Weidel, die AfD und Kubitscheks Denkschmiede

Die AfD und Schnellroda: Verliebt, verlobt – verheiratet?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 10)

Ein Thinktank und die Verbindung zur AfD© Quelle: YouTube/ ZDF, MDR, Screenshots, Montage: Alexander Wallasch

Man las es zuletzt immer häufiger in der konservativen Ecke der sozialen Medien, dort, wo Kritik an der AfD mit dem Untergang des Abendlandes gleichgesetzt oder gar als Friendly Fire verstanden wird: Bitte keine Spaltung! Bitte keine Selbstzerfleischung!

Ist das schon Lagerdenken und zum anderen auch nicht sonderlich souverän? Die vergleichsweise junge AfD hat das Recht – oder die Pflicht – sich inhaltlich und personell regelmäßig neu feinzujustieren. Und dazu gehört eben auch mal, gründlicher aufzuräumen und die Leichen im Keller zu bestatten. Passiert das nicht, kann es von unten nach oben stinken oder noch relevanter: von oben nach unten.

Die AfD ist nach zweistelligen Wahlerfolgen in Bayern und Hessen weiter auf Erfolgskurs, der Sprung über die 20-Prozenthürde bundesweit ist nicht nur vollzogen, sondern etabliert, die 25-Prozent zum Greifen nahe. SPD und CDU wurden mit solchen Ergebnissen leichthin „Volkspartei“ genannt. Also ist die AfD jetzt eine Volkspartei.

Der Zuspruch jener, die sich vorstellen könnten, AfD zu wählen, wächst insbesondere an Personen wie Alice Weidel oder am geerdeten Auftreten ihres Co-Vorsitzenden, des mitteldeutschen Handwerkermeisters Tino Chrupalla.

Aber unzweifelhaft stehen alle 78 Bundestagsabgeordneten der AfD im besonderen Fokus des Interesses. Die vorderen Bänke mehr noch als die hinteren. Die Redegewandten mehr als die weniger Sprechbegabten. Und wie in allen Fraktionen gibt es auch bei der AfD verschiedene Strömungen. Hier ist von einem rechten Flügel eher die Rede als von einem Linken. Aber warum eigentlich?

Gäbe es einen linken Flügel, dann wäre er wohl besetzt, etwa von Abgeordneten wie Jürgen Braun, AfD-Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe oder von Martin Sichert, dem gesundheitspolitischen Sprecher der AfD. Dieser „linke Flügel“ im rechten Lager sitzt damit am nächsten zur Brandmauer von Friedrich Merz, während auf der rechten Seite der Verfassungsschutz seine roten Linien gezogen und ein regierungsnahes Interesse angemeldet hat, die AfD insgesamt unter Beobachtung zu stellen.

Es stehen dringende Aufräumarbeiten an bei der AfD. Auch an der Basis, wie die AfD-Führung jetzt schmerzhaft am Fall „Daniel Halemba“ erleben musste. Aber „Basis“ wäre hier zu tiefgestapelt, denn der 22-Jährige Halemba ist immerhin bayerischer Landtagsabgeordneter. Hieß es zunächst noch aus AfD-Kreisen, er sei von der Justiz zu Unrecht verfolgt worden, um seinen Auftritt als jüngster Abgeordneter zur Eröffnung des Landtags zu vereiteln, schaut es jetzt so, dass auch die Spitze der AfD zunehmend auf Distanz geht.

Die AfD hat unzweifelhaft ein Personalproblem. Hier wirken Diffamierungen, Diskreditierungen und Gewaltandrohungen massiv. Beamte mit AfD-Bekenntnis müssen um ihre Anstellungen und Pensionäre um ihre Pension bangen. Corona-Maßnahmen-Kritiker werden als Rechtsextreme betrachtet, ein AfD-Bekenntnis sowieso.

Und was die gewalttätigen Übergriffe von Linksradikalen angeht hat die AfD bereits Probleme, diese überhaupt über die Medien zu verbreiten, denn jedes Mal, wenn Zeitungen darüber berichten, dass wieder jemand am Stand der AfD zusammengeschlagen oder Hausbesuch bekommen hat, sind es hunderte Mitstreiter an der Basis weniger, die sich noch engagieren. Hier sind dann vielfach nur noch jene besonders hartgesotten, deren Ruf bereits ruiniert ist, bei einigen auch schon lange vor der AfD-Mitgliedschaft.

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Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag schafft es bisher zufriedenstellend, interne Grabenkämpfe zu deckeln. Noch funktioniert der Zusammenhalt unter dem anhaltenden Außendruck. Aber auch hier brodelt es längst, es gibt sichtbare Verschleißerscheinungen. So wird etwa Petr Bystron, der Außenpolitiker der Partei, ins Europaparlament wechseln, gleich auf Listenplatz 2 hinter dem AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Bystrons Gang nach Brüssel darf als gesichert gelten.

Die AfD muss sich auch intensiver mit dem Innenverhältnis zu ihrer Jugendorganisation auseinandersetzen, die Parteispitze sollte zudem einmal hinreichend definieren, welche Bedeutung das Netzwerk rund um Götz Kubitschek und jenem von diesem selbst als „neurechten“ Thinktank bezeichneten Verlag und Institut für die Partei hat.

Weidel und Chrupalla sind hier gefragt und weniger der befangene oder voreingenommene EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah. Der ist nämlich mit Kubitschek befreundet und Autor in dessen Antaios-Verlag. Wer sich die zuletzt veröffentlichten stundenlangen Kamingespräche zwischen Ehepaar Kubitschek und Krah anschaut, der erfährt etwas über eine besondere Nähe zwischen AfD und Kubitschek, die an anderer Stelle nicht so offensichtlich wird.

Kubitschek nutzt das „wir“, wenn es darum geht, zu beschreiben, dass die AfD die 18 Prozent längst überschritten hat, „jetzt haben wir ja ...“. Nein, das „wir“ wird hier nicht als unechtes Indefinitpronomen verwandt. „Wir“ müssen in Umfragen eher davon ausgehen, „dass für uns hier tiefgestapelt wird“, sagt Ellen Kositza und kann nur die AfD meinen, denn Umfragen zur Beliebtheit des Verlages finden nicht statt.

Aber was für ein „wir“ soll das eigentlich sein? Diese Frage muss die AfD-Spitze jetzt eindeutig beantworten. Selbstverständlich kann diese Antwort auch auf besondere Weise in Richtung Kubitschek ausfallen, aber sie sollte den Wählern von der der AfD-Spitze gegeben werden, sie haben ein Recht darauf, und kann nicht von Schnellroda diktiert werden. Anhaltspunkte, um was es da geht, lassen sich gut im Buch von Krah finden.

Die AfD und dieser Thinktank des Verlegers, der ursprünglich eng mit der Jungen Freiheit und Herausgeber Dieter Stein verbunden war, sind an vielen Stellen miteinander vernetzt, aber es scheint bei der AfD niemanden zu geben, der sich richtig zuständig fühlt oder bereit dazu ist, diese auch inhaltlich enge Verbindung immer wieder neu abzuwiegen, zu pflegen oder eben einzuhegen.

Vereinfacht ausgedrückt: Die AfD bekämpft die Zuwanderung und Schnellroda will die Ursachen hinter der Zuwanderung bekämpfen, was viel tiefer geht und schon mal an der etablierten Ordnung selbst rütteln kann. Eine weitere Frage ist: Wie bedeutend so eine private Denkfabrik für eine Partei sein kann, sein darf oder sogar sein soll.

Björn Höcke und der (ehemalige) Flügel sind enger mit Schnellroda verbunden als beispielsweise die genannten Abgeordneten Sichert und Braun, die man einem linken Flügel der AfD zurechnen kann, wenn es nicht so falsch klänge. Die beiden gehören auch nicht zu jenen, die wie Gauland, Weidel, Meuthen und andere schon zu Treffen des Institutes für Staatspolitik pilgerten, so wie einst Merkel und Co Jahr für Jahr zum Richard-Wagner-Festspielhaus. Aber so eine Wagner-Inszenierung hat eher selten den Anspruch erhoben, direkt auf die CDU-Politik einzuwirken.

Möglicherweise ist es ja für Kubitschek, für seinen Wiener Weggefährten Martin Sellner und Co auch einmal hilfreich, von der AfD aus deren Sicht ihr gemeinsames Innenverhältnis neu definiert zu bekommen. Das spart Zeit, sich selbst immer wieder neu Gedanken machen zu müssen, wo man steht. Und man erfährt dann auch, ob es noch eine Verlobung ist, gar eine Auflösung oder schon die vollzogene Ehe. Dann, wenn man es selbst nicht so genau sagen kann.

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