Im Süden des Gazastreifens bahnt sich eine Katastrophe an – Aber die Anrainer mauern

Bundeskanzler verhandelt in Ägypten Luftbrücke zum Gazastreifen — Aber fliegen die Rosinenbomber leer zurück?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 13)

Der Kampf gegen Israel ist der Klebstoff für die arabische Welt.© Quelle: Youtube/ Phönix, Screenshot

Wie soll man jemandem das Engagement der EU im Konflikt zwischen Israel und den Hamas-Terroristen erklären? Jetzt will die EU eine Luftbrücke aufbauen, um den Süden von Gaza zu versorgen. Israel eliminiert den Terror, Gaza flieht und Olaf Scholz sagt, Deutschland hat noch Platz?

Die Solidaritätsadressen der EU-Mitgliedstaaten für Israel waren nach den Terroranschlägen uneingeschränkt, allen voran die Bundesregierung. Der französische Präsident hatte erklärt, es gebe in diesem Fall kein „Ja, aber“, keine Argumentationslinie mit möglicher Rechtfertigung.

Aber dann hat Macron wenige Sätze später höchstselbst „Ja, aber“ gesagt und von Israel gefordert, das Recht auf Verteidigung und einen Gegenschlag dürfe zwar „stark“, müsse aber „gerecht“ geführt werden. Und Macron hatte erklärt, was er damit meint: Die „Reaktion“ sei wirklich stark und gerecht, wenn die palästinensische Zivilbevölkerung dabei verschont bleibe.

Die Hamas ist für Macron eine „Terrorbewegung, die auf kriminelle und zynische Art“ die Menschen in Gaza in Gefahr bringt. Und überall liest man zur Zeit, die Bevölkerung von Gaza müsse von der Hamas getrennt bzw. befreit werden. Aber wollen die Menschen in Gaza das überhaupt? Wie sind denn die Zustimmungswerte für die religiösen Extremisten?

Im Juni 2021 schrieb das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dass die Hamas in der öffentlichen Meinung der Palästinenser glänzend dastehe. In einer Umfrage betrachteten 77 Prozent die Hamas als Siegerin der Auseinandersetzung mit Israel. Die Umfrage ergab eine klare Mehrheit für die Hamas: „53 Prozent vertraten die Ansicht, die Hamas verdiene es am ehesten, die Palästinenser zu führen und zu vertreten.“

Der Meinungsforscher Chalil Schikaki meinte Mitte 2021 herausgefunden zu haben, dass der Popularitätsschub für die Hamas dramatisch sei. RND schreibt dazu:

„Die Hamas regiert im Gazastreifen, während die Palästinenserorganisation Fatah von Präsident Mahmud Abbas in den Autonomiegebieten im Westjordanland das Sagen hat.“

Aber zurück zur Eingangsfrage: Wie soll man jemandem das Engagement der EU im Konflikt zwischen Israel und den Hamas-Terroristen erklären? Zunächst wird Israel von der EU eine mehr oder weniger uneingeschränkte Solidarität erklärt, dann wird eine Luftbrücke nach Gaza eingerichtet.

Die hat selbstverständlich ihre Berechtigung, weil sie für hunderttausende in den Süden des Gazastreifens geflüchtete Palästinenser fehlende Nahrung, Medikamente und Unterkünfte bereitstellt. Jedenfalls für diejenigen, die von der Hamas nicht daran gehindert werden, dorthin auszuweichen.

Israel plant eine Strafexpedition im Gazastreifen, erst aus der Luft, dann in einer noch nicht begonnenen Bodenoffensive. Währenddessen will die EU die evakuierten und geflüchteten Palästinenser im Süden versorgen.

Aber wer soll hier garantieren, dass sich nicht auch Hamas-Terroristen unter diesen so von der EU versorgten Menschen befinden? Und wie ist es mit den Familien dieser Hamas-Kämpfer? Sind die ebenfalls in den Süden geschickt worden, wo die Care-Pakete der EU und die Zelte des UNHCR warten, oder wer kümmert sich hier um die Details?

Noch eine Frage interessiert die EU-Bürger und vornehmlich auch die Deutschen, die mutmaßlich am meisten davon betroffen sein werden: Werden die Flugzeuge der Luftbrücke leer zurückfliegen oder ist das der Dammbruch, von dem bisher nicht klar war, an welcher Stelle er passiert?

Es scheint gerade so, dass man den Westen daran erinnern muss, was die Hamas eigentlich ist. In ihrer Charta hat sie sich ein Ziel gesetzt, das alle anderen überragt: Es geht um die Vernichtung Israels und des israelischen Volkes: Die Juden selbst werden als das Böse schlechthin betrachtet, die es zu vertreiben und zu ermorden gilt.

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EU und UN haben mittlerweile auch Ägypten involviert, die Hilfsgüter werden erst dorthin geschafft und von dort aus in den südlichen Teil des Gazastreifens verbracht. Aber noch sperrt sich Ägypten, weil man selbst keine weiteren Palästinenser im Land haben will. Weitere Anrainerstaaten Israels haben längst ähnliches verlauten lassen.

n-tv berichtete, dass Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Menschen im Gazastreifen aufgefordert hat, trotz der massiven israelischen Angriffe in dem Palästinensergebiet auszuharren. Die Bewohner müssten „standhaft bleiben und auf ihrem Land bleiben“. Ägypten fühle sich aber verpflichtet, „in dieser schwierigen Zeit" die Bereitstellung "medizinischer und humanitärer Hilfe" sicherzustellen und die "legitimen Rechte" der Palästinenser zu gewährleisten. Das übernimmt jetzt die EU.

Wie verquer de Situation ist, beweist die Intervention des US-Präsidenten Biden, der Israel davor gewarnt hatte, den Gazastreifen zu besetzen. Die USA, so Biden, unterstütze lediglich eine Invasion zur „Ausschaltung der Extremisten“ von der Hamas. Aber wie genau das passieren soll, wurde jedenfalls öffentlich nicht kommuniziert.

Immerhin in einer Sache sind sich alle Beteiligten einig: Die Lage für hunderttausende Palästinenser, die in den Süden geflüchtet sind, spitzt sich täglich dramatisch zu. Die Welt zitiert den zuständigen EU-Kommissar Janez Lenarcic, der sagt: „Die katastrophale humanitäre Lage in Gaza steht kurz davor, ihren Höhepunkt zu erreichen.“ Treibstoff, Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente müssten die Menschen in Gaza sofort erreichen.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist nach seinem kurzen Israelbesuch mittlerweile in Ägypten angekommen und spricht dort sicher auch über die Möglichkeiten, die Menschen im südlichen Gazastreifen zu versorgen. Die Tagesschau schreibt über die Aufgaben von Scholz:

„Er muss dabei die Balance finden zwischen eindeutiger Solidarität mit Israel nach dem Großangriff der militant-islamistischen Hamas und dem Bemühen, das Leid auch der Menschen im von der Hamas regierten Gazastreifen zu lindern.“

In Ägypten hat Scholz dann nichts Eiligeres zu tun, als dem dortigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zu erklären: „Für uns ist klar: Die Palästinenser sind nicht Hamas, und die Hamas hat kein Recht, für die Palästinenser zu sprechen.“

Man kann sich in etwa vorstellen, was al-Sisi sich dabei gedacht haben muss. Denn natürlich weiß der ägyptische Präsident es besser als Olaf Scholz. Er weiß um den Zuspruch, den die Hamas in großen Teilen der Bevölkerung genießt. Und er weiß um den Zuspruch, den die Hamas in der arabischen Welt genießt. Der Kampf gegen Israel ist der Klebstoff, der immer wieder Streitereien löst, wenn es nur gegen den erklärten Feind geht.

Jetzt kommt der Bundeskanzler daher und verhandelt die Luftbrücke. Mutmaßlich wird es mit Kranken, Frauen und Kindern beginnen, alles andere lässt sich später über den Familiennachzug klären.

Deutschland hätte damit eine zweite Luftbrücke neben der aus Afghanistan. Dort war zunächst von 300 Ortskräften ausgegangen worden, dann wurden Zehntausende ausgeflogen. Die Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind wie in Afghanistan, so auch im Gazastreifen bereits vor Ort. Über die Auswahl der Ausreisenden wird dann direkt vor Ort von diesen Leuten entschieden.

Die so genannten „Seenotretter“ der NGO Mission Lifeline schreiben aktuell auf ihrer Webseite: „Ob zu Wasser oder an Land, ob im. Mittelmeer, im Atlantik, in Afghanistan oder der Ukraine – wir tun, was wir können.“ Wer würde ernsthaft daran zweifeln, dass hier nicht auch noch Platz für „Gaza“ übrig wäre.

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