Yücel verteidigt Chef des Deutschland-Kurier gegen Faeser

Deniz Yücel solidarisiert sich mit David Bendels – bis ihm die Puste ausgeht

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Journalisten unter Feuer© Quelle: Change.org/Screenshot, Grok Montage: Wallasch

Ein Jahr in Erdogans Haft: Jetzt feiert Deniz Yücel das Faeser-Meme und solidarisiert sich mit Deutschland-Kurier-Chef David Bendels – aber nur halbherzig und mit angezogener Handbremse.

Deniz Yücel wird in rechten und konservativen Kreisen immer wieder scharf kritisiert für frühere taz-Kommentare (2011/2012), die sich Deutschland und den Deutschen gegenüber abfällig äußerten und jemanden wie Thilo Sarrazin intensiv beleidigt hatten.

Deniz Yücel ist aber vor allem Berufskollege. Als Journalist ging er für seine Überzeugung durch die Hölle der türkischen Willkürjustiz: Von Februar 2017 bis Februar 2018 saß er wegen angeblicher Terrorpropaganda und Volksverhetzung im Hochsicherheitsgefängnis Silivri – unter besonders widrigen Umständen.

Wenige Tage nach seiner Festnahme telefonierte ich mit der Mutter von Deniz Yücel. „Was sollen wir machen? Wir sind alte Leute.“, erklärte mir Frau Yücel damals mit gefasster Stimme. Dann sollte noch einmal ein Jahr vergehen, bis Erdogan einen seiner schärfsten Kritiker endlich nach Hause fahren ließ. Nach Deutschland.

Bei Tichys Einblick schrieben wir damals empört und aus voller Überzeugung: „Für seine Freiheit einzutreten, ist uns selbstverständlich.“ Und wir hatten noch ergänzt:

„Nach einem Jahr darf der eine oder andere so etwas wie Scham empfinden, in der Zwischenzeit nicht mehr getan zu haben für einen Kollegen in Not. Das betrifft jeden einzelnen Journalisten, der weiter unbehelligt seiner Arbeit nachgehen kann, ohne dafür staatliche Repressionen befürchten zu müssen.“

Sieben Jahre später trifft es wieder einen deutschen Journalisten: David Bendels, Herausgeber und Chefredakteur des „Deutschland-Kurier“, wird zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte Nancy Faeser auf einem Foto mit dem Vorwurf versehen, sie hasse die Meinungsfreiheit. Zusätzlich muss er sich schriftlich bei ihr entschuldigen.

Deniz Yücel hat sich jetzt via X in einem mehrteiligen Tweet zum Fall Bendels geäußert:

„7 Monate Haft auf Bewährung für dieses Meme. „Ein Urteil wie aus einer Diktatur“, kommentiert Andreas Rosenfelder in der Welt. Wenn sich Nancy Faeser davon nicht distanziere, „muss man fast vermuten, dass sie die Meinungsfreiheit tatsächlich hasst“. Exakt.

Auch interessant am Urteil des Amtsgerichts Bamberg: Der Angeklagte David Bendels muss sich bei der Innenministerin (@BMI_Bund) schriftlich entschuldigen. Klingt nicht nur nach Diktatur, sondern nach Operettendiktatur à la Turkmenistan. Oder ist sowas üblich in Bambergistan?

Keine Rolle spielt übrigens, dass dieses Urteil wegen §188 (Politikerbeleidigung) den Chefredakteur einer AfD-nahen Publikation trifft – mithin einer Partei, die, wenn sie könnte, ihre Gegner nach russischem Vorbild abfertigen würde. Die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit gilt oder sie gilt nicht. Sie ist unteilbar. §188 gehört abgeschafft.

Und, Frau Faeser, da Sie offenbar persönlich Strafanzeige erstattet haben, werden Sie sicher entschuldigen: Aber dieses Monster-Meme, diesen Giga-Gag, dieses Meisterwerk des feingeistigen Humors muss man jetzt weiterverbreiten. (Das Logo dieser Leute aber nicht, logo).“

Das ist mehr, als viele andere Kollegen zu liefern bereit sind. Das verdient zunächst einmal allen Respekt. Und verdient auch Kritik, wo Yücel ausgerechnet seine Solidaritätsadresse dafür nutzt, in diesem Kontext die AfD als potenziell diktatorisch darzustellen und Bendels Publikation zu diffamieren.

Klar, den „Deutschland-Kurier“ kann man kritisieren – wer dort nicht schreibt, hat seine Gründe. Doch eine Solidaritätsadresse bleibt eine Solidaritätsadresse. Sie mit einem reflexartigen Bashing zu rechtfertigen, ist der falsche Zeitpunkt – vor allem als Abbitte gegenüber linken Kollegen.

Was bleibt, ist ein umstrittener deutsch-türkischer Autor aus Flörsheim am Main, der hier Solidarität beweist. Gut gemacht – dafür schuldet ihm der Journalismus Dank.

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