Ohne eine echte Mitarbeit der USA scheitern auch die chinesische Bemühungen, das Töten zu beenden

China legt Zwölf-Punkteplan für Frieden vor – Eine echte Chance zur Wende im Ukrainekrieg?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Wie wirkmächtig können Pekings Vorschläge sein? Nicht die Meinung einer deutschen Außenministerin ist hier von Belang, sondern die Frage, inwieweit die USA diese Vorschläge ernstzunehmen bereit sind.© Quelle: Pixabay/PPPSDavid

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Hat Peking jetzt weiße Tauben in den Himmel über dem Donbas entsandt, diesen schrecklichen Krieg zu beenden? Oder geht es hier mehr um wirtschaftliche Eigeninteressen oder gar um die Verschleierung einer neuen militärischen Phalanx Moskau-Peking, wie die einflussreiche US-Diplomatin Victoria Nuland die 12-Punkte-Initiative der Chinesen gedeutet haben möchte?

Jetzt wird es spannend. Am ersten Jahrestag dieses grausigen Krieges am Rande Europas deckt mit China ein Spieler seine Karten auf, der bislang, wenn, dann eher im Hintergrund agiert hat. Zunächst hatten Politik und Medien im Westen den Versuch unternommen, eine neue Phalanx aus Russland und China als Weltkriegshorrorszenario zu verkaufen, aber die Töne aus Peking sind viel leiser als erwartet und alles andere als ein Schreckensgespenst.

Staatspräsident Xi Jinping stellt einen Fuß in die Ukraine und präsentiert zum Jahrestag einen 12-Punkteplan. Wird so der blutige Gordische Knoten gelöst und das Sterben endlich beendet?

Was schlägt China vor?

Beijing ist 6.500 Kilometer von Kiew entfernt, die Länder trennen Welten. Besagter Zwölf-Punkteplan ist mit „Position Chinas zur politischen Lösung der Ukraine-Krise" überschrieben. Betonung hier auf „Position“, denn die Haltung Pekings war bisher die große Unbekannte. Bekannt ist nur, dass Peking die USA als einen Verursacher dieses Krieges betrachtet und damit bisher alles andere als so etwas wie eine Schweizer Rolle in diesem Konflikt einzunehmen bereit war.

Wie T-Online berichtet, grätschte die deutsche Außenministerin Baerbock den Chinesen als erste in ihre Pläne (wir kommen hier gleich zum 12-Punkteplan):

„Außenministerin Annalena Baerbock hatte zuvor China aufgefordert, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen und einen Friedensplan zur Beilegung des Ukraine-Konflikts unter dem Dach der UN-Charta vorzulegen. Dies sei notwendig, weil China als UN-Sicherheitsratsmitglied nicht nur Vetorechte, "sondern eben als Mitglied eine besondere Verantwortung hat, den Weltfrieden wiederherzustellen", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in New York am Rande der UN-Vollversammlung zum Jahrestag des russischen Einmarsches in der Ukraine vor Journalisten. "Deswegen wäre ein echter Friedensplan absolut notwendig, den China mit unterstützt.“

Aber es bleibt zu bezweifeln, dass sich China ausgerechnet von der Deutschen korrigieren lässt, ganz unabhängig davon, dass auch das Reich der Mitte der Ampel-Regierung dankbar sein muss, Deutschland als wirtschaftlichen Global-Player in so kurzer Zeit so radikal vom Spielfeld gefegt zu haben.

Also was sind die Vorschläge Chinas?

1. “Respecting the sovereignty of all countries” – Die ursprünglichen Grenzen sollen wieder akzeptiert werden.
2. “Abandoning the Cold War mentality” – Militärische Blöcke dürfen sich nicht auf Kosten eines anderen Landes ausweiten.
3. „Ceasing hostilities“ – Krieg dient niemanden. Rationalität ist der Schlüssel.
4. „Resuming peace talks“ –Nur Dialog und Verhandlungen beenden diesen Krieg. Die Gespräche um einen Waffenstillstand müssen wieder aufgenommen werden.
5. „Resolving the humanitarian crisis“ – Humanitäre Operationen müssen dem Prinzip der Neutralität folgen.
6. „Protecting civilians and prisoners of war (POWs)“ – Der Schutz ziviler Einrichtungen muss gewährleistet werden.
7. „Keeping nuclear power plants safe“ – Atomkraftwerke sind zu schützen.
8. „Reducing strategic risks“ – Drohungen eines Atomschlages sollen verurteilt werden.
9. „Facilitating grain exports“ – China sorgt sich um die Getreidetransporte aus der Ukraine und unterstützt hier Vorschläge des türkischen Präsidenten Erdogan.
10. „Stopping unilateral sanctions“ – Peking ist gegen jede Form einseitiger Sanktionen.
11. „Keeping industrial and supply chains stable“ – Krieg hin oder her, China will die zivilen Versorgungswege der Industrie geachtet sehen.
12. „Promoting post-conflict reconstruction“ – Der Wideraufbau der Ukraine soll gewährleistet werden. China bietet seine Hilfe an.

Aus dem aktuellen deutschen Blickwinkel interessant ist hier zunächst Punkt vier. Denn wenn am morgigen Samstag die große Friedensdemonstration in Berlin startet, dann könnten die Initiatoren Wagenknecht und Schwarzer damit punkten, dass die Weltmacht China hier quasi mitdemonstriert.

Punkt eins ist interessant, weil er anzudeuten scheint, dass sich auch China für einen Rückzug der russischen Truppen auf russisches Territorium stark macht. Aber gilt das auch für die Krim?

Die Punkte elf und zwölf spiegeln einen chinesischen Pragmatismus wieder, hier geht es darum, die florierenden Geschäfte nicht zu stören. Und der Krieg stört auch den Warenverkehr von China in die Welt.

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Was sagen die etablierten Medien zu den Vorschlägen aus Peking?

„T-Online“ zitiert die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland, die vor chinesischen Waffenlieferungen an Russland warnt und den 12-Punkteplan demnach als eine Art Verschleierung solcher Vorhaben betrachtet. Die Chinesen müssten verstehen, so Nuland, dass Waffenlieferungen eine „völlige Veränderung bedeuten würden, und zwar nicht nur in Bezug darauf, wie (China) und seine Neutralitätsbehauptungen weltweit gesehen werden, sondern auch in Bezug auf unsere Beziehungen zu China".

„Der Spiegel" erinnert daran, dass China den Angriff Russlands bisher nicht verurteilt hat, und macht auf mögliche Drohnen-Deals zwischen Peking und Moskau aufmerksam. Derartige Waffenlieferungen ständen einem Aufruf zu Friedensverhandlungen direkt entgegen.

Die „Frankfurter Allgemeine (FAZ)“ spricht von einem „dürren“ Friedenspapier. Das Fazit der Zeitung: „Peking fordert einen Waffenstillstand in der Ukraine, obwohl es weiß, dass ein solcher illusorisch ist. Das dient vor allem einem Zweck: der Imagepflege.“

Und die „Welt“ titelt neutral: „China ruft zu Waffenstillstand in der Ukraine auf“. Das Blatt schreibt auch etwas über die Haltung des ukrainischen Präsidenten zum Vorschlag aus Peking:

„Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den chinesischen Vorschlag schon vor dessen Veröffentlichung begrüßt. Er sprach von einem wichtigen ersten Schritt. ,Ich denke im Allgemeinen, dass die Tatsache, dass China begonnen hat, über Frieden in der Ukraine zu sprechen, ich denke, dass dies nicht schlecht ist', sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Freitag.“

Aber worauf wird es ankommen, wie wirkmächtig sind diese Vorschläge am Ende tatsächlich? Hier stehen die USA an erster Stelle in der Verantwortung. Nicht die Meinung einer deutschen Außenministerin ist hier von Belang, sondern die Frage, inwieweit die USA diese Vorschläge ernstnehmen und ernsthaft dazu bereit sind, China beim Wort zu nehmen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Ohne die USA wird es nicht möglich sein.

Auf der UN-Vollversammlung hat die Ukraine jedenfalls Rückendeckung durch die internationale Gemeinschaft erhalten, schreibt die Deutsche Presseagentur (dpa), 141 der 193 Mitgliedstaaten der UN-Vollversammlung hätten am Donnerstag für eine Resolution gestimmt, mit der Russlands Rückzug aus der Ukraine gefordert wurde.

Interessant vielleicht noch am Rande: Die EU-Staaten hatten sich am Donnerstag, anders als geplant, doch nicht zum Jahrestag des Kriegsbeginns auf ein zehntes Paket mit Sanktionen gegen Russland geeinigt. Ist das ein Zeichen Richtung Moskau? Soll hier vorab eine Bereitschaft belohnt werden? Aber wem haben die Sanktionen bisher geschadet und wer zeigt die geringste Bereitschaft zu Verhandlungen?

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