„Warum ist es für die glorreichen Verteidiger der Meinungs- und Pressefreiheit so wichtig zu erwähnen, dass man den Verleger Jürgen Elsässer als Typ und seine Compact-Produkte persönlich überhaupt nicht schätzt?“
Mir war nämlich aufgefallen, dass, ganz gleich, wer sich gegen Nancy Faesers Verbot von Compact in Stellung brachte, immer automatisch auch bemüht war, zu erwähnen, dass er selbst natürlich rein gar nichts von Compact und seinem Verleger hält.
Mein Argumentation dagegen:
„Die Freiheit lässt sich niemals verteidigen, wenn man mit einer Distanzierung beginnt.“
Und ich schrieb explizit, dass in der aktuellen Situation „niemand auch nur ein Sterbenswörtchen von mir erfahren wird, wie ich zu Elsässer und seinen Produkten stehe“.
Der Grund ist ganz einfach: Jede kritische Bemerkung – so man Kritik an Compact/Elsässer übt – stände automatisch unter Verdacht, nur geäußert worden zu sein, um sich ein Alibi zu verschaffen, sich überhaupt gegen das Verbot zu stellen.
Ich schrieb:
„Alles andere kooperiert zwangsläufig mit der Verbotsverfügung, mit Nancy Faeser.“
Anwalt Ralf Ludwig – ein durchaus mutiger, verdienter Corona-Maßnahmen- und Impfkritiker und heute einer der Verteidiger von Jürgen Elsässer – sah das alles ganz anders und eröffnete eine Debatte auf Telegram, die ich im Folgenden ungekürzt abbilde.
Aber zuvor alles Gute zum Geburtstag an Ralf Ludwig, der heute 52 Jahre alt wird.
Ludwig schreibt also:
Hier muss ich entschieden widersprechen – Alexander Wallasch ist der Auffassung, es sei jetzt "der falscheste Zeitpunkt, eine Verteidigung der Pressefreiheit mit der Schutzbehauptung zu verbinden, man sei definitiv kein Freund von Elsässer und seinen Produkten".
Das Gegenteil ist aus meiner Sicht der Fall. Die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit beginnen überhaupt erst an dem Punkt, an dem wir uns als Gesellschaft dafür einsetzen, dass sie auch selbstverständlich da wirken, wo wir die geäußerten Inhalte ablehnen oder sogar argumentativ auf das Schärfste bekämpfen.
Gerade diejenigen, die Compact und seine Inhalte als fragwürdig, geschmacklos, verabscheuenswürdig, rückwärtsgewandt, verschwörungstheoretisch oder was auch immer ansehen, sind jetzt gefordert, alles dafür zu tun, dass die Auseinandersetzungen über diese Positionen in einer politischen Arena stattfinden.
Pressefreiheit kämpft nicht für die Inhalte von Compact, sondern für das Recht sie äußern zu dürfen. Für das Recht in einer zensurfreien Gesellschaft zu leben.
Ich brauche keine Frau Faeser und keinen Herrn Haldenwang, um mir meine Meinung zu bilden. Ich kann selbst entscheiden, ob und wie ich zu den Inhalten stehe.
Mich muss niemand vor irgendwelchen Meinungen schützen. Aber - lieber Alexander Wallasch - ich kann und darf mich umgekehrt für das Äußerungsrecht einsetzen, auch wenn ich die Äußerungen rundweg ablehne. Das nenne ich Freiheit.
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Danke an Ralf Ludwig. Aber dazu stellen sich mir mehrere Fragen:
Warum soll überhaupt jemand die persönliche Haltung eines Anwalts oder eines Journalisten erfahren, der sich gegen die Verbotsentscheidung von Frau Faeser richtet?
Ich halte diese Meinungen schlicht für irrrelevant, wenn die Frage nach einer Rechtmäßigkeit des Verbots verhandelt wird. Aber noch viel wichtiger: Wie soll man hinreichend ausschließen, dass eine mit der Verteidigung der Pressefreiheit einhergehende Distanzierung von Compact und Elsässer – und es machen fast alle, die damit befasst sind – nicht als vorauseilende Abbitte, als Greenwashing verstanden wird?
50 Jahre zurück: Viele kritische Anwälte, welche die RAF oder ihre Vorläufer verteidigt haben, hatten ein massives Problem: Ihnen wurde vom Staat immer wieder eine zu große Nähe zu ihren damaligen Mandanten unterstellt. Und zu Recht! Anwalt Mahler etwa gehörte sogar zum Gründungspersonal der RAF.
Wenn es dergleichen bei ihnen gab, dann hatten die kritischen Anwälte spätestens hier ihre Unschuld verloren. Die Frage ist nur, ob die Antwort darin bestehen kann, sich pro forma von der Haltung der Mandanten und von ihren Produkten zu distanzieren und die persönliche Haltung hier ins Spiel zu bringen, die aber grundsätzlich niemanden interessiert. Und im Verfahren auch niemanden zu interessieren hat.
Im Idealfalle verbirgt der Jurist nämlich seine eigene Sicht der Dinge und kümmert sich ausschließlich um seine Verteidigungsaufgaben. Um was auch sonst? Denn wenn er sich inhaltlich distanziert, dann müsste er von Fall zu Fall auch inhaltlich explizit zustimmen. Aber so etwas findet nicht statt! Ausschließlich in der Distanzierung. Und das nennt man Greenwashing.
Und dieses Greenwashing kooperiert zwangsläufig mit der Verbotsverfügung von Nancy Faeser. Journalisten und Anwälte sollten auf solche persönlichen Stellungen verzichten und einfach ihre Arbeit machen. NACH einem Prozess/ einer Entscheidung bleibt genug Zeit, Stellung zu beziehen. Wenn man unbedingt der Meinung ist, dass die Welt an der eigenen Meinung so ein gesteigertes Interesse hat.
Ralf Ludwig hat jetzt einen weiteren Beitrag zur Debatte via Telegramm veröffentlicht:
Ein Verlegerverband äußert sich zum vorläufigen COMPACT-Verbot:
Der Verband der Zeitschriftenverleger (MVFP) rügt das Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“. Für dessen Inhalte hege man keine Sympathien, doch das Verbot über das Vereinsgesetz sei „rechtlich zweifelhaft“.
Der Journalist Alexander Wallasch kritisiert hier die regelmäßigen Disclaimer und fragt, warum sich Medienvertreter und Anwälte zunächst distanzieren, um dann die staatlichen Maßnahmen zu kritisieren.
Aus Sicht von Wallasch zeigt diese rituelle Distanzierung möglicherweise bereits ein tiefergehendes Demokratiedefizit oder ein mangelndes Demokratieselbstbewusstsein des Äußernden auf.
Denn wer demokratische und rechtsstaatliche Freiheitswerte in sich trägt, braucht sich nicht der intoleranten und inhumanen Zustimmung der Mehrheitsgesellschaft zu vergewissern, um die zivilisatorisch fortgeschrittenste Position als Selbstverständlichkeit zu äußern.
Die Würde des Menschen ist unantastbar besagt das Grundgesetz an erster Stelle. Das Grundgesetz enthält auch keinen Disclaimer. Warum? Weil es selbstverständlich für alle gilt.
In diesem Sinne bin auch ich hier in meine eigene Denkfalle gelaufen.
Selbstverständlichkeiten heißen so, weil sie aus sich heraus selbst verständlich sind.
Wer die Freiheit achtet, sollte über die Freiheit sprechen und nicht begründen müssen oder wollen, warum er sie verteidigt.
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Kommentar von Karl Georg Lempenheimer
@ .TS.
Ganz recht. Wer Meinungen verbietet, der weiß, dass er selber nicht überzeugen kann.
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Kommentar von .TS.
@Karl Georg Lempenheimer: Wer Pressefreiheit unterdrücken will weiß im Grunde daß es die schwächeren Argumente hat und die Wahrheit gegen es spricht.
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Kommentar von Karl Georg Lempenheimer
@Kommentar von Stefan Wietzke
Nein, es ist nicht „wertlos“. Gesagt ist nicht dasselbe wie nicht gesagt. Es kommt nicht darauf an, dass man die abgefahrenen Unüberzeugbaren überzeugt, sondern auf die Dritten, die entweder nur eine (falsche) oder beide Aussagen kennen.
Parallele: Warum will Faeser die Pressefreiheit torpedieren? Weil sie nur ihre Aussage stehen lassen will und die zweite unterdrücken.
Die verallgemeinerte Empfehlung, zu schweigen, hat an sich schon etwas Merkwürdiges, wenn es gerade um die Freiheit von Äußerungen geht.
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Kommentar von Eddy Nova
Interessanter zweiteiliger Artikel - zu 95 % Zustimmung für WALLASCH.de ...minus 5 % weil die RA Distanzierung immer auch strategischer Coleur sein könnte.
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Kommentar von .TS.
Wahrlich ein schöner Schlusssatz:
"Wer die Freiheit achtet, sollte über die Freiheit sprechen und nicht begründen müssen oder wollen, warum er sie verteidigt."
Ganz im Gegenteil zur verbreiteten Denk, denn für die gilt:Wer sich Distanziert verliert, denn er hat sich damit schon selbst willig der perfiden Logik des Widersachers unterworfen.
Und nun fragt sich ob Ludewig nicht eigentlich akut Wichtigeres zu tun hat...?
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Kommentar von Dr. Florian Knopf
Herr Wallasch, Sie sind ein Ehrenmann! Und Herr Ludwig, der erkannt hat mit ritueller Distanzierung in eine Falle gelaufen zu sein auch!
Ich lache die Leute immer an, die mit ritueller Distanzierung anfangen und sage, "Du must mir nicht erklären, dass Du gegen Mord und Totschlag bist, davon gehe ich aus".
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Kommentar von Palmström
Beginnt es mit einer Distanzierung ist es Ausdruck von Unterwerfung. Es ist Zensur durch ein willkürliches Verbot ohne Gesetzliche Grundlage. Der ordentliche Rechtsweg wurde nicht genommen. Gefahr im Verzug bestand nicht, die Anzeige für den Bundesanzeiger war 5 Wochen for der Veröffentlichung geschrieben.
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Kommentar von Stefan Wietzke
@ Karl Georg Lempenheimer
"Sie sind ein Teil der Realität, die unberücksichtigt zu lassen, ob des geringen Aufwands der Distanzierung ein leicht vermeidbarer Fehler wäre."
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Alles was nach einer Distanzierung kommt ist völlig wertlos, den man hat sich damit auf das Narrativ des Gegners bereits vollständig und unrettbar eingelassen.
"Aber diese unredlichen Kleingeister, die keine zwei unterschiedlichen Gedanken über jemanden zusammenbringen, gibt es nun mal, die oft auch in großen Medien sitzen. "
Das ist zwar so, nur sind die eh völlig irrelevant. Bekloppten kann man nicht erklären das sie bekloppt sind. Und Appeasement ist immer die Vorstufe zur bedingungslosen Kapitulation.
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Kommentar von Felix Diller
Der Philosoph und Publizist Michael Andrick spricht von einem Moralgefängnis, in das man sich durch diese Abgrenzungsrituale begibt.
Jede Sachdiskussion wird dadurch im Keim erstickt. Ganz im Sinne der Moralapostel, die nämlich selbst keine inhaltlichen Beiträge zum strittigen Thema beisteuern können oder wollen.
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Kommentar von andreas h
Wie wäre es denn mit dem Disclaimer 'Es ist mir völlig Wurscht, was er sagt.' ?
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Kommentar von Klaus Drehmann
Die Unverzichtbarkeit der Pressefreiheit und die gefährliche Entscheidung von Nancy Faeser
Wenn eine Ministerin ohne rechtskräftiges Urteil eine Maßnahme vollziehen lässt, kann von Gewaltenteilung keine Rede mehr sein. Die Gewaltenteilung ist ein fundamentales Prinzip des demokratischen Rechtsstaats, das sicherstellt, dass legislative, exekutive und judikative Gewalt unabhängig voneinander agieren. Indem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) das "Compact"-Magazin als rechtsextremistisch einstuft und entsprechende Maßnahmen einleitet, ohne dass ein Gericht diese Einstufung bestätigt hat, wird dieses Prinzip untergraben. Dies stellt eine bedenkliche Vermischung der Gewalten dar und gefährdet die Rechtsstaatlichkeit.
Ein besonderes Problem bei der Entscheidung von Faeser liegt in der Umkehr der Beweislast. In einem demokratischen Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung. Das bedeutet, dass jeder als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist. Diese grundlegende Rechtsnorm wird durch das Vorgehen gegen das "Compact"-Magazin untergraben. Anstatt dass das BfV die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahmen umfassend beweisen muss, wird der betroffenen Publikation die Bürde auferlegt, ihre Unschuld zu beweisen. Dies stellt eine inakzeptable Umkehr der Beweislast dar, die den Prinzipien eines fairen Verfahrens widerspricht.
Darüber hinaus trägt die Innenministerin, die solche Maßnahmen anordnet, keinerlei persönliches Risiko. Nancy Faeser muss sich nicht den finanziellen und rechtlichen Konsequenzen stellen, die das "Compact"-Magazin nun zu tragen hat. Diese Asymmetrie ist problematisch, da sie staatlichen Akteuren ermöglicht, drastische Maßnahmen zu ergreifen, ohne selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dies kann zu einem Missbrauch von Macht führen und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat erschüttern.
Diese Maßnahmen erscheinen als Ausdruck eines blinden Gehorsams gegenüber einer politischen Agenda, die weniger auf den Schutz der Demokratie als auf die Unterdrückung unliebsamer Meinungen abzielt. Wenn Entscheidungen auf Basis von Loyalität und nicht von Rechtsstaatlichkeit getroffen werden, erfährt die Demokratie eine neue Definition, die gefährlich nahe an autoritäre Strukturen heranrückt.
Es erscheint fragwürdig, ob eine Zeitung mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren tatsächlich eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellen kann. Selbst wenn die Inhalte extremistisch sind, sollte der demokratische Rechtsstaat stark genug sein, um solche Meinungen im öffentlichen Diskurs zu widerlegen, anstatt sie zu verbieten. Der beste Weg, extremistischen Ideologien entgegenzutreten, ist durch Aufklärung, öffentliche Debatten und die Förderung von Toleranz und Vielfalt.
Die Entscheidungen der Vergangenheit zeigen, wie gefährlich es ist, wenn der Staat die Pressefreiheit einschränkt. Die Abdrift in eine faschistische Diktatur ist deutlich spürbar. Dies war 1934 der Fall, und ebenso 1988 mit dem Verbot der Zeitung "Sputnik" in der DDR. Es scheint, als ob sich alles wiederholen würde.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Schutz der Pressefreiheit als fundamentales demokratisches Prinzip oberste Priorität haben muss. Die Entscheidung von Nancy Faeser, das "Compact"-Magazin zu verbieten, wirft ernsthafte Fragen über die Einhaltung dieses Prinzips auf und könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Ich fordere daher eine sorgfältige Überprüfung dieser Maßnahme und eine Rückbesinnung auf die unverzichtbaren Werte unserer demokratischen Gesellschaft. Die Meinungsfreiheit und der offene Diskurs sind unsere stärksten Waffen gegen Extremismus und Intoleranz.
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Kommentar von Karl Georg Lempenheimer
Ich sehe Herrn Ralf Ludwigs Standpunkte als gut begründet an, zumal A.Wallasch letztlich Äußerungen (besagte Distanzierungen) anderer Leute am liebsten weg haben möchte und dafür heute einen zweiten Anlauf macht.
Selbstverständlich darf Wallasch für sich entscheiden, keine Meinung zu den Inhalten Compacts zu äußern. Aber das war's dann auch.
Nur meine ich an dieser Stelle allerdings, dass Wallasch seine Überlegungen zu kurz macht. Schließlich geht alles Geschriebene in die Öffentlichkeit mit unter anderem unglaublich vielen Kleingeistern, die nur darauf warten, Stricke zu drehen, falls man sich nicht von etwas distanziert – zuweilen sogar, wenn man sich distanziert hat.
Es sollte eigentlich nicht nötig sein, die Leier von Distanzierung vorneweg zu bringen. Aber diese unredlichen Kleingeister, die keine zwei unterschiedlichen Gedanken über jemanden zusammenbringen, gibt es nun mal, die oft auch in großen Medien sitzen. Sie sind ein Teil der Realität, die unberücksichtigt zu lassen, ob des geringen Aufwands der Distanzierung ein leicht vermeidbarer Fehler wäre.
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Kommentar von akimo
lieber Herr Wallasch, herzlichen Dank für diese sehr interessante Debatte. Ich hab des Öfteren einen Blick in das Kompaktmagazin geworfen und konnte viel im zustimmen. Die Disclaimer, dass man mit diesem Blatt natürlich selbstverständlich überhaupt nicht einverstanden sind ist, ist eine Fars! Parallel muss man sich von dem durchaus in den meisten Dingen hoch vernünftigen, Björn Höcke, distanzieren als Teufel im Menschengestalt, ebenso wie von Donald Trump, den man auch lächerlich und verblödet finden muss, das zeigt, dass man der Propaganda schon auf dem Leim gegangen ist. Wenn man Recht konservative Meinungen akzeptiert, darf man am gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr teilnehmen. Deshalb wird Green gewaschen.