Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Impfpflicht in der Bundeswehr

Bericht aus Leipzig: Der Kampf um die Unversehrtheit der Soldaten geht weiter

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Zweiter Prozesstag mit Befragungen von Vertretern von RKI und PEI. Rechtsanwältin Bahner: „Es ist noch nichts entschieden“.© Quelle: Bundesverwaltungsgericht / Die Reporterin / Bildmontage Bertolt Willison

Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde heute die Verhandlung vom 2. Mai 2022 über die Corona-Impfpflicht bei der Bundeswehr fortgesetzt. Geklagt hatten zwei Soldaten der Luftwaffe, die sich durch eine verbindliche COVID-19-Impfung für Bundeswehrangehörige in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt fühlen.

Vertreten wurden die Soldaten unter anderem von der in coronakritischen Kreisen hinlänglich bekannten Fachanwältin für Medizinrecht Beate Bahner. Als Zeugen waren für die Klägerseite keine Geringeren als Prof. Sucharit Bhakdi, Datenanalyst Tom Lausen und Pathologe Prof. Arne Burkhardt in den Zeugenstand getreten.

Hier und hier hatte alexander-wallasch.de über die Verhandlung berichtet.

Vorgeladen zum heutigen Folgetermin waren Vertreter des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts.

Dem #TeamWallasch gelang es auch dieses Mal, für eine umfängliche Berichterstattung einen der begehrten Zuschauerplätze im Gerichtssaal für seine Reporterin zu reservieren, die uns ihre Eindrücke zusammenfasste, die wir hier für unsere Leser aufbereitet haben:

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Gleich zu Beginn des heutigen Gerichtstages stand das Thema Impfstoffe konkret im Raum, mit dem Vorschlag, die Soldaten hätten sich ja auch mit anderen, nicht mRNA-basierten Impfstoffen impfen lassen können, wie beispielsweise Novavax.

Medizinrechtsanwältin Bahner, angetreten mit Rechtsanwalt Wilfried Schmitz, Rechtsprofessor Martin Schwab, weiteren Kollegen und dem Daten-Experten Tom Lausen, parierte umgehend: Die rasante Zulassung im Teleskopverfahren ohne große Erforschung beträfe alle Impfstoffe, genau deswegen beträfe die Nutzen-Risiko-Abwägung auch alle Impfstoffe gleichermaßen.

Schwab verwies ergänzend auf einen ntv-Bericht vom April, wonach bei Novavax sogar ein noch höheres Myokarditis-Risiko als bei den anderen, herkömmlichen Impfstoffen zu verzeichnen sei. Er warf fehlendes Vertrauen in PEI und RKI in die Waagschale und nannte als Grund hierfür die unübersichtliche Datenlage.

Zum Start des zweiten Verhandlungstages wurden also zwei grundsätzliche Statements in den vollen Gerichtssaal gestellt, die Wesentliches ansprechen: Die verkürzten Zulassungen der Medikamente und die sogenannte "unübersichtliche Datenlage", die gerade auch das Vertrauen in die dafür zuständigen Institutionen erschüttert hat.

Zur Befragung wurde Ole Wiechmann, Leiter Impfprävention des Robert Koch-Institutes, geladen. Er sollte erklären, wie das RKI die Impfungen überwacht und auswertet, Klarheit schaffen, wie die Zahlen zustande kommen.

Mit PayPal

Zuerst stellte Wiechmann die Struktur seines Arbeitsbereichs dar: Die STIKO arbeite ehrenamtlich, verfügt deshalb nicht über so viel Zeitbudget, deshalb übernimmt die Evidenz ein Team vom Robert Koch-Institut. „Es gibt zu Corona-Impfungen gute Studien und schlechte Studien.“ Das alles bereite das Evidenz-Team vom RKI auf und stellt es für die STIKO zusammen. Wiechmann selbst habe ein Team von circa 50 Leuten.

Richter: „Herr Wiechmann, wie beurteilen Sie bei Omikron die Gefahr eines schweren Verlaufs, bezogen auf die Altersgruppe der Soldaten und Berufstätigen?“

Die Antwort Wiechmanns auf diese Frage mit konkreter Benennung der Zielgruppe: „Das variiert nach Varianten und Alter, das Risiko, was jetzt in den Krankenhäusern ist: ältere Personen und mit Grunderkrankungen.“

Richter: „Von 1.000 Infizierten, wie viele haben das Risiko eines schweren Verlaufs?“

Wiechmann: „Ich will nichts Falsches sagen, hab die Zahlen nicht im Kopf.“

Und genauso unkonkret, auf verwirrenden Um- und Seitenwegen geht es weiter. Auf konkrete Richterfragen und auch auf die des Anwaltsteams kommen allzu oft Antworten, die wenig Licht ins Dunkle bringen. Weitere Beispiele gefällig?

Richter: „Wie ist die Gefährlichkeit der Omikron-Variante im Vergleich zu normalen Grippeviren zu beurteilen?“

Wiechmann: „Vergleiche hinken hier immer, das hängt auch ab von der Altersgruppe. Bei Kindern zum Beispiel gibt es das Phänomen Long-Covid. Es können auch komplett gesunde Menschen bei Corona schwer erkranken, man kann vorher nicht sagen, wen genau es wie trifft.“

Auch die Antwort Wiechmanns auf die folgende Frage schafft nicht wirklich Klarheit. „Warum war die Tabelle zu Impfeffektivität und Impfdurchbrüchen nicht mehr im Wochenbericht einsehbar?“

Antwort Wiechmann: „Es gab zu viele Missverständnisse, deshalb wurde der Wochenbericht verschlankt. Außerdem will das RKI einen Extrabericht zum Thema Impfung herausgeben, demnächst.“ Offenbar habe es Fehler in der Meldesoftware gegeben, so Wiechmann weiter, im Februar habe es eine Softwareumstellung gegeben. So soll zum Beispiel laut Meldung eine Person an einem Tag fünfmal geimpft worden sein, die Fehlerbehebung sei nun bei dem Softwarehersteller.

Beate Bahner vom Anwaltsteam der Soldaten (Beschwerdeführer) mit Datenexperte Tom Lausen.

Auch wenn das RKI hier nicht vor Gericht steht, sondern lediglich ein Vertreter als Experte befragt wird – solche Antworten sind prädestiniert, noch mehr Missverständnisse zu schaffen.

Richterin: „Welche Risikofaktoren gibt es bei Omikron für die Altersgruppe 18 bis 59?“

Wiechmann: „Risikofaktoren unterscheiden sich nicht unter Omikron. Das Ganze ist ein Spiel von Wahrscheinlichkeiten, Menschen mit chronischer Erkrankung, Demenz, Schwererkrankungen, Trisomie. Risikogruppen haben sich nicht geändert unter Omikron ... “

Richterin: "Wie ist denn das Risiko eines schweren Verlaufs aktuell?"

Wiechman: "Aktuelle Daten habe ich nicht, das kann man nicht alles im Kopf haben, aber ich würde sagen, das ist kein großer Unterschied." Immerhin, das Risiko, mit Omikron ins Krankenhaus zu kommen oder auf die Intensivstation, sei deutlich geringer, räumt Wiechman ein.

Diese Äußerungen durchziehen den Gerichtsvormittag wie ein Rechtfertigungs-Automatismus:

  • "Ich kann Ihnen jetzt keine Zahlen nennen“,
  • "Ich kann nicht erklären, wie das zustande kommt“,
  • "Es ist alles schwierig, das RKI kann nicht jedem einzelnen Fall nachgehen.“

Auch auf Professor Schwabs Nachfrage nach dem Zustandekommen der PCR-Test-Ergebnisse eine dünne Antwort: "Weiß ich nicht genau, bin kein PCR-Test-Experte." Und nebenbei: Die erneute Nachfrage Schwabs wurde vom Richter rundweg abgebügelt – „Nein, Sie stellen jetzt keine Frage!“

Dem neutralen Prozessbeobachter bleiben viele „Weißichnicht“ und „Kannichnichtsgenaueszusagen“ im Kopf hängen, so dass sich automatisch die folgende Frage aufdrängt: Wie kann es sein, dass jemand als Experte zur Befragung geschickt wird, der jede zweite Frage nicht imstande (oder willens?) ist, zu beantworten?

So bezeichneten auch Rechtsanwältin Bahner und ihr Team in einem Statement den Vormittag als nicht "sehr ergiebig“.

Der Nachmittag war es dann wohl eher aus Sicht des Anwaltteams.

Er begann mit der Befragung von Dirk Mentzer, Referatsleiter im Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Mentzer, zuständig für den Sicherheitsbericht zu den Covid-Impfungen, geriet bei der Beantwortung der Fragen auffällig oft in Verlegenheit.

Auf die Frage eines der Anwälte, ob 2.800 Tote im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung für ihn kein Alarmsignal seien, antwortete der Referatsleiter im PEI, diese Zahl sei nicht höher als erwartet, und fügte hinzu, es handele sich hierbei erstmal nur um Verdachtsmeldungen. Die Tatsache, dass die im 17. Sicherheitsbericht des PEI noch erwähnten acht toten Kinder im Zusammenhang mit Covid-Impfungen im 18. Sicherheitsbericht nicht mehr zu finden sind, erklärte der studierte Kinderarzt  damit, dass es keine neuen Todesfälle bei Kindern gegeben habe: "Da haben wir es wohl rausgelassen."

Seltsam teilnahmslos klang der vom PEI zu dieser wegweisenden Verhandlung entsendete Fachmann, der bei einer Frage sogar darauf verwies, man solle doch bitte bei seinem Institut nachfragen.

Einen weitaus gehaltvolleren Input lieferte dann später die von der Klägerseite aufgebotene Professorin Ulrike Kämmerer vom Universitätsklinikum Würzburg, Immunologin und Humanbiologin, zum Thema PCR-Test-Tauglichkeit.

Rechtsanwältin Beate Bahner fasste am Ende eines langen Prozesstages ihre Eindrücke zusammen: „Befriedigende Antworten haben wir dann noch nicht bekommen … Aber wir halten Euch informiert, es ist noch nichts entschieden.“

Der Prozess wird heute, am 8. Juni, beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fortgesetzt. Unsere Reporterin wird wieder aus dem Gerichtssaal berichten.

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare