Klaus Ernst vom BSW ist empört

Abgeordnete von CSU und AfD fordern gemeinsam: Deutschland soll Ukrainern Einberufungsbescheide zustellen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 20)

„Remigration“ wehrpflichtiger Ukrainer© Quelle: Pixabay/ ELG21

Nach einer ganzen Reihe von Stimmen aus dem politischen Umfeld von Roderich Kiesewetter (CDU), die zu Beginn des Jahres ukrainische Männer in Deutschland aufforderten, das Land zu verlassen und zu kämpfen, flammt diese Forderung jetzt erneut auf, dieses Mal aus den Reihen von CSU und AfD.

Gegenüber der Berliner Zeitung äußerte sich Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Hahn ist bayerischer Bundestagsabgeordneter ebenso wie Petr Bystron von der AfD. Letzterer hatte das Thema jetzt wieder aufgewärmt und bekommt dafür Schützenhilfe des CSU-Abgeordneten.

Petr Bystron forderte die „Rückführung“ wehrpflichtiger Ukrainer in Deutschland, also gewissermaßen eine „Remigration“ an die Front. Florian Hahn greift diese Remigrationsforderung jetzt auf. Gegenüber der Zeitung sagt er unter anderem Folgendes:

„Die ukrainische Regierung habe wehrfähige Männer zur Rückkehr aufgerufen. Gleichzeitig haben die wehrfähigen Ukrainer in Deutschland vollständigen Anspruch auf Bürgergeld und über 125.000 beziehen dieses.(...) Diese Bürgergeldzahlungen konterkarieren indirekt die ukrainischen Verteidigungsanstrengungen und befinden sich auch mit unserem Verständnis von Wehrpflicht und Verteidigung des eigenen Landes nicht im Einklang. (...) Die Signalwirkung an die kämpfenden Ukrainer und auch nach innen ist schlecht, wenn wir auf der einen Seite von Kriegstüchtigkeit reden, andererseits aber den Wehrwillen indirekt beschädigen. (...) Deshalb spreche ich mich nicht nur dafür aus, die Bürgergeldzahlungen an wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland auszusetzen. (Ich erwarte) in Abstimmung mit der ukrainischen Regierung eine schnelle Umsetzung und fortgesetzte Unterstützung, unter anderem durch Amtshilfeleistungen bei der Zustellung der Einberufungsbescheide“.

Diese Forderung ist mindestens hinsichtlich der Amtshilfe eine erneute Eskalation in dieser Frage.

Die CDU sprach sich noch am 18. Mai 2022 für die Sicherheit und Integration der geflüchteten Ukrainer aus. Die explizite Forderung, dass das nur Kinder, Frauen und Alte sein sollen, blieb aus. Niemand wurde an den Grenzen zurückgewiesen. Jeder, explizit auch wehrfähige Männer, kam sofort ins Bürgergeld, ohne hier einen Asylantrag stellen zu müssen.

Interessant in dem Zusammenhang sind aktuelle Zahlen zur Beschäftigung im Arbeitsmarkt. CDU-Chef Merz hatte dazu bereits Anfang des Jahres Angaben gemacht. Demnach seien in der Bundesrepublik nur 20 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge in Arbeit, während die Quote beispielsweise in den Niederlanden bei 60 Prozent und in Polen bei 90 Prozent läge. Merz kritisierte damals, dass Ukrainer überhaupt Bürgergeld bekommen:

„Es war wahrscheinlich ein Fehler, dass wir vor zwei Jahren - unmittelbar nach Beginn der Flüchtlingskrise aus der Ukraine - zwischen Bund und Ländern entschieden haben, dass auch die ukrainischen Flüchtlinge praktisch sofort in das Bürgergeld gehen und nicht zunächst einmal für eine gewisse Zeit Asylbewerberleistungen bekommen.“

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Der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron (AfD) konnte über eine kleine Anfrage weitere Zahlen in Erfahrung bringen. Demnach beziehen laut Angaben der Arbeitsagentur (Stand November 2023) rund 126.000 Ukrainer im Alter von 18 bis unter 60 Jahren Bürgergeld. Gemessen daran, dass sich über 200.000 Ukrainer in diesem Alter in Deutschland aufhalten, ist die Quote jener, die arbeiten oder eigenes Vermögen besitzen, besonders hoch und geht hier sogar Richtung 50 Prozent.

Insgesamt halten sich in der EU etwa 650.000 wehrfähige männlicher Ukrainer auf. Von Demonstrationen gegen den Krieg und für Friedensverhandlungen ist aus dieser großen Gruppe bisher wenig bis gar nichts zu vernehmen. Auch gibt es bis auf wenige Stimmen keine Lobby für diese Männer. Ende 2023 hatte Estland bereits angekündigt, dass man wehrpflichtige Ukrainer ausliefere, sollte Kiew das wünschen. Die Berliner Zeitung zitiert dazu Innenminister Lauri Läänemets:

„Wenn die Ukraine es braucht, kann Estland diese Personen finden und sie an die Ukraine ausliefern. Im Allgemeinen wissen wir, wo diese Menschen sind und was sie tun. Die meisten von ihnen gehen zur Arbeit und haben einen Wohnsitz in Estland.“

Klaus Ernst, der ehemalige Parteivorsitzende der Linkspartei, der jetzt zum Bündnis Sahra Wagenknecht überwechselte, kommentierte die Forderungen von Hahn (CSU) und Bystron (AfD) via X:

„Viele Menschen aus der Ukraine wollen nicht ihr Leben für einen sinnlosen und aussichtslosen Krieg opfern. Unsere Kriegstreiber sind aber nur zu gerne bereit, das Leben anderer aufs Spiel zu setzen. Vertreter der Union wollen den ukrainischen Flüchtlingen nun die Gelder streichen. Man will sie zur Rückkehr bewegen und treibt sie damit in den Tod. Das ist diese widerliche Doppelmoral, die uns zunehmend umgibt, von Strack-Zimmermann bis Friedrich Merz. Die ungeprüfte Grenzöffnung für Ukrainer war gegenüber anderer Flüchtlinge ein Problem. Aber, dass wir Menschen schützen, deren Leben durch den Einsatz in diesem Krieg bedroht ist, muss eine Selbstverständlichkeit sein! Dieser Vorschlag ist abscheulich! 200.000 Geflüchtete zeigen, dass die Menschen in der Ukraine nicht mehr kämpfen wollen!“

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