Der Friedenskanzler?

Aufgewacht: Olaf Scholz ganz erschrocken über Kriegsbegeisterung seiner Koalition

von Alexander Wallasch (Kommentare: 11)

„Ganz viele Menschen schauen abends Fernsehen und hoffen, dass der Kanzler die Nerven behält.“© Quelle: Youtube / ZDF, Screenshot

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Aber noch ist es zu früh, abschließend zu behaupten, der sozialdemokratische Bundeskanzler sei gerade aus einem tiefen Koma erwacht und habe sich wahnsinnig erschrocken, dass Deutschland auf einen Krieg zusteuert.

Was Olaf Scholz jetzt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur verbreiten ließ, darf man für sich genommen als mindestens bemerkenswert bezeichnen. Und man kann es wohlwollend auch so interpretieren: Der Kanzler hat sein Kabinett und die Ampelpartien eindringlich zur Ordnung gerufen, was deren grüngefärbte, vollkommen entfesselte Kriegsbegeisterung angeht.

Olaf Scholz hat sich plötzlich daran erinnert, dass er als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland auch die Aufgabe hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Und jemand hat ihn offenbar daran erinnert, dass er dafür das schärfste Schwert zur Verfügung hat, welches die Gründungsväter der Republik schmieden konnten: Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, mit der ein Kanzler im Prinzip jede Entscheidung seiner Minister einkassieren kann, solange er nicht per Misstrauensvotum des Bundestages entmachtet wird.

Die Schlagzeile etwa von T-Online übernimmt den Kernsatz von Scholz zur Absage einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine: „Wundere mich, dass einige nicht darüber nachdenken.“ Und damit sind alle Kriegstreiber aus der FDP, Grünen und der SPD zusammengenommen gemeint, bis hin zu den Schlimmsten von ihnen, von Marie-Agnes Strack-Zimmermann bis zu Anton Hofreiter.

Der Bundeskanzler wird von dpa folgendermaßen zitiert:

„Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. (...) Diese Klarheit ist auch erforderlich. Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun. (...) Es ist eine sehr weitreichende Waffe. Und das, was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden. Das weiß auch jeder, der sich mit diesem System auseinandergesetzt hat."

Interessant ist auch die Selbstanalyse von Scholz, der doch tatsächlich meint:

„Ganz viele Menschen schauen abends Fernsehen und hoffen, dass der Kanzler die Nerven behält.“

Das könnte den Eindruck machen, als habe irgendjemand dem Kanzler ordentlich den Kopf gewaschen und dabei einen verloren geglaubten Alarmknopf umgelegt. Weniger enthusiastisch kann man spekulieren, ob die Analysten des Kanzlers vielleicht einfach nur empfohlen haben:

„Olaf, Du bist schweigend Kanzler geworden, Du lässt die Grünen regieren, schweigst immer noch. Aber jetzt kann es Dir passieren, dass Frau Wagenknecht mit ihrer Anti-Kriegsfolklore noch einige der wenigen verbleibenden SPD-Wähler ausdünnt. Tipp: Erteile offiziell der Taurus-Lieferung eine klare Absage. Schadet doch nix: Wir haben gerade wieder so viele Milliarden für Waffen und Munition zugesagt und wir haben der Ukraine den großen vaterländischen Sieg versprochen, mach halt was, zeig mal Kante, Kiew wird stillhalten!“

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Der Focus schreibt:

„Aber seiner Meinung nach, sei es ,nicht entscheidend diese Sache aus Deutschland'. Damit meint der Kanzler deutsche Marschflugkörper vom Typ Taurus.“

Und um noch mehr Sand ins Getriebe des vermeintlichen Friedenskanzlers zu streuen: Wer genauer hinschaut, der findet in den im großen Stil berichtenden etablierten Zeitungen die immer gleichen drei Sätze von Scholz. In Beton gegossen sind diese ganz und gar nicht, der Schleudersitz implantiert.

Für eine abschließende Beurteilung unerlässlich ist auch die Tatsache, dass die Ampelparteien gerade die seit Kriegsbeginn umfangreichste Unterstützungszusage für die Ukraine durch den Bundestag gebracht haben. Ebenso wahr ist aber auch, dass die versammelte Union unter Friedrich Merz gerade mit einem Antrag im Bundestag gescheitert ist, der diese Lieferung der Taurus-Marschflugkörper sofort genehmigen wollte.

Im Antrag der Ampel, den der Bundestag stattdessen mehrheitlich beschlossen hatte, heißt es:

„Für den Frieden in Europa und darüber hinaus ist es essenziell, dass die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinnt. Russland darf aus diesem Krieg nicht gestärkt hervorgehen. Präsident Putin und sein Regime müssen diesen Krieg verlieren; Russland muss scheitern, mit dem was es sich vorgenommen hat.“

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte heute gegenüber dpa, dass der Sieg der Ukraine über Russland einstweilen ohne Taurus-Marschflugkörper aus Deutschland erfolgen soll. Nicht mehr und nicht weniger. Von einem Ende des Krieges durch ein sofortiges Ende der Kriegshandlungen und Diplomatie war nirgends die Rede.

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