„In der geltenden Rechtsordnung kann es kein präventives Medienverbot geben“

Das sagt Staatsrechtler Ulrich Vosgerau – Er ist der Joker im Compact-Anwaltsteam

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Es steht im Grundgesetz: „Eine Zensur findet nicht statt.“© Quelle: Ulrich Vosgerau

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Compact-Verbot kassiert. Staatsrechtler Prof. Ulrich Vosgerau ist Teil des Anwaltsteams von Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer. Hier exklusiv seine Stellungnahme zur Verbotsaufhebung.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Compact-Verbot?

Durchaus ambivalent. Das ist ein wichtiger, wenn auch nur vorläufiger Sieg für das Compact Magazin. Aber es ist leider noch kein Sieg für das Grundgesetz, den der müsste anders aussehen. Ich kann das mal erklären: Wir hatten noch gestern Abend um 18 Uhr eine Konferenz des Anwaltsteams, das von Ralf Ludwig angeleitet, kuratiert wird. Und da bin ich ein wenig als die Stimme des Optimismus hervorgetreten. Ich habe gesagt, ich gehe eigentlich davon aus, dass wir morgen gewinnen. Ich kann mir etwas anderes nicht vorstellen.

Wenn es jetzt so gewesen wäre, dass das Bundesverwaltungsgericht den Antrag zum einstweiligen Rechtsschutz abgewiesen hätte, dann hätte ich in den Startlöchern gestanden, um eben gleich zum Bundesverfassungsgericht zu gehen und dort abermals einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Und dieser Antrag wäre relativ kurz gewesen. Da hätten gar nicht die vielen Details eine Rolle gespielt, die jetzt durchaus schon behandelt oder jedenfalls angerissen worden sind im einstweiligen Rechtschutzverfahren.

Etwa diese Geschichte um den Hausmeister, und ob das überhaupt der Hausmeister war und dieser ganze Quatsch. Sondern vor dem Bundesverfassungsgericht wäre es hypothetisch nur darum gegangen, dass es in der geltenden Rechtsordnung und im Grundgesetz kein präventives Medienverbot geben kann.

Das kann man sich ganz einfach vor Augen halten. Es steht im Grundgesetz: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Das heißt, der Staat darf niemals zu einem Medium sagen, liefert uns mal irgendwelche Artikel vorher ab, und wir gucken dann mal, ob die gedruckt werden dürfen.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, das die Compact-Beiträge, „in weiten Teilen nicht zu beanstanden sind“. Offensichtlich fand ja da doch eine Beurteilung der Beiträge statt ...

Das ist richtig. Da findet schon eine Beurteilung der Beiträge statt. Ich will es mal anders eintüten: Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt im Ergebnis dem einstweiligen Rechtsschutzantrag im Wesentlichen und in der Hauptsache Recht gegeben. Allerdings anders, als ich es vorhergesehen hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht scheint allen Ernstes zu sagen – und das wundert mich umso mehr, dass man eine solche Aussage schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren trifft -, dass das Verbot einer GmbH über das Vereinsgesetz grundsätzlich selbst dann wohl in Frage kommt – selbst dann wohl grundsätzlich in Ordnung sein soll – wenn diese GmbH ein Medium herausgibt. Das würde ich nach wie vor in Abrede stellen.

Zu unserer großen Überraschung scheint das Bundesverwaltungsgericht das hier nicht für ein großes Problem zu halten. Es macht dann aber weiter und zweifelt zwei Dinge an:

Es bezweifelt nachhaltig, dass die Compact GmbH ein Verein im Sinne des Paragraphen 2 Absatz 1 Vereinsgesetz sei – das kann man auch anzweifeln.

Und weiter bezweifelt es, ob denn diese ganzen Indizien und diese ganzen Anklagepunkte, die der Verfassungsschutz sich da zusammengeläppert hat, ob die im Gesamtbild überhaupt im Entferntesten reichen, damit man auch nur in die Nähe eines Vereinsverbotes kommt.

Das ist, wie gesagt, verwunderlich. Und auf diese beiden weiteren Erwägungen wäre es ja nicht angekommen, wenn man, wie ich mir das vorgestellt habe, gleich gesagt hätte, es gibt schlechterdings unter dem Grundgesetz kein präventives Verbot eines Mediums.

Wenn man ein solches Verbot haben wollte, dann müsste der Landesgesetzgeber, der dafür zuständig ist – nicht der Bundesgesetzgeber –, der Landesgesetzgeber müsste für die Länder dann ein Medienverbotsgesetz schaffen. Und dieses müsste der Wesentlichkeitstheorie genügen. Das heißt, der parlamentarische Gesetzgeber müsste die grundrechtswesentlichen Entscheidungen alle selber regeln: Aber das gibt es eben nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat uns im Wesentlichen Recht gegeben, aber auf einem völlig anderen Weg, als ich vorhergesehen habe. Und deswegen machen wir jetzt weiter. Es wird zu einem Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen.

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Das klingt jetzt ein bisschen so, als wenn das Bundesverwaltungsgericht da möglicherweise auch eine Mogelpackung hingelegt hat ...

Darüber will ich jetzt nicht spekulieren. Es wird eine Hauptverhandlung geben, und da werden wir mal sehen, was herauskommt. Also, wir haben gewonnen, aber es ist ein ambivalenter Sieg. Und wie gesagt, das ist ein wichtiger Sieg von Compact. Es ist aber noch kein Sieg des Grundgesetzes, denn der hätte meines Erachtens anders aussehen müssen.

Im Zentrum dieser Klage steht Jürgen Elsässer. Inwieweit muss er jetzt aufpassen, dass er in der vorübergehend wiedergewonnenen unternehmerischen Beweglichkeit weitere Vorwände liefert, die dann ggf. noch verwendbar werden für die Hauptverhandlung? Könnte Elsässer jetzt versehentlich liefern, was der Gegenseite bisher noch fehlt?

Da will ich nicht drüber spekulieren, das weiß ich nicht. Das ist jetzt erst mal herausgekommen, dass bis zur Klärung der Hauptsache Compact nicht als verboten behandelt werden darf.

Die üblicherweise aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, einer Klage, die jeder verwaltungsrechtliche Rechtsbehelf grundsätzlich hat, wurde hier vom Bundesverwaltungsgericht angeordnet, nachdem die Bundesinnenministerin das Unübliche, den unmittelbaren Vollzug angeordnet hatte.

Dass hier der unmittelbare Vollzug angeordnet worden ist, war auch deswegen ein Skandal, weil schon auf die Anhörung verzichtet worden war. Das heißt, es wird einerseits auf die Anhörung verzichtet, andererseits wird die sofortige Vollziehung angeordnet.

Da wurde also wirklich die Seite des Mediums total entrechtet. Und deswegen war es auch so wichtig und konnte auch gar nicht anders sein, als dass das Bundesverwaltungsgericht erst einmal einschreitet.

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