Cancel Culture live aus einem verunsicherten und feigen Land auf dem Weg in Unmündigkeit und Überwachungsstaat

Die gedankliche Nähe zu den Weidels und Tichys dieser Welt ist mit uns weder verein- noch verhandelbar

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

„Schön, dass wir mit Dir gescherzt, gelacht und geplant haben. Allerdings hält uns Deine politische Haltung, die wir sehr deutlich bei unserem letzten Treffen wahrnehmen mussten, von einem weiteren Miteinander ab.“© Quelle: Pixabay / OpenClipart-Vectors, 089photoshootings I Montage Alexander Wallasch

Ein Unternehmer schickte mir gestern einen sehr persönlichen Text zum Thema Cancel Culture. Er selbst ist Opfer so einer Ausgrenzung geworden. Und obwohl er aus verständlichen Gründen – er hat Kunden verloren – nicht namentlich auftreten kann, möchte ich meinen Lesern diesen Text zum Lesen anbieten.

Ich kenne den Autor persönlich und kann für seine Angaben bürgen. Empört hatte er mir den Fall bereits vor ein paar Tagen geschildert, ich hatte ihn gebeten, diese irre Geschichte aus Deutschland 2022 aufzuschreiben.

Hier der Text, bitte lesen Sie selbst, in was für einer Welt wir mittlerweile leben. Ich bin sicher, das Geschilderte passiert täglich vielfach in unserem Land. (Das Gewerbe des Autors ist aus Schutzgründen geringfügig verändert worden):

Zurzeit gewinnt man in Gesprächen gerne den Eindruck, dass sich viele Menschen alleine, ja verlassen fühlen. Leserzuschriften an die Alternativmedien sprechen oft davon, dass die Betreffenden ohne sie verrückt werden würden.

Die von ihnen gehegten Auffassungen seien tabu, besonders dann, wenn sie auch beispielsweise gleichzeitig von der AfD oder alternativen Ärzten im Zuge der Coronakrise eingenommen werden könnten. Der Einzelne fühlt sich, wenn er der Regierung und derem Handeln kritisch gegenübersteht, isoliert. Oder bestenfalls als Mitglied einer kleinen, extremen Gruppe, die ohne Einfluss bleibt.

Grund dafür ist das zurzeit perfekte Funktionieren des von Elisabeth Noelle-Neumann schon vor einigen Jahrzehnten beschriebenen Mechanismus der Schweigespirale, die es verbietet, als nicht mehrheitsfähig empfundene Meinungen öffentlich vorzutragen und somit den Eindruck zu erwecken, dass diese Meinungen bestenfalls marginal vorhanden seien.

Die von großen Teilen der Linken als legitim angesehene Cancel Culture ist dabei das Instrument, mit der diese Schweigespirale durchgesetzt wird. In einer vom Kampf gegen Rechts geprägten Gesellschaft kommt es eben darauf an, bestimmten, als reaktionär gebrandmarkten Auffassungen „keine Plattform zu bieten“.

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Die Tatsache, dass Vertreter der AfD nach der letzten Bundestagswahl so gut wie nie mehr in öffentlich-rechtliche Foren eingeladen wurden, ist ein Ausdruck dieser „Kultur“. Die Medien geben sich in der Mehrzahl äußerste Mühe, konservative oder regierungskritische Auffassungen zu unterdrücken. Mit besagtem Ergebnis, dass sich die Träger dieser Auffassungen eben zunehmend isoliert fühlen.

Nun könnte man geneigt sein, diese Cancel Culture nur für den öffentlichen Diskurs anzunehmen. In Wirklichkeit aber hat sie die Gesellschaft bis in die letzten Ecken, oft sogar bis hinein in die Familien ergriffen.Ein Träger unerwünschter Meinungen erfährt, wenn er sich äußert, sofort soziale Ausgrenzung und wird schnell lernen, lieber zu schweigen, also die Spirale zu bedienen, die Nölle-Neumann beschreibt.

Auf Familienfeiern werden mittlerweile thematische No-go-Areas abgesteckt, um die ein bis zwei Tage an Weihnachten oder Ostern friedlich über die Bühne zu bringen. Der ältere Onkel hat gelernt, im Kreis der Lieben nicht mehr aufzufallen, um seine ohnehin bestehende Außenseiterrolle nicht weiter zu vertiefen.

Im beruflichen Umfeld habe ich jetzt einen besonders interessanten Fall von niederschwelliger Cancel Culture erlebt. Seit einiger Zeit betreibe ich eine Webseite/ Online-Verkauf für ein attraktives Bio-Getränk und bemühe mich dort, Obstbauern eine Plattform zu geben. In diesem Zusammenhang lerne ich auch andere saft-affine Unternehmer kennen und spreche mit Produzenten.

So hatte ich diesen Sommer das Vergnügen, einen speziellen Bio-Safthändler zu treffen. Wir waren uns sehr sympathisch und verabredeten eine mediale Zusammenarbeit. Er würde mich von seinem Know-how profitieren und ich ihn dafür auf meiner Website zu Wort kommen lassen. Ich war in seinem Unternehmen eingeladen und lernte dort auch seine charmante Frau kennen, die auch Veranstaltungen und Führungen im Unternehmen verantwortet. Es handelte sich um eine rein professionelle Verbindung, die sich da anbahnte.

Bei einer unserer nächsten Besprechungen beschwerte sich mein neuer Partner allerdings recht spontan über Alice Weidel. Er kannte sie angeblich aus ihrer Zeit vor der Politik und ferndiagnostizierte bei ihr eine ‚paranoide Schizophrenie‘.

Als ich mich über diese Aussage wunderte, erweiterte sich die Diskussion auf die Legitimität der AfD. Es wurde der Standpunkt vertreten, dass man die AfD mit allen Mitteln bekämpfen dürfe und müsse. Ich äußerte mein Befremden über diese Haltung und machte lediglich meine Position deutlich, dass ich die AfD für eine legitime politische Partei halte, die als solche nicht zu bekämpfen sei. Die Frage, ob man die AfD verbieten solle, wurde von meinem Gegenüber und seiner Frau begeistert bejaht.

Ein von uns ganz konkret ins Auge gefasstes Projekt verzögerte sich dann auf eigenartige Weise. Ein Termin wurde abgesagt. Vier Wochen später erreichte mich dann eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

Hallo Xxxxxxxxx,

schön, dass wir Dich kennengelernt, mit Dir gescherzt, gelacht und geplant haben. Alles deutete auf eine angenehme Zusammenarbeit hin. Allerdings hält uns Deine politische Haltung, die wir sehr deutlich bei unserem letzten Treffen wahrnehmen mussten, von einem weiteren Miteinander ab.

Die gedankliche Nähe zu den Weidels und Tichys dieser Welt ist mit uns weder verein- noch verhandelbar.

Wir wünschen Dir alles Gute, viel Glück und weiterhin Erfolg.

Viele Grüße von

Ich hatte mich also – wahrheitsgemäß – noch nicht einmal einer inhaltlichen Übereinstimmung mit den Auffassungen Alice Weidels oder Roland Tichys schuldig gemacht, sondern lediglich ‚gedankliche Nähe‘ durchblitzen lassen. Aber schon das reichte zum Abbruch unserer Beziehung aus. Ich wurde also wegen zweier Sätze im Laufe eines langen Abends erfolgreich gecancelt.

Schade! Ich bin ein sehr geselliger Mensch und die beiden waren wirklich sehr sympathisch gewesen.

Über die Tatsache, dass es sich bei den beiden um die üblichen, gefestigt politisch links Stehenden handelte, die ihr hässliches Gesicht erst gegenüber politisch Andersdenkenden zeigen, hätte ich in Anbetracht unserer gemeinsamen Interessen gerne hinweggesehen.

Nun muss ich aber gewärtigen, dass es wieder ein paar mehr Menschen gibt, von denen ich mich aufgrund meiner politischen Toleranz in Zukunft fernhalten muss. Gott sei Dank bin ich einigermaßen psychisch gefestigt und treffe genug gute Freunde bei Demonstrationen.

Gelernt habe ich aber: Wenn ich Unbekannte treffe, sollte ich Standpunkte zur AfD, zu Roland Tichy, Alice Weidel oder Sahra Wagenknecht besser nicht zur Sprache bringen. Damit würde ich dann zwar dazu beitragen, dass Leute, die ähnliche Auffassungen hegen wie ich, sich noch einsamer fühlen, ich würde aber wenigstens nicht mit sozialer Ächtung bestraft werden können.

Ich wurde also nur aufgrund einer kurzen Aussage im zwanglos privaten Umfeld erfolgreich vernichtet. Und ich frage mich: Wie viele Menschen in meiner Situation haben das auch schon erlebt? Und lesen ihre Alternativmedien mit geballter Faust in der Tasche nur heimlich. Als Fazit bleibt mir: Cancel Culture existiert – und fummelt ihre Tentakel bis in die tiefsten Ebenen unseres Lebens. Andersdenkende bewegen sich, wie die Christen im alten Rom, in ihren Katakomben, gut geschützt vor den Blicken der Allgemeinheit.

Staatsdoktrin der DDR war, die Bundesrepublik sei ‚protofaschistisch’. Auch und gerade die bürgerlichen Parteien seinen in Wahrheit rechtsextrem und dabei, ihre rechts-autoritäre Staatsform zu installieren. Aus diesem Grund sei es auch legitim, sie in jeder Form zu bekämpfen. In der Bundesrepublik des Jahres 2022 ist es gelungen, diese irrsinnige Ideologie als Staatsdoktrin in Gesamtdeutschland fest zu verankern.

Wer nicht ‚progressiv‘ ist – im Sinne der Partei? –, ist reaktionär, ein Protofaschist, Und darf mit allen, auch hinterhältigen Mitteln bekämpft werden. Zum Beispiel mit sozialer Ächtung. Wie in der DDR muss auch ich jetzt also aufpassen, was ich wem gegenüber äußere. Und Alice Weidel erwähne ich nur noch im Kreise von Vertrauten – bei abgeschalteten Handys ...

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