Das ist so kleinbürgerlich und spießig, so verhaftet im Klassendenken, wie es sich die herrschende Klasse nur wünschen kann. Aber dazu gleich mehr.
Wie ich auf Sarrazin komme? Der hatte Anfang 2008, als er noch für die SPD in Berlin Finanzsenator war, das asoziale Meisterstück hingelegt, den Sozialhilfeempfängern vorzukochen, wie gut man mit der Sozialkohle auskommt, wenn man bloß auf Kippen und Schnaps verzichtet.
Thilo Sarrazin entblödete sich damals nicht, zusammen mit seiner Behörde einen Speiseplan für einen Ein-Personen-Haushalt zu erstellen, um allen zu zeigen, dass ein Essenzuschuss von 4,25 Euro nach dem Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger völlig in Ordnung sei. Mit dem Transfereinkommen könne sich jeder „völlig gesund, wertstoffreich und vollständig ernähren“, sagte Sarrazin damals und untermauerte seine These mit Preisen aus Discounterläden.
Eine Bedürftige hatte es vor über 15 Jahren gegenüber der „Welt“ auf den Punkt gebracht, was sie von Sarrazins dreitägigem Selbstversuch wirklich hielt: „Für drei Tage kann ich auch Pläne machen und sogar danach leben, wenn ich danach wieder Fettlebe habe.“
Boris Palmer, der parteilose Ex-Grüne und Bürgermeister von Tübingen, hat 2023 auf den Selbstversuch verzichtet, er hat stattdessen seine und die Daten seiner Familie in den Bürgergeldrechner gestopft und war entsetzt, wie viel Kohle er und die seinen bekommen sollten.
Oder anders ausgedrückt: Die gutbürgermeisterliche Made im Speck fand sich plötzlich mitten im biblischen Gleichnis vom Weinberg wieder: Palmer in der Rolle jener grantelnden Weinbergarbeiter, die den ganzen Tag geschafft haben, ihren Lohn wie abgemacht auch erhalten, sich am Abend aber sozialneidzerfressen furchtbar aufregen, dass jene, die weniger gearbeitet haben, dennoch den gleichen Lohn erhalten hatten wie sie selbst.
Weiterlesen nach der Werbung >>>
Ihre Unterstützung zählt
Palmer schreibt via Facebook unter anderem:
„Ich habe mal mit meiner Familie den Bürgergeldrechner gefüttert. Wenn meine Frau und ich einfach in die Arbeitslosigkeit gehen würden, kämen wir auf 3868 Euro im Monat. Da wird man nicht reich. Aber wenn ich Alleinverdiener wäre, müsste ich schon um die 4500 brutto heim bringen, um dasselbe zu erreichen. (Ich verdiene natürlich deutlich mehr, aber habe auch die höchste Besoldungsstufe von 2000 Beschäftigten bei der Stadt).
Die Haushaltsentscheidungen der Ampel werden als sozial dargestellt. Ich habe daran erhebliche Zweifel. Wenn es sich kaum noch lohnt, Jobs im unteren bis mittleren Teil des Lohnsegements anzunehmen (4500 Euro brutto entspricht ja bereits einem Stundenlohn von fast 25 Euro, also weit über Mindestlohn), dann ist ein Bürgergeld in dieser Höhe unsozial gegenüber denen, die mit eigener Arbeit ihr Leben finanzieren und kaum einen Vorteil gegenüber denen haben, die sich voll von der Gemeinschaft finanzieren lassen.“
Nun mag das inhaltlich nicht grundsätzlich verkehrt sein, aber es geht mutlos am eigenen Problem vorbei. In der alten Bundesrepublik konnten wir uns unsere Sozialhilfempfänger noch leisten. Wer sich aus welchen Gründen auch immer aus der Gemeinschaft der Schaffenden katapultiert hatte – sei es durch Krankheit, Schicksalsschlägen oder Alkohol-, Drogen- und andere Probleme – der wurde auf einem niedrigen Niveau wieder aufgefangen.
Wer heute beklagt, dass es zu viel Bürgergeld gibt, wie Boris Palmer, der vergisst, die viel naheliegendere Frage zu stellen, ob es vielleicht zu wenig Lohn für gute Arbeit gibt. Und der vergisst auch, dass die Mächtigen immer daran interessiert sind, dass sich die Menschen auf der unteren Ebene gegenseitig in die Wolle kriegen. Denn so kommen sie nicht auf die Idee, nach oben zu rebellieren. Selten zuvor waren die Reichen so reich wie heute, noch selten zuvor stiegen ihre Gewinne so rasant wie heute.
Boris Palmer ist unter anderem wegen seiner anhaltenden Zuwanderungskritik bei den Grünen ausgestiegen. Und da liegt auch sein eigentliches Problem, das er hier hinter einer Sozialneiddebatte versteckt. Bei einem steigenden Anteil von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund in Bürgergeld sind diese Mehrausgaben ein Zuwanderungsproblem. Wer die Zuwanderung erfolgreich steuert, der spart Bürgergeldausgaben. Bürgergeld einzusparen, indem man es für zu großzügig bemessen hält, kann hier nur eine nachgereichte Debatte sein.
Bei der rasant angestiegenen Nachfrage nach Facharbeitern und Auszubildenden wäre es durchaus erwartbar, dass die Löhne für diese Tätigkeiten ansteigen. Aber das ist kaum der Fall. Stattdessen setzt die Industrie seit 2015 auf Zuwanderung, um in Zukunft wieder mehr Bewerber als Stellen zu haben – um den Rest soll sich der Staat gefälligst kümmern.
Wenn Boris Palmer sich über zu hohe Bürgergeldkosten aufregt, dann soll er doch bitte keine Neiddebatte anstoßen, sondern dorthin stoßen, wo es Mut erfordert und wo Gegendruck zu erwarten ist: Gegen die Regierung und ihre Politik der offenen Grenzen. Sich über Bürgergeldempfänger aufzuregen, weil Empfänger in 2024 nun 12 Prozent mehr bekommen sollen, ist tendenziell asozial und erfordert nur Gratismut. Mehr Mut erfordert es, die Migrationspolitik scharf zu bekämpfen. Da steht man schnell in der Nazi-Ecke, was einem bei so einem Sozialneid-Ausfall nun wirklich nicht passieren kann.
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von I. Bieger
Selbsttest bei der Arbeitsagentur.
Abgesehen davon, daß man als (deutscher) Bürger einen Seelenstrip bis ins letzte Detail hinlegen muß, ergäben sich - und das auch nur erstmals befristet auf 6 Monate - folgende Ansprüche:
- Übernahme der Miete + Nebenkostenvorrauszahlungen
- 502 Euro für den Rest - davon muß man Strom, Internet, Telefon, Fitnessstudio etc. selber bezahlen - zieht man das alles ab, bleiben faktisch ca. 350 Euro zum leben übrig. Viel ist das nicht.
- Interessant ist die Sache mit der Miete - bei Singlewohnungen wird - je nach Bundesland - bis zu 566 Euro Kaltmiete (Stuttgart) - da liege ich deutlich darunter - genehmigt.
melden
Kommentar von .TS.
@Caroline T: Ganz richtig, als waschechter Fanatiker ist der rotzGrün ge(sc)hasste nach wie vor ein Paradebeispiel für einen Gesinnungsgrünen.
Sieht man auch an seiner nach wie vor bestehenden Begeisterung für die Kanzelunkultur, mit seinem Segen wird in seinem Biotop nun die traditionelle Feuerzangenbowle-Filmvorführung verhindert:
https://www.pi-news.net/2023/12/afd-palmers-feuerzangenbowle-verbot-ist-zeitgeistanbiederei/
melden
Kommentar von Caroline T.
Vorsicht ist geboten, wenn ein in der Wolle gefärbter, nun angeblicher Ex-Grüner (1996 bis 2023! mit gut dokumentierten Enteignungs-, Umverteilungs-, Spritzen-, Beugehaft-, Rentenkürzungen-, Bußgeld- und sonstigen wirren Fantasien den Leuten das Bürgergeld schmackhaft macht. Zudem er und Gattin als Beamte nicht davon betroffen sein werden. Welche Bedingungen werden an das Bürgergeld geknüpft sein? Siehe oben? Nicht gleich, später?
melden
Kommentar von .TS.
Leider geht sowohl Palmers Polemik als auch der Konter am Kern des Problems vorbei:
Wenn eine Sozialleistung erheblich über dem Niveau niedriger Löhne liegt läuft etwas falsch.
Allerdings wollen auch höhere Löhne erst einmal bezahlt, sprich erwirtschaftet werden.
Und da liegt das eigentliche Problem:
Die Erhöhung des Bürgergelds ist ebenso wie die Forderung eines höheren Mindestlohns die Folge gesteigerter Kosten.
Welche Fehlentscheidungen an den enorm gestiegenen Preisen für Energie, Rohstoffe und Gesundheitswesen hauptsächlich sind ist klar bekannt, ebenso wer dafür verantwortlich ist.
Ebenso bekannt ist welche Faktoren Miete wie Wohneigentum immens verteuert haben von denen letztlich nur noch globale Großinvestoren profitieren - und wer diese hofiert.
melden
Kommentar von Bernhard Rossi
Es beschleicht mich das Gefühl, Herr Palmer scheint in seinem Amt als OB und Chef der Verwaltung im Tübinger Rathaus nicht ausgelastet zu sein?
melden
Kommentar von hans
… vorn weg, ich habe noch nie Transferleistungen weder beantragt noch erhalten.
Bürgergeld? … ein erster Schritt. Es gibt gegen ein 'bedingungslos, menschenwürdiges, Grundeinkommen', in nicht allzu ferner Zukunft, für alle, nur ideologische Gründe. Wer das nicht sieht, für den ist die Automatisierungs- und Informationstechnologie Neuland.
Die Einsparung und der Wegfall von Arbeitslosen- und Rentenverwaltung und anderer verwaltungsbürokratischer Monster, dürften als Gegenfinanzierung, bei gleichzeitiger Steuerreform, etwa ala Kirchhoff, genügen.
Das kann aber nur im geschlossenen System, einem Nationalstaat, funktionieren. (Im Übrigen ist ein direkt-demokratischer Nationalstaat, s.h. Schweiz, auch eine offene Gesellschaft. Nur eben keine doofe Gesellschaft ala Orwells gleicheren Schweinchen.)
Ein schöner Nachweis, übrigens, dass der 'Great Reset' von Schwabs WEF und seine Genossen, samt EU und Mohammedanismus, einschließlich Völkerwanderung und Zwangsumsiedlungen, nicht funktionieren kann, außer für Schwab und Genossen selber; der 'Rest' besitzt nix und soll 'glücklich' sein. Was für ein Hirni.
melden
Kommentar von Karl Eduard
Wie immer wird bei der "Diskussion" - die in Wahrheit eine weitere Spielart von teile und herrsche ist - der Elefant im Raum ausgeklammert. Deutschland könnte und konnte es sich jederzeit leisten die Bürger die gestrauchelt sind - aus welchen Gründen auch immer - weiter am Leben teilnehmen zu lassen - mit der Hoffnung sie berappeln sich wieder. Ohne die Millionen-fache Einwanderung in die Sozialysteme und die mittlerweile von links-Grün-CDU herangezogenen Generationen von bildungsfernem und arbeitsunwilligem Wählerpotential gäbe es kaum Probleme der Finanzierung. Mit einem geradezu wahnwitzigem Irrsinn aus Hartz Gesetzen, Lohndumping und Scheinselbständigkeit wurden die Fleißigen im Land demoralisiert und verar... und gute Arbeit entwertet, so sieht Umverteilung von unten nach oben aus. Um das zu verschleiern werden nun die Unterbezahlten gegen die Bürgergeldempfänger ausgespielt - schade, dass das so wenige begreifen und ihren Zorn nicht gegen die richten die all das verursacht haben.
melden
Kommentar von Daniela Exner
So sehe ich das auch,…
Die, die für wenig Kohle arbeiten müssen, treten nach unten, anstatt den wirklich Schuldigen an den Kragen zu gehen. Die, die gut verdienen, halten den Ball flach, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Denen ist es nämlich sch…egal, ob eine arme Sau nen 50er mehr bekommt.
Die Politik provoziert obendrein die Menschen mit steilen Thesen, die für einen miesen Lohn 8h buckeln und hetzen jeden gegen alle auf.
Das funktioniert prima in Deutschland.
Deshalb ist hier auch Hopfen und Malz verloren.
Davon abgesehen ist dieses Gerechne um die Sozialleistungen auch vollkommen oberflächlich. Wenn man Kinder hat, wird das Kindergeld nämlich noch abgezogen und da dies jeder Millionär bekommt, kann es wohl kaum zu den Sozialleistungen gezählt werden. Mit dem Unterhalt ist es ebenso und so kann es sein, dass man für ein Kind zwar gerechnet Anspruch hat, jedoch keine Leistungen bekommt.
melden
Kommentar von Johannes Schumann
Beides ist falsch: zu hohe Sozialleistungen als auch in die Zuwanderung in die Sozialsysteme. Wenn die einfachen Tätigkeiten nicht mehr gemacht werden können, weil die Leute ins Bürgergeld wechseln, dann ist das enorm schädlich für das Gesamtgefüge. Warum die Löhne zu niedrig bzw. das Wohnen so teuer ist, das Problem ist auch bei der Politik zu suchen, wobei ich die Löhne ja gar nicht so niedrig finde. "Picnic" wirbt mit 13,13 € pro Stunde, inkl. Mittag- und Abendessen, als Lagerarbeiter. Da muss man nicht viel können. Das sind 2100 € pro Monat. Da bleiben 1500 € übrig. Zugegeben, damit kann man keine großen Sprünge machen, aber es auch nicht nichts. Sicherlich ist es aber schon ein Problem, dass man bei dieser Gehalt schon über 100 € an Steuern abdrücken muss, während das Bürgergeld dieses Gehalt schon übersteigt. Ursache: gieriger Staat.
melden
Kommentar von Karl Kallisto
Die Frequenz der Antworten lässt darauf schließen, dass den Lesern der Atem stehen geblieben ist. So geht es jedenfalls mir.
Rot-grün-gelb kauft sich mit verantwortungslosen Maßnahmen Wählerstimmen. Die arbeitende Bevölkerung muss sich verhöhnt vorkommen. Das wird zu weiteren Konsequenzen bei der Arbeitsmoral führen.
Hinweis an den Autor: Ganz so einfach ist es nicht, dass man einfach mehr Geld für bestimmte Arbeiten bezahlt. Irgendwann - und wir sind mittendrin - verliert eine Volkswirtschaft ihre Konkurrenzfähigkeit.
melden
Kommentar von Palmström
Herr Palmer sollte eigentlich genug Geist haben um das Problem zu finden und Lösungen zu präsentieren. Was ja wohl dringend nötig ist. Zum Beispiel ab wann wir Lohn besteuert und wie steigt diese Steuer. Wieso braucht es 2.000 Angestellte in einer Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern? Darüber sollte er Nachdenken.
melden
Kommentar von Hans-Joachim Gille
Sarrazin war ja auch Sozi....