Die splitternden Geräusche der brechenden Tür lassen einen sofort erstarren

Der Schock saß tief: Hausdurchsuchung bei strahlendem Sonnenschein

von Alexander Wallasch (Kommentare: 18)

Eine Entschuldigung fiel ihm hörbar schwer. Mein Bruder sagte später, eigentlich sollte ich eine Anzeige aufgeben. Aber weswegen und gegen wen?© Quelle: privat

Wie fühlt es sich an, wenn man von einer Hausdurchsuchung von Beamten in Vollmontur überrascht wird, die mit dem Rammbock die Tür öffnen?

Ich hatte in der Nacht zu wenig geschlafen, bis um 2 Uhr noch Texte gelesen und bearbeitet. Aber die biologische Uhr klingelte in der Früh dennoch so schrill wie immer, ich saß also weit vor neun nach einem Katzenfrühstück im ersten Stockwerk des alten Hauses am Rechner.

Die frühe Frühlingssonne zauberte Schlieren aufs Fensterglas, gegenüber kontrastierten die dunkelgrünen Tannenspitzen mit dem hellblauen wolkenlosen Himmel. Ansonsten Stille. Wer aus der entfernten Nachbarschaft zur Arbeit muss, der war längst losgefahren. Der Weg in die Stadt ist weit, aber viele bleiben wohnen, weil die Mieten außerhalb immer noch billiger sind.

Ich bastelte gerade an ein paar Interviewfragen herum, als es aus heiterem Himmel hektisch wurde auf der Straße. Da mein Schreibtisch sehr tief ist, kann ich nicht so ohne weiteres aus dem Fenster schauen, sondern muss mich auf Zehenspitzen stellen und weit nach vorn herüberbeugen.

Was ich dann sah, nachdem ich aus Versehen erst einmal einen der Monitore umgeschmissen hatte, gab Anlass für eine unmittelbare tiefgreifende Beunruhigung: Vor meinem Haus fuhren in schnellem Tempo fünf oder sechs Mannschaftswagen der Polizei vor. Die Türen öffneten sich, schwarzgekleidete vermummte Polizisten verließen zügig die Fahrzeuge und stülpten sich beim Aussteigen noch ihre Einsatzhelme über die Sturmhauben. Es ging eindeutig in Richtung meines Hauseingangs, der erste Beamte in der Kolonne hatte eine dieser schweren dunklen Rammen in den Händen.

Ich muss wohl niemandem beschreiben, wie einem in so einem Moment zumute ist. „Mulmig“ ist nicht einmal annähernd eine passende Zustandsbeschreibung. Reflexartig schlüpfte ich in meine Adidas „Hamburg“, griff mir eine Jacke und ließ mich wieder in meinen Bürostuhl fallen, abwartend, was nun kommen würde. Später erzählte ich noch jemandem, ich hätte mir schnell noch aus dem Bad noch eine Zahnbürste geholt und in die Jacke gesteckt. Aber das war geflunkert.

Nach ein paar dumpfen Schlägen splitterte schon das Holz. Sollte ich mich gleich auf den Boden legen? Gott sei Dank war Frau mit dem Hund unterwegs und die Kinder nicht im Haus, ich hatte ja für den Moment genug mit mir selbst zu tun.

Ich wartete eine Minute und noch eine weitere. Aber es blieb still im Haus. Die seltsamste Stille, die man sich vorstellen kann. So, als zünde man einen Kanonenschlag an, werfe ihn schnell weg, aber der „Wumms“ will sich einfach nicht einstellen. Draußen auf der Straße waren weiter Stimmen zu hören nebst einem hektischen Hin-und- her-Gerenne.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich aus dem Bürostuhl hoch und ging zum Flurfenster, um gebückt ganz vorsichtig auf den Weg zum Hauseingang zu schauen. Ich würde nicht sagen, dass es Erleichterung war, die fühlt sich ganz anders an. Aber was ich sah, gab mir immerhin die Kraft zurück, erhobenen Hauptes einen Fuß vor den anderen zu setzen und die Treppe hinunter zur Tür zu gehen. Die war allerdings gar nicht kaputt, wie ich fest angenommen hatte.

Tatsächlich war die Tür des Nachbarhauses eingerammt worden. Auf dem kurzen Weg von der Straße zum Hauseingang nebenan herrschte jetzt ein reges schwer uniformiertes Treiben. Dazu muss man wissen, dass der Besitzer des Hauses nebenan schon länger plant, sein Haus von Grund auf zu renovieren und Teile abzureißen. Dort wohnt schon seit Jahren niemand mehr.

Als sich ein ausnahmsweise nicht in Kampfmontur daherkommender Beamter in einer Warnweste näherte, fragte ich, was denn hier los sei. Der Mann erschrak, denn ich hatte ihm die Frage mit einem gewissen Übermaß an Erregung entgegengeschleudert, im selben Moment überrascht, dass ich diese nicht herrunterregeln konnte.

Die Auflösung ist schnell erzählt: Der Hausbesitzer von nebenan kannte jemand, der jemanden kennt, und so wurde sein leerstehendes Haus für eine Einsatzübung angefragt.

„Ja ist es denn nicht möglich, vorher wenigstens Bescheid zu sagen??“, fuhr ich den Beamten an. Der sagte entschuldigend: „Wollte ich doch gerade machen.“ Aber wann wäre „gerade“ gewesen? Nach dem Übungseinsatz?

Zurück im Haus rief ich meinen Nachbarn an, dessen Telefonnummer ich hatte, falls etwas mit seinem Haus sein sollte. Und damit war gerade tatsächlich etwas passiert. Nein, ich rief ihn nicht an, ich schrie ihn an. Er schob aber sofort alles auf die Beamten, die ihm gegenüber fest zugesagt hätten, Bescheid zu sagen, damit sich die Nachbarn nicht wundern. „Aber warum hast Du mich nicht einfach gestern angerufen?“

Eine Entschuldigung fiel ihm hörbar schwer. Mein Bruder sagte später, eigentlich sollte ich eine Anzeige aufgeben. Aber weswegen und gegen wen?

Dass ich mich als unbescholtener Bürger erschrecke, wenn morgens fünf bis sechs Mannschaftswagen vorfahren, um im Rahmen einer Übung das leere Nachbarhaus zu stürmen, ist allein meine Sache und sicher kein Straftatbestand. Im Gegenteil, die Beamten trainieren ja, um Straftaten zu vereiteln. Und offensichtlich muss das wohl ab und an mitten im Wohnviertel sein, um es realistischer zu gestalten.

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare