Klüngel versus Empörung

Bericht vor Ort: Eine Provinzposse rund um eine Unterkunft für Ukrainer in Braunschweig

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Schmutzige Wäsche der Bundeswehr darf der erfolgreiche Unternehmer waschen, aber dem DRK soll er besser nicht in die Quere kommen.© Quelle: Gregor Leip

Bisher wurde das von der Stadt Braunschweig angemietete Hotel für ukrainische Flüchtlinge vom DRK betrieben. Jetzt haben es Profis billiger angeboten. Ein Militärdienstleister hat den Zuschlag bekommen. Und schon ist der Ärger da: Eine grüne Provinzklientel fühlt sich ausgebootet.

Als unmittelbare Folge des russischen Krieges gegen ihr Land leben mittlerweile über eine Million Ukrainer in Deutschland. Es kamen überwiegend Frauen und Kinder. Aber es sind auch hunderttausende ukrainische Männer darunter.

Ein Asylverfahren müssen Sie allesamt nicht durchlaufen, es wurde mit Beginn des Krieges für Bürger der Ukraine ausgesetzt. Vorübergehend waren die Ukrainer die Hauptzuwanderungsgruppe. Seit 2023 kommen aber wieder überwiegend Afghanen, Syrer, Türken und Afrikaner nach Deutschland, um hier einen Asylantrag zu stellen und dauerhaft ansässig zu werden.

Wer privat eine Wohnung zu vermieten hat oder Nachmieter sucht, der trifft immer öfter auf eine wachsende Zahl an ukrainischen Bewerbern, die nicht mehr in den Sammelunterkünften leben mögen. So eine Sammelunterkunft hat auch die Stadt Braunschweig am südlichen Stadtrand im ehemaligen Sporthotel „Off Shore“ eingerichtet. In den 1990er und 2000er Jahren war hier zudem eine gut besuchte Diskothek dem Hotelkomplex angegliedert.

Die zwei- bis dreistöckigen rotverklinkerten Hotelgebäude sind weiträumig angeordnet, dazwischen liegen gepflegte Rasenflächen und akkurat geschnittene Büsche, das Ensemble erinnert eher an ein biederes Kurhaus oder an eine Privatklinik als an ein Hotel. Heute sollen hier bis zu dreihundert Ukrainer untergebracht sein, Afghanen oder Syrer findet man nicht.

Alexander-wallasch.de schaut sich an einem sonnigen Samstagvormittag auf dem Gelände um, weit und breit ist niemand zu sehen. Wer hier tobende Kinder oder Gespräche von Fenster zu Fenster erwartet, der wird von der Stille eines Altersheims überrascht. Die wenigen Menschen, die hier zwischen zweitem Frühstück und Mittag unterwegs sind, sind die türkisch oder arabisch stämmigen Mitarbeiter eines örtlichen Sicherheitsdienstes. Einmal kommt ein Rollstuhlfahrer aus dem Haus gefahren, vorbei an der Security hin zur Rollstuhlrampe. Gesprochen wird nicht.

In einem Nebengebäude gleich hinter dem Eingang sitzt ein weiterer Security-Mitarbeiter mit mächtigem Backenbart an einem Laptop und grüßt sehr freundlich. Insgesamt sind an diesem Samstag vier Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens anzutreffen, weitere könnten aber noch im Gebäude unterwegs sein. Sonst ist hier niemand zu sehen. Es ist still. Nichts deutet darauf hin, dass hier hunderte von Menschen untergebracht sein sollen.

Ganz anders in einer nördlich gelegenen Sammelunterkunft am anderen Ende der Stadt, die überwiegend Syrer und Afghanen beherbergt. Die Menschen sind hier in Bewegung, sie pendeln hin und her zwischen Unterkunft und Aldi-Discounter, der ein paar Kilometer weiter entfernt liegt und die Bewohner halten sich vielfach im Außenumfeld der Unterkünfte auf.

Das Unternehmen soll eine Adresse in Dubai haben

Unser Interesse am Hotel hat einen aktuellen Grund. Medienberichte, beispielsweise in der taz, haben ein überregionales Interesse für diesen Ort bekundet. Die Niedersachsen-Korrespondentin der Tageszeitung meinte, eine „fragwürdige Vergabepraxis“ der Betreiber der Unterkunft für Ukrainer zu erkennen, nachdem ein „Militärdienstleister“ nach einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag bekommen hatte. Das Unternehmen soll eine Adresse in Dubai haben. Die taz titelt empört „Militärlogistik für Geflüchtete“.

Wer keine zwanzig mehr ist und in Braunschweig lebt, der weiß um den Braunschweiger Klüngel. Darüber stürzte hier schon ein SPD-Ministerpräsident. Irgendwie ist jeder mit jedem verknüpft und verdreht, alles gärt und blubbert hier schon seit Generationen im eigenen Saft so vor sich hin. Das Braunschweiger DRK, das bisher die Unterkunft im ehemaligen Hotel betrieben hat, ist jetzt aus dem Rennen. Dem neuen Betreiber fehle nun die „lokale Vernetzung“, will die taz wissen. Aber mit solchen Aussagen sollte man vorsichtig sein, denn das kann in Braunschweig bisweilen ein Segen sein.

Die studierte „Diplom-Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin“ Nicole Kumpis ist Vorständin des DRK-Kreisverbandes. Sie betont mit Stolz gegenüber der taz, dass kein einziger der qualifizierten Mitarbeiter des DRK zum neuen Anbieter gewechselt wäre:

„Wir haben es natürlich sehr bedauert, dass wir nicht zum Zuge gekommen sind. Unsere Mitarbeiter haben den Standort mit viel Herzblut aufgebaut. (...) Wir sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, allen ein Angebot an anderen Standorten zu machen und wir so alle Mitarbeiter halten konnten“.

Intern scheint die Stimmung beim DRK allerdings nicht die beste zu sein, seit Frau Kumpis hier Aufgaben übernommen hat. Von nicht verlängerten Verträgen für Freiberufler und neuen Unsicherheiten rund um einen DRK-Projektpartner ist im Gespräch mit freien Mitarbeitern die Rede.

Kumpis ist auch gutes Beispiel, wie in Braunschweig alles irgendwie miteinander verklumpt ist. Sie ist nicht nur bei der DRK aktiv, Nicole Kumpis ist auch Präsidentin der Zweitligakicker der Traditionsvereins Eintracht Braunschweig. Und Kumpis engagiert sich zudem bei der Flüchtlingshilfe e. V. Braunschweig. Über die Sozialpädagogin heißt es auf Wikipedia:

„Unter anderem ist sie weiterhin aktives Mitglied im Refugium Flüchtlingshilfe e. V. und übernimmt Patenschaften sowie die intensive Begleitung für Geflüchtete.“

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Auch eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Grünen scheut die Eintracht-Präsidentin nicht. Über die Braunschweiger Grünen im Kontext zu Frau Kumpis schreibt wieder die "taz":

„Besonders ärgerlich in den Augen der grünen Ratsfraktion in Braunschweig: Der bisherige Betreiber der Unterkunft in Braunschweig – das Deutsche Rote Kreuz (DRK) – hat hier anderthalb Jahre Aufbauarbeit geleistet und nicht nur die Unterkunft betrieben, sondern auch für ein umfassendes Beratungs- und Freizeitangebot gesorgt.“

Wir schreiben immer noch Samstag. Und für diesen Tag hat die Ortsgruppe der "Seebrücke" eine Demonstration gegen den neuen Betreiber angekündigt. Die Demo soll mitten in der Innenstadt vor dem Rathaus stattfinden, dort wo sonst frisch getraute Ehepaare ihren Freunden ein Glas Sekt ausgegeben. Am nahen Wasserspiel plantschen kleine Kinder. Die Eltern sitzen auf umliegenden Bänken und schauen ihnen dabei zu.

Auch Braunschweig ist eine der 321 Seebrücke-Städte und -Kommunen, die sich das Label „Sicherer Hafen“ gesichert und sich als Gegenleistung schriftlich verpflichtet haben, Forderungen der linksradikalen Organisation zu erfüllen. So auch solche, mehr Zuwanderer aufzunehmen, als sie sowieso schon von Berlin bzw. Hannover zugewiesen bekommen.

An diesem Samstag sind es zu Beginn der Veranstaltung aber kaum mehr als zwei Dutzend Teilnehmer, welche orangefarbene Plakate hochhalten wie man sie auch von den Klimaklebern kennt oder brasilianische Rhythmen auf „Samba-Attac“-Trommeln schlagen.

Für die zahlreichen Passanten, die im nahen Schloss und der Braunschweiger Innenstadt ihre Samstageinkäufe erledigen, ist kaum ersichtlich bzw. verständlich, um was es den Demonstranten eigentlich geht. Ein Weißhaariger im karierten, kurzärmlichen Hemd raucht eine dicke Elektropfeife, ein jüngerer Mann trägt eine Regenbogenfahne mit einer Friedenstaube im Zentrum – oder ist es doch der Falke der SPD-Jugendorganisation „Falken“?

Nein, hier wird nicht für Frieden und diplomatische Verhandlungen im Ukrainekrieg demonstriert, auf einem aufgefalteten Pappkarton geschrieben lautet das Anliegen der wenigen Demonstranten:

„Ist das die neue Menschlichkeit? Braunschweig: Keine Militärdienstleister! Unterstützung statt Verwahrung Geflüchteter.“

Dieses Braunschweiger Gemengelage rund um eine Unterkunft für Ukrainer ist seltsam. Die "taz" hat sich dem Thema in erstaunlicher Bandbreite gewidmet – Irgendwie gefangen zwischen einer regionalen und überregionalen Berichterstattung.

Zum Schluss bleibt hier nur noch die Frage, was es denn nun mit dem neuen Betreiber auf sich hat. Ist das alles nur eine Kampagne gegen den Neuen, welcher ein in Braunschweig gut vernetztes DRK aus dem Rennen geworfen hat?

Auch eine in der Region viel gelesene Braunschweiger Regional-Nachrichtenseite schaltete sich ein. Im Artikel kommen gleich mehrere grüne Stadtpolitikerinnen zu Wort und dürfen ihren Unmut ausdrücken. Die Stadt betont allerdings, keine Probleme mit dem neuen Betreiber „Ecolog“ zu haben. In der Vergangenheit habe das Unternehmen bereits Flüchtlingsunterkünfte betrieben, darunter drei Gemeinschaftsunterkünfte in Berlin von 2017 bis August 2020.

Diese Provinzgeschichte ist bestens geeignet, aufzuzeigen, in welchem Auflösungsprozess sich die grünradikale, ideologische Bewegung heute befindet. Einerseits will man auf der Seite der Kämpfer der Ukraine stehen und wirft alle Diplomatie- und Friedensbemühungen über Bord, andererseits kritisiert man es, wenn ein bewährter Dienstleister Leistungen effizienter und preisgünstiger als das örtliche DRK anbieten kann.

Afghanistan-Veteranen kennen Ecolog

Hinter „Ecolog“ steckt die Erfolgsgeschichte von Migranten aus dem Rheinland, die sich ein weltumspannendes Unternehmen aufgebaut haben. Wikipedia schreibt über das Unternehmen unter anderem:

„Während die 'Gruppe verbundener und assoziierter Unternehmen' in der deutschen Öffentlichkeit bis 2009 fast unbekannt war, ist Ecolog für in Afghanistan oder im Kosovo eingesetzte Bundeswehrsoldaten hingegen ein fester Begriff, da das Unternehmen in den dortigen Feldlagern Dienstleistungen wie Müllbeseitigung, Abwasserentsorgung und die Reinigung der Schmutzwäsche erledigt.“

Schmutzige Wäsche deutscher Soldaten darf der erfolgreiche Unternehmer Nazif Destani mit Depandancen in den USA, der Türkei und etlichen weiteren Ländern waschen, aber der Braunschweiger DRK soll er mal besser nicht in die Quere kommen, dann wird schnell "schmutzige Wäsche" gewaschen.

Die so geannnte „Seenotrettung“ des linksradikalen Axel Steier ist mit Ecolog übrigens auch gut vertraut. Mission Lifeline twitterte noch im Juli 2022 empört:

„Wir erinnern an die vielen #Ortskräfte, die die Bundesregierung im Stich lässt: Ecolog-Mitarbeiter, Shopkeeper, Reinigungskräfte usw. Aufnahmezusagen wurden nur den wenigsten #Ortskräften erteilt. Eine Schande.“

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