sie nutzen kann.
Und besagte Sekte muß man begriffen haben, aber wozu, die bleibt so, wie sie seit ihrer Gründung ist. Aus Gründen!!
Die ich aber hier nicht erkläre, wie gesagt. Gibt nur Scherereien.
Hinweis an Superlogen: Farrell, Babylons Bankster.
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Kommentar von Tim Spieker
Sind Ihnen die Possessivpronomen abhanden gekommen?
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Kommentar von Bernhard Rossi
Leben und leben lassen, dachte der Philosoph!
Verkaufen darf aufdringlich sein, sagte der Verkäufer, der zwei Ohren zum Zuhören hatte und einen Mund zum Sprechen!
Mich erstaunt die Angst vieler Parteimitgliedern vor Ort, die einfach nicht fähig sind, an Haustüren zu klingeln und den Bürgern zuzuhören und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, auf Marktplätzen und in Biergärten präsent zu sein, um den Steuerzahlern zuzuhören. Dann gäbe es eine schlanke Verwaltung und bessere Politik!
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Kommentar von Joachim Winter
@SuperlogenregierenDieWelt: vor drei Jahren hätte ich jetzt noch die Nase gerümpft. Jetzt danke ich Ihnen für Ihre interessanten Anregungen.
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Kommentar von Joachim Winter
sorry. Diesen Menschen gehört mein mit Gefühl schon allein wegen des Scheitels und der Krawatte.
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Kommentar von R.S.
Die Zeugen Jehovas sind,glaub ich,unser geringstes Problem :) .Wobei ich diesen"Verein" und die Ansichten nicht verharmlosen möchte.Ich bin damit aufgewachsen,meine Großeltern waren dabei ,meine Mutter hat zum Glück nicht mitgemacht :) Aber ich hab so manche Zusammenkunft in der "Stube" miterlebt , so manchen Ärger miterlebt als sich mein Onkel verliebt hatte und dieses Mädel nicht mehr sehen durfte. Ich sah,wie der Opa "den Wachturm"unter den Dielen versteckte,weil das in der DDR verboten war.Und ich wurde indroktiniert nichts zu wissen,falls mal wer fragt.Zeugen sollen möglichst Zeugen heiraten und da wird dann auch gerne nachgeholfen.Kontakte ausserhalb sind nicht gern gesehen.Kinder werden mit Angst erzogen -Jehova sieht alles...und weiß was du denkst.Vergleichbar mit dem Klimahype,die Welt geht unter...da wird der Jugend ja auch Angst gemacht....In der Fußgängerzone hab ich aber schon länger keine mehr gesehen...
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Kommentar von SuperlogenRegierenDieWelt
Ich lehne die Zeugen Jehovas aufgrund ihrer für Sekten typischen, totaltären Organisationsstruktur ab.
Abgesehen davon bin ich anderseits inzwischen mit einem vorschnellen Urteil vorsichtig und mir kamen folgende Gedanken:
- Wahrscheinlich wollen sie mit der extra übertrieben adretten Kleidung jedweden falschen Eindruck vermeiden, sie seien Bettler und Hausierer. Trotzdem werden hier Jugendliche und ggf. sogar Kinder aus einer fanatischen Haltung heraus missbraucht.
- Kinder der woken linken Vielfaltsblase sind hinsichtlich Ideologisierung jedoch genauso zu bemitleiden, wenn sie in Berlins erste Berliner schwul-lesbische Kita geschickt werden, zu der es im Vorfeld 10/2022 bereits 60 Voranmeldungen ihrer Eltern (Elter1/Elter2) gab (https://tinyurl.com/yckhvytn). Oder Jugendliche, die über den Trans-Hype verwirrt und ggf. sogar in eine Hormontherapie getrieben werden.
- Wir als politisch aufgeklärte Menschen versuchen auch mehr schlecht als recht die sog. Schlafschafe zum 'Aufwachen' zu bringen (z.B. was die mRNA-Spritze anbelangte) - also zu bekehren.
Klingt irgendwie nach Zeugen Jehovas mit Ihrem "Erwachet!", die davon ausgehen, dass die Endzeit bereits angebrochen sei, in der sie als gläubige Minderheit der übergroßen Mehrheit der Menschen gegenüberstehen, welche alle (bereits) unter der Herrschaft Satans stünden.
- Vielleicht guckt der Vater der Kinder deswegen so traurig, weil er aus seiner Sicht 'weiss', dass das Schicksal der allermeisten Seelen zwar nicht die Hölle als ein Ort ewiger Qual sein wird (da die Zeugen Jehowas nicht an Diese glauben), sondern die vollständige Auslöschung oder Vernichtung als endgültiger Zustand der gottlosen Atheisten ('Annihilationismus')?
- Zu denken gibt mir auch, dass die Spitze der superreichen und mächtigen Supereliten offenbar allesamt Satan (den gefallenen Engel 'Luzifer') als inspirative Quelle anbeten (s. z.B. Tilmann Knechtel der interessanten schweizer ExpressZeitung [letzte Ausgabe: 'Wokeismus'] in seinem Buch "Die Rothschilds - Eine Familie beherrscht die Welt", sowie Buch "Die Horus-Loge" von Artur Lipinski) und ihm für die biblisch prophezeite offene Weltherrschaft in einem Weltstaat via Antichrist zuarbeiten.
Gemäß des bayerischen Illuminaten (= "die Erleuchteten von Luzifer"), Adam Weishaupt, sollte Gewalt und Blutvergießen das bevorzugte Mittel der Wahl sein, um die Weltherrschaft zu erreichen. Später sah der diabolische Stratege und große Guru der Illuminaten (= 'Internationales Freimaurertum'), Albert Pike, die Demokratie als perfektes (Deckmantel-)Mittel zur Übernahme der Weltherrschaft, der bereits existierenden inoffiziellen Weltregierung an. Man müsse die Bevölkerung ständig mit den utopischen, freimaurerischen Parolen über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit betrügen und benebeln, bis sie schlussendlich daran glaubt. Dann würde man die Nihilisten und Atheisten für einen gewaltigen gesellschaftlichen Zusammenbruch loslassen, der in seinem ganzen Schrecken den Nationen die Auswirkungen von absolutem Atheismus, dem Ursprung der Grausamkeit und der blutigsten Unruhen, klar vor Augen führen würde. Die gleichzeitige Vernichtung eines enttäuschten und orientierungslosen Christentums und des Atheismus macht dann die Menschen reif für die weltweite Verkündung und Anbetung der reinen Lehre Luzifers.
Wenn also die absolut reichsten und mächtigsten Menschen der Welt davon ausgehen, dass es den Teufel gibt (also von diesem verführt wurden), muss folgerichtig auch Gott existieren ;-)
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Kommentar von Eddy Nova
Gleich 3 Buben - hoffentlich werden es später keine 3 neuer "Oliver Pocher" ...dessen Vater ja auch so drauf war ! Ja , hätten die Typen ihre Wahrheit etwas offensiver verkauft , ihr "Haus" sauber gehalten hätten wir vielleicht keine aggressivere "Wahrheit" die ihre als noch "wahrer" verkauft !
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Aus strategischen Gründen nehme ich das Werbematrial auch immer an sofern gratis ...wenn ihr das Schwert zückt anstatt die Wange hinzuhalten wäre es mir sympathischer ...kann ich mir aber nicht verkneifen !
Fatalistisch betrachtet hätte meiner Prognose nach nur noch eine fundamentalistische Armee des "Christengottes" eine Chance den "Gott der Muslime" zu besiegen ...
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Ich wette 10 für 1 jede Wertewesten Regierung hat schon ein fertig geschriebenes Statement in der Schublade in dem nur noch das Datum und der dann aktuelle Papstname fehlt wenn nach dem nächsten 9.11 der Vatikan brennt ! Und das werden wir noch erleben prognostiziere ich ...
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Kommentar von Marco Fuhr
Wenn es heute an der Tür klingelt, steht da kein hilfsbedürftiger vor der Tür, der sich überMarmorkuchen freut. Sondern, jemand der einen Schluck Wasser will, oder etwas zum schreiben oder auf die Toilette. Es kann auch ein falscher Polizist, Stromableser,Gasmann oder was sich diese Verbrecher sonst einfallen lassen um hilflose meist ältere Menschen( die soetwas früher nicht kannten) um ihre letzten Wertgegenstände und Ersparnisse bringen.
Ich bin zwar nicht von den Jehovas Zeugen aber daß, das Ende naht leuchtet mir ein. Jedenfals dieser Zivilisation in diesem Land