Hat Alice Weidel eine historische Chance verpasst?

Die AfD als Friedenspartei oder eine Sehnsucht nach dem deutschen Heldentod

von Alexander Wallasch (Kommentare: 11)

Kritik an der AfD und Alice Weidel ist Harām© Quelle: Bundestag/ Screenshot

Alice Weidel hätte die AfD als neue deutsche Friedenspartei vorstellen können. Die Chance wurde verpasst. Es wird jetzt niemand mehr da sein, der sich gegen alle Widerstände für den Frieden stark macht. Wir leben in kriegerischen Zeiten.

Der insbesondere durch seine couragierte Verteidigung von Impfgeschädigten bekannt gewordene Anwalt Tobias Ulbrich hat gestern Gotteslästerung begangen und wurde dafür beschimpft und durchs X gejagt. Ulbrich hatte es gewagt, die Rede der AfD-Chefin Alice Weidel zur Sondersitzung am Donnerstag zu kritisieren.

Parallel dazu hatte ich ebenfalls die Rede als eine verpasste historische Chance bezeichnet und wurde dafür ebenfalls angegangen und sogar von einer nicht unerheblichen Zahl Followern entfreundet.

Vorab eine grundsätzliche Beobachtung: Offenbar hat die über zehn Jahre andauernde Diffamierung, Diskreditierung, Verfolgung und Ausgrenzung der AfD zu einer besonders stabilen Wagenburg-Mentalität geführt. Neudeutsch würde man sagen: Kritik an der AfD ist Harām.

Das allerdings ist bedauerlich, denn es überführt die Politiker der AfD in den Rang von Unberührbaren. Und damit werden sie gleich ein zweites Mal sonderbehandelt. Die Kritik an der Rede von Weidel erfolgte nach den Wahlen. Und eben nicht während des Wahlkampfs. Man könnte auch sagen, außerhalb einer Schonfrist.

Die AfD hat über zwanzig Prozent der Stimmen geholt, sie ist aller Voraussicht nach zum zweiten Mal nach 2017 der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

Wie wurde Dr. Weidel von Anwalt Ulbrich via X kritisiert? Der schrieb:

„Weidel griff in ihrer Rede Merz an - aber adressierte alle Hauptthemen nämlich die Kriegstreiberei nicht und auch nicht die fehlende Vertretungsmacht des 20. Deutschen Bundestages. Ich glaube, dass sie immer noch selbst damit liebäugelt, dass Merz straucheln könnte und CDU und AfD dann doch eine Koalition bilden könnten. Genau deshalb wurden alle Kernthemen - nämlich das Befeuern der deutschen Rüstungsindustrie und die Frage der Vertretungsmacht nicht angesprochen, da Weidel für den interessierten Zuhörer dennoch zu verstehen gab, dass sie in den Punkten Aufrüstung, Bundeswehr und Verfassungsbruch mit Merz auf einer Linie ist und deshalb auch nicht anzusprechen war. Noch schlimmer sprach Weidel davon, dass für eine Krieg der erforderliche 'Patriotismus' gegeben sein müsse, den nur ihre Partei herstellen könne. Sie biederte sich also für das Kriegsgeschäft willfährig an. Alles sehr abstoßend, was da heute zu sehen war.“

Ich selbst hatte unabhängig von Anwalt Ulbrich zur Rede von Alice Weidel geschrieben:

„Die AfD hat die Chance verpasst, sich nachdrücklich als Friedenspartei zu profilieren. Alice Weidel hat eine Wirtschaftsrede gehalten. Sie hat das große Generationenthema der Deutschen liegengelassen.“

Fehlt noch die wichtigste Person, nämlich Alice Weidel selbst. Ihre Rede ist mittlerweile neben allen anderen Reden von den Bundestag-Stenografen veröffentlicht worden.

Dr. Weidel erklärt bereits zu Beginn, es wäre „unklar“, wofür sich Merz „das größte Schuldenpaket seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“ überhaupt genehmigt habe.

Für Frau Weidel ist das Begehren von Friedrich Merz zunächst ein „skrupellose(r) Angriff auf unsere Verfassung und auf die demokratische Legitimität, die Sie mit diesen fragwürdigen Sondersitzungen im Hauruckverfahren verächtlich machen“.

Die AfD-Chefin lässt auch nicht unerwähnt, dass diese Sondersitzung noch mit dem alten Bundestag eine Ohrfeige für die Demokratie sei: „Dieses Vorgehen zeugt von Ihrer Verachtung gegenüber dem Wählerwillen.“

Eines allerdings kommt in dieser Rede sträflich zu kurz und damit sind wir beim Punkt: Nämlich das eigentliche Anliegen der obszönen Neuverschuldung. Es geht um nicht weniger als die Sicherung der Finanzierung des Ukrainekrieges über Jahre hinaus! Es geht um die perspektivische Aufrüstung der Ukraine und um ein gigantisches Aufschwungsprogramm für die Ukraine.

Dieses Vorhaben rückt von der Größenordnung her tatsächlich in den Rang der Kosten der Widervereinigung, die drei Jahrzehnte später auf zwei Billionen Euro geschätzt werden.

Alice Weidel erwähnt immerhin die Verteidigungsausgaben, die seien von Merz nicht weiter präzisiert worden und ohne Grenze nach oben. Aber was bedeuten „Verteidigungsausgaben“, wenn die Idee Oberhand gewinnt, dass Deutschland auch an der Ostfront verteidigt wird?

Zugespitzt gesagt ging es an diesem historischen Tag um Krieg oder Frieden. Darum, dass Deutschland und die EU der Ukraine jene Garantien geben, die mit Blick auf die USA vakant oder unsicher geworden scheinen. Die historische Chance für Alice Weidel wäre es gewesen, die AfD als Sperrspitze einer neuen Friedensbewegung zu präsentieren und endlich damit aufzuräumen, dass Konservatismus immer auch zwangsläufig nationalistisches Säbelrasseln bedeuten muss.

Die in den Wochen zuvor von Frau Weidel reflexartig vorgetragenen Bekenntnisse zur Wehrpflicht hätten zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Denn sie lassen sich nicht loslösen vom Ukrainekrieg. Es ging in dem Moment gar nicht mehr darum, sich auf einem Allgemeinplatz zur Landesverteidigung zu bekennen. Die neue Wehrpflichtdebatte kann man 2025 nicht von einer behaupteten Bedrohung durch Russland lösen. Das ist schlicht unmöglich!

So betrachtet kann das Manöver der AfD, sich als Erneuerer einer Wehrpflicht zu präsentieren, auch als Versuch gewertet werden, der Union ein Signal zu senden. Über die Brandmauer hinweg? Alice Weidel hatte später von sich aus eine Koalition mit der Union ausgeschlossen.

Frieden. Frieden. Frieden. Alice Weidel hat den Frieden liegengelassen. Sie wollte dem Plenum an diesem Tag lieber demonstrieren, was sie alles von Wirtschaft versteht. Sie hat sich auf ihr Kompetenzfeld zurückgezogen. Geht es noch mutloser?

„Die deutsche Bundesanleihe gilt als risikofreie Benchmark für die Kosten der Schuldenaufnahme im gesamten Euroraum. Der finanzpolitische Kurswechsel Deutschlands hat daher negative Auswirkungen auf die Risikoprämien deutscher Staatsanleihen; heißt: Wir werden höhere Zinsen zahlen müssen.“

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Und weiter:

„Schon die Ankündigung Ihrer Pläne hat die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen an einem Tag um 16 Basispunkte ansteigen lassen und in einer Woche bis heute um über 50 Basispunkte – und das obwohl die EZB zuvor erneut die Zinsen um 25 Basispunkte gesenkt hatte.“

Zur Bundeswehr erklärt Dr. Weidel:

„Ja, es ist richtig: Deutschland muss mehr tun für seine Verteidigungsfähigkeit, um eine Armee zu schaffen, die nicht nur Geld verschlingt, sondern auch voll einsatzbereit für die Landesverteidigung ist.“

Sie meint eine Bundeswehr mit Wehrpflicht. Aber gegen wen? Aus welcher Himmelsrichtung kommt der Feind? Aus Dänemark? Wer an dieser Stelle in diese Diskussion um eine Verteidigungsfähigkeit einsteigt, ist schon mit Kiesewetter und Hofreiter und auf dem Weg an die Ostfront.

Interessant dazu übrigens, einmal nachzuschauen, wer in Europa überhaupt noch eine Wehrpflicht hat. Das wird in dieser Debatte einfach ausgelassen: In Europa halten nur noch die neutralen Staaten Österreich und Schweiz sowie einige osteuropäische Staaten, die einer gefährlicheren geopolitischen Lage ausgesetzt sind, an der Wehrpflicht fest.

Anwalt Ulbricht war zu Recht erstaunt über dieses so schrecklich deplatziert wirkende Säbbelrasseln der AfD-Chefin, die erklärte:

„Um motivierte Soldaten zu gewinnen, braucht es nicht nur Geld, sondern zuerst ein positives, patriotisches Selbstbild der eigenen Nation und der eigenen Armee.“

Wofür brauchen wir motivierte Soldaten, wenn nicht im Kontext mit dem Ukrainekrieg? Genau so wurde es von den Zuhörern verstanden! Alles andere sind Binsen, die man zu jedem Zeitpunkt hätte äußern können. Aber doch bitte nicht an einem Tag, an dem sich Vertreter mehrerer Parteien anschicken, eine Art kalten Staatstreich durchzuführen. Der Aufschrei für den Frieden blieb bei Frau Weidel aus!

Aber nie war es wichtiger, die ungeheure Dringlichkeit von Friedensbemühungen zu betonen. Stattdessen Sätze, die erschüttern, wenn Alice Weidel allen Ernstes erklärt:

„Für eine woke linke Ideologie will niemand sein Leben lassen.“

Aber wann ist der Heldentod ehrenhaft ist und gegen wen darf man im Feld elend verrecken, ausbluten, nach der Mutter schreien und sich die Därme wieder zurück in den Bauch schieben?

Die AfD ist hier in Gestalt ihrer Parteichefin den Kriegstreibern auf den Leim gegangen.

Aber übernehmen wir doch mal die Rhetorik von Frau Weidel: Es ist schlicht Feigheit vor dem Feind, was Weidel da gezeigt hat! Selbstverständlich hätte ein kompromissloser Appell für den Frieden an diesem Tag im Bundestag gedröhnt wie Donnerhall.

Selbstverständlich hätte so ein Appell für den Frieden auch in den eigenen Reihen ein paar Unverbesserliche aufgeschreckt. Selbstverständlich hätte das auch vor den Bildschirmen ein paar AfD-Wähler mit militärischen Großmachtsträumen aufgeschreckt.

Aber der Wahlkampf ist vorbei, die Sitze verteilt. Es wäre die allerbeste Gelegenheit für die AfD gewesen, dieses Wagnis für den Frieden einzugehen. Aber Alice Weidel war noch im Wahlkampf und wollte wohl niemanden unnötig aufschrecken.

Alice Weidel hat eine historische Chance verpasst. Sie hat es verpasst, die AfD als Friedenspartei in das Gedächtnis der Deutschen zu hämmern. Sie hat es verpasst, den Deutschen zu erzählen, um was es tatsächlich geht: Um die Schicksalsfrage für ihr Land! Um die Frage, ob wir unsere Werte, unseren Wohlstand und womöglich eine ganze Generation jungen Männer an die Ukraine verlieren wollen. Für was?

Alice Weidel und die AfD hatten den Ball auf dem Elfmeterpunkt. Sie hätten sich als neue deutsche Friedenspartei vorstellen können. Dass diese Chance verpasst wurde, ist die wahrscheinlich tiefgreifendste Erkenntnis des 13. Oktober 2025. Es wird jetzt einfach niemand mehr da sein, der sich gegen alle Widerstände für den Frieden stark macht. Wir leben in kriegerischen Zeiten.

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