Mein Enkel sagt zum ersten Mal „Opa“ – Jedenfalls klang es genau so

Deutscher Kriegsadvent mit Baumscheibe und einer Nachbarin, die keine Booster mehr will

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Sie sitze jetzt öfter einfach nur so da, starre vor sich hin und hätte dieses mulmige Gefühl im Bauch, von dem sie wiederum befürchtet, dass es immer nur noch drückender wird.© Quelle: Bild Alexander Wallasch

Meinen Lesern und allen Freunden wünsche ich einen besinnlichen Adventsabend. Dank geht raus an alle Unterstützer. Herzlichen Dank!

Ein überraschendes Adventsgespräch vor dem Haus. Eine Nachbarin wenige Jahre älter, gesundheitlich etwas angegriffen, bleibt auf ein paar Worte stehen. Es beginnt so harmlos und nett, wie sowas eben beginnt: „Gabs denn schon mal Schnee am ersten Advent? Kalt genug ist es ja bald.“

Ich schaue ebenfalls meinen Zugang hinauf und sage es halb zu mir selbst, halb entschuldigend zu ihr hin: „Ich muss dringend mal fegen, man kann ja ausrutschen auf dem ganzen alten Laub.“

Während wir unter dieser schon länger so unterbeleuchteten Straßenlaterne stehen, hört man von drinnen Kindergeschrei, meine Frau ist mit dem Enkel beschäftigt, die Tochter ist zum Adventsessen gefahren.

„Ach, wie schön“, lächelt die Nachbarin und wir wissen beide, was sie meint, ohne dass es einer von uns weiter kommentieren müsste.

Neulich schrieb ich einem ehemaligen Chef in dem Zusammenhang, dass jetzt die „Zeit der Ernte“ sei. Diesen zweifellos viel zu pathetischen Satz hatte er in meiner Mail rot eingefärbt und mir „Schöner Gedanke“ dazugeschrieben.

Meine Nachbarin spricht die Energiekosten an, auch bei ihr sind die jetzt mehr als verdoppelt. Aber sie will alles klaglos bezahlen. Fürchtet aber, dass den Energieunternehmen die Verteuerung leichter fällt, als diese dann wieder zurückzunehmen: „Selbst, wenn die wieder billiger Gas einkaufen, werden sie es nicht im selben Maße an ihre Kunden weitergeben“, ist sie sich sicher.

Da muss ich nicht lange drüber nachdenken und gebe ihr Recht. Ich frage sie, ob sie denn die Corona-Infektion gut überstanden habe, sie lag ein paar Tage flach, kam aber zurecht, es war schon ihre zweite Infektion, sie hatte ein paar Medikamente im Haus und auch anderweitig Vorräte angelegt.

Ich erinnere ich mich: „Du warst doch geboostert, oder?“ Das Thema behagt ihr nicht, das merke ich sofort. Aber wir haben denselben Hausarzt um die Ecke, ein guter aufmerksamer Arzt, der zwar viel Betrieb, aber immer ein persönliches Wort parat hat. Also warum nicht fragen?

„Hat er Dir schon einen Termin für Deine Vierte gegeben?“, will ich wissen. Und dann bin ich doch positiv überrascht. Meine Nachbarin will keine weitere Corona-Impfung. Sie sei zwar nicht sauer auf unseren Hausarzt, der ihr den Booster gespritzt hat, aber sie bereue es sehr. Aus heutiger Sicht mache sie sich nämlich mehr Sorgen vor den Folgen der Impfung, erfahre ich, als dass sie noch Sorgen hätte, sich zu infizieren.

„Aber Alexander, das war am Anfang doch ganz anders. Ich habe wegen meiner chronischen Erkrankung schon früh einen Termin für die ersten beiden Impfungen im Impfzentrum bekommen. Der Booster bei Dr. Müller (Red.: Name geändert) war dann keine Überlegung mehr wert. Ich habe gar keine Nebenwirkungen gehabt.“

Ich erzähle Ihr, was man heute weiß und was uns vorher weißgemacht wurde. Ich berichte von Krankenkassen, die schon hunderttausende Impfnebenwirkungen registriert haben, von einer unheimlichen Übersterblichkeit und einem Rückgang der Geburtenraten.

„Ach, ich kenn mich damit doch nicht aus“, antwortet die Nachbarin. Und weil wir schon mal zusammenstehen, frage ich trotzdem nach: „Du weißt ja, ich bin neugierig von Berufs wegen“, lächle ich sie an: „Aber warum nimmst du nicht den zweiten Booster von Dr. Müller?“

„Ich habe einfach die Nase voll davon, ich bin kein Arzt, aber ich spüre, wenn etwas nicht stimmt, dass sagt mir mein Bauch.“ Sie erzählt, dass ihre Angst weg sei. Nein, weg wohl nicht, aber überlagert von wieder ganz neuen Ängsten. Sie hat Angst vor einem Krieg, Die Nachbarin kann schon keine Nachrichten mehr schauen.

Manchmal sitzt sie vor dem Fernseher, sagt sie, und kann sich nicht mehr aus dieser Starre lösen. Sie sitze einfach nur so da, starre vor sich hin und sie hätte dieses mulmige Gefühl im Bauch, vor dem sie wiederum fürchtet, dass es immer nur noch drückender wird.

„Kennst du das auch?“, fragt sie fast flehentlich. Ich antworte beruhigend: „Natürlich kenne ich das, das ist die neue Zeit.“
Aber ich sage auch, dass ich im Vorteil sein, weil ich dieses Gefühl gar nicht erst aufkommen lassen darf, ich wäre ja verpflichtet, es sofort zu ergründen und aufzuschreiben, wir lächeln beide.

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Wer kennt das auch? Manchmal ist es so, dass man einem eigentlich Fremden, den man nur nachbarschaftlich duzt, viel mehr anvertrauen kann, als engen Bekannten, Freunden oder Verwandten. Diese Mischung aus einer über die Jahre gewonnenen Vertrautheit und der Distanz des Nicht-befreundet-seins, ist hier ein idealer Nährboden, weil das Gesagte mutmaßlich weniger Konsequenzen hat.

„Ich saß heute über dem Adventskranz, den ich noch ein wenig zurechtzupfen wollte, und musste mich richtig überwinden, die erste Kerze anzumachen“, sagt sie.  Aber was antwortet man darauf? Ich nicke, auch wenn es mir selbst nicht so gegangen ist.

Bei uns kam sogar Hektik auf, denn ich musste heute früh noch in den Wald, eine Baumscheibe von den letzten Fällungen suchen, wir hatten im Globus-Baumarkt so eine Art Adventskranzbaumscheiben gesehen, Frau wollte eine kaufen, aber ich hatte eine Idee: „Wozu 27, 50 Euro ausgeben? Ich bau Dir das selbst.“

Wer eine Frau hat, der kennt die Antwort: „Ach, das wird doch eh wieder nichts.“

Trotzdem kaufte ich die Kerzenhalter mit langem Dorn, ein Viererset Stumpenkerzen und hatte so mehr als 15 Euro gespart. Es wurde dann aber doch noch kompliziert, weil der Bohrfutterschlüssel für die Bohrmaschine fehlte, dann brach der Vierer bei der zweiten Bohrung ab, jetzt haben zwei Kerzen etwa Spiel, aber man merkt es auch nur, wenn jemand am Tisch ruckelt.

Ich wünsche meiner Nachbarin noch einen schönen Ausklang des ersten Advents und als ich wieder im Haus bin, sagt mein kleiner Enkel zum ersten Mal „Opa“ zu mir. Aber Frau lacht mich natürlich schallend aus, „Du spinnst doch“, was ich da bloß wieder gehört hätte.

Aber ich lasse mir das nicht ausreden. Ich weiß ganz genau, was ich gehört habe. Gut, vielleicht war es nach hinten raus etwas dünn. Aber das „O“ war klar zu hören, ein „p“ schloss sich an, nur das „a“ war etwas dünn im Abgang. Aber vor allem hat er mich dabei direkt angeschaut!

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, bitte bleiben Sie mir gewogen und gleich gewinnt Spanien, mal sehen, was mein Enkel dazu sagt, mein jüngster Sohn  hat schon gemeint, er schaue mit uns kein Fußball mehr, er möchte nicht mit jemanden schauen, der nicht für die deutsche Mannschaft ist, also schaut er oben allein in seinem Zimmer oder geht doch noch zu Freunden.

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