Alte Seilschaften aus BILD-Zeiten

Das große Outing: So tief steckt Julian Reichelt im CDU-Sumpf

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

„Darf ich da noch hingehen?“© Quelle: X/@jreichelt, CDU.de, Screenshot, Montage: Wallasch

Als die CDU Reichelt für sein Beleidigtsein über Merz verstoßen will, legt Reichelt offen, wie eng seine Verbindungen tatsächlich sind: Massenhaft Vorträge, Sommerfeste und Telefonkontakte. Wer ist Julian Reichelt?

Darf man Julian Reichelts Nähe zur CDU und zu Merz noch kritisieren, insbesondere jene vor und während des Wahlkampfs? Wer das macht, muss jedenfalls mit dem Stockholm-Syndrom seiner Fans rechnen. Der Ex-Chef der Bildzeitung macht es einem aber auch nicht leicht: Seine Selbstpositionierung als Leithengst der Neuen Medien ist beindruckend stabil.

Stockholm-Syndrom deshalb, weil das, was Reichelt da auf unterschiedlichen Kanälen bei „Nius“ macht, eine attraktive Form von Journalismus ist. Das schauen viele gern und möchten es auch weiter schauen. Der Trick besteht bei Reichelt darin, immer wieder mitzunehmen und zu suggerieren man protestiere als geeinte Gruppe heraus gemeinsam gegen das Unrecht der Anderen. Final betrügt aber nicht Reichelt seine Follower, sondern die Follower sich selbst mit unkritischem Folgen. „Nius“ verspricht, was die Leser der Neuen Medien bisher nicht kannten, nämlich Teil einer Mehrheit zu sein. Und "Nius" schreibt es auch so: „Stimme der Mehrheit“. Da will man zugehörig sein und ist bereit, auch mal wegzuschauen.

Wegschauen dort, wo die CDU-Nähe von Reichelt und „Nius“ wieder besonders auffällig wurde. Reichelt ging sogar so weit, die AfD im Wahlkampf auf eine Weise zu diffamieren und auszugrenzen, wie es die Mainstream-Medien nicht besser machen können. Legendär seine vulgären Ausfälle etwa gegen Björn Höcke.

Das ist dann sportlich, wenn das eigene Publikum überwiegend blau gefärbt ist, die Proteste waren entsprechend groß. Zur Beruhigung lud Reichelt dann Alice Weidel ins Studio ein, um sich anschließend gleich wieder dem Wahlkampf für Merz zu widmen. Mit im Boot hier seine alte Springer-Crew von Poschardt bis Röpke via Bande.

Über allem schwebt der Besitzer und Finanzier von Nius, ein CDU-naher Großunternehmer mit dickem Geldbeutel. Aber so richtig bekennen wollten sich die Herren vor ihrem überwiegend blaugefärbtem Publikum nicht.

Um so überraschender jetzt ein Outing von Julian Reichelt als unverbesserlicher Christdemokrat. Reichelt wurde Online von einem CDU-Mitglied ausgegrenzt, der schrieb, man gehe als Christdemokrat nicht zu „Nius“. Punkt. Was jedem anderen bei den Neuen Medien als Auszeichnung dient, passte Reichelt gar nicht.

Julian Reichelt ließ sich in der Folge zu folgender Antwort hinreißen:

„Frage: Ich habe fürs erste Halbjahr 2025 insgesamt noch sieben Einladungen für Vorträge, die ich bei der CDU und JU halten soll, überall im Land. Dazu diverse Einladungen zu Sommerfeste etc. Darf ich da noch hingehen oder muss ich mich canceln, um die Christdemokraten vor sich selbst schützen? Und soll ich noch auf die SMS von CDUlern antworten, die mich anflehen, weiter hart den Schulden-Wortbruch von Friedrich Merz zu kritisieren, damit das Schlimmste vielleicht doch noch verhindert wird?“

Alle Vorwürfe an Reichelt und Nius sind jetzt wahr! Und die aktuelle Nius-Enttäuschung über Merz hin oder her: Umfassender kann man nicht klarstellen, auf welcher Seite man steht! Es ist wie bei einem Rosenkrieg, wo der beleidigte Partner im Affekt öffentlich schmutzige Wäsche wäscht.

Man muss sich wirklich die Frage stellen: War Reichelt irgendwann in der letzten Zeit auch mal privat unterwegs oder nur noch im Namen der CDU? Sieben EInladungen zu Vorträgen allein im ersten Halbjahr 2025 bei der CDU oder der Jungen Union. Diverse CDU-Sommerfeste. Treffen zur Pizza sind hier noch gar nicht aufgezählt. Wie viele Geheimtreffen waren es insgesamt, weiß Correctiv vielleicht schon mehr?

Zusätzlich prahlt Reichelt noch damit, dass er ständig von CDUlern angerufen wird bzw. SMS bekommt, die ihn für so etwas wie ihren Heiland halten und als das erkennen, was er ist: Eine einflussreiche Mediengröße für die CDU. Reichelt soll auf Merz einwirken. Er soll das Schlimmste noch verhindern.

Dabei hat Reichelt zunächst einmal das Schlimmste möglich gemacht! Alles, gegen das Reichelt jetzt vermeintlich ins Feld zieht, hat er mit seiner Entourage mit beworben. „Nius“ hat gemeinsam mit Springer die Propaganda-Arbeit für Friedrich Merz und die CDU gemacht. Und zwar genau in dem besonders umkämpften Feld, wo die Wechselwähler zwischen CDU und AfD zu Hause sind. Und er hat es in alter Tradition gemacht, so wie Reichelt ab 2015 für Angela Merkel die Welcome-Refugees-Kampagne ins Leben gerufen hat.

Reichelt und Co schaffen vollendete Tatsachen gegen die sie sich anschließend alibimäßig zur Wehr setzen. Das war bei der illegalen Massenzuwanderung so, das war bei den Corona-Maßnahmen und der Impfung so, das war beim Ukrainekrieg so (Reichelts Spezi Poschardt ist Träger des ukrainischen Verdienstordens für Propaganda!) und das war jetzt im Wahlkampf für Merz erneut so. Eine Tradition des politischen Journalismus.

Besonders perfide erscheinen hier eine Reihe von Alibi-Artikel. Denn wie schon bei den meisten Springer-Publikationen, so auch bei „Nius“: Immer wird sich noch ein kritischer Artikel finden, den man als Beweis gegen die These der Parteilichkeit zeihen kann. Aber in Summe ist es doch ein geringster Teil. Dieses System hat Springer perfektioniert und Reichelt mit zu „Nius“ überführt: Sie sind parteiisch, aber sie sind im gleichen Maße Profi genug, diese Parteilichkeit zu verbergen.

Man kann nur mutmaßen warum. Möglicherweise empfindet Reichelt sich selbst mittlerweile als einen Unantastbaren. Jedenfalls hat Julian Reichelt in einem bemerkenswerten Post die Karten offengelegt. Die Verstrickungen mit der CDU gehen bis ins Private, die Verbindungen sind offenbar mannigfaltig, Reichelt ist CDU, so wie es sein Finanzier ist, der Premiumpartner von Reichelt ist die CDU.

Und wieder läuft Reichelt um Jahre hinterher. Denn sein „Protest“ gegen den Nachwahl-Merz entspricht auf besondere Weise dem der Werteunion von vor ein paar Jahren. Reichelt opponiert gegen seine heimlichen Herren und beschwert sich jetzt, dass er von der CDU ausgegrenzt wird.

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Aber nochmal zurück zum Stockholm-Syndrom der Reichelt-Fans, nach dem Motto, der sei doch aber oft auch kritisch gegenüber der CDU. Wirklich? Hier vermischt sich nämlich bereits der enttäuschte Nachwahl-Reichelt mit dem von vor den Wahlen.

Aufschlussreich hier ein Artikel der taz vom Dezember 2018. Der Artikel macht deutlich, dass schon damals die CDU-Freunde Reichelt und Schuler (ebenfalls zu „Nius“ gewechselt) die Merz-Parteichef-Kampagne bei Springer mit organisiert haben.

Die „taz“ schrieb damals: Es ist kein Geheimnis, dass sich Julian Reichelt und Jens Spahn seit vielen Jahren duzen und einander schätzen. Spahns Sprecher im Gesundheitsministerium ist der frühere Bild-Redakteur Hanno Kautz. Die Haltung von Reichelt zur Corona-Politik von Kumpel Spahn ist bekannt.

Kanzler Schröder hatte einmal gesagt, zum Regieren brauche er „Bild, BamS und Glotze“. Offenbar hat Julian Reichelt diesen Satz verinnerlicht und angenommen, dass könne zukünftig auch für „Nius“ und Merz gelten.

Aber zurück in die nähere Gegenwart: Julian Reichelt ging sogar so weit, vor der Wahl zu suggerieren, es bestände eine Möglichkeit, dass die Brandmauer fallen könne. Und noch einen Monat vor der Wahl schwärmte „Nius“ vom „knallharten“ 5-Punkte-Plan für die Migrations-Wende von Merz.

Merz überall bei „Nius“: „Kanzler Scholz geht unter - Herausforderer Merz sehr souverän“.

Wenige Tage später dann das große Dankeschön an Friedrich Merz samt Ode an den Kanzlerkandidaten und Daumen-hoch-Porträt: „Danke Friedrich Merz!“. Dazu schreibt „Nius“:

„In der vergangenen Woche haben Friedrich Merz und die Union nichts weniger als eine politische Zeitenwende eingeleitet.“

Nius-Autor Ben Brechtken endet mit den Worten:

„Alleine dafür möchte ich schreiben: Danke, Friedrich Merz!“

Was aber Reichelt, Poschardt, Ronzheimer und die Springer-Clique weiter eng mit Merz zusammenschweißt, das ist das gemeinsame Projekt „Ukraine“.

Am 19. März 2022 hatte Julian Reichelt schon einmal einen seiner Outing-Momente, wo er die Hosen runterließ und sein wahres Gesicht präsentierte. Damals verstieg sich Reichelt zu der Annahme, es bestehe die Gefahr, dass Putin Sarin-Gas über die polnische Bevölkerung von Auschwitz versprühen könne:

„In Deutschland will man es noch nicht wahrhaben, aber die Ukraine kann diesen Krieg - auch mit Waffenlieferungen - nicht allein gewinnen. Unsere Regierung wird bald entscheiden müssen: Militärische Intervention oder einem Völkermord zusehen. Und mit "zusehen" ist gemeint, dass NATO Soldaten in Polen das Morden auf der anderen Seite der Grenze mit eigenen Augen sehen werden, bis hin zu der Möglichkeit, dass nur wenige Kilometer von Auschwitz entfernt Giftgas wie Sarin gegen die ukrainische Bevölkerung eingesetzt werden wird. ... Es ist historisch gewissenlos, nicht schon jetzt jegliche Überweisungen an das Putin-Regime sofort einzustellen und strategisch über militärische Optionen nachzudenken.“

Die alten Seilschaften aus Zeiten der „Bild“ brechen nicht einfach weg. Das gilt in besonderem Maße für Julian Reichelt und seine Anbindung an den CDU-Milliardär. Hier gelten noch die alten Gesetze der Bonner Republik: Hier die SPD, dort die CDU. Diesen beiden Kontrahenten jeweils zugeordnet sind entsprechende Medienhäuser und Printerzeugnisse.

Das ist der Traum von einer heilen Welt bei Julian Reichelt. Und aus einem dieser Lager – oder Luftschlösser – fühlt sich Reichelt jetzt verstoßen und genötigt, noch einmal aufzählen, dass er doch ein treuer Heinrich der CDU ist:

„Ich habe fürs erste Halbjahr 2025 insgesamt noch sieben Einladungen für Vorträge, die ich bei der CDU und JU halten soll, überall im Land. Dazu diverse Einladungen zu Sommerfeste etc.“ und viele „SMS von CDUlern“.

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