Seit April 2020 dürfen auch Nandu-Küken und Jährlinge ganzjährig geschossen werden.

Wolfsfutter oder Bereicherung – Der Nandu erobert die ostdeutschen Steppen

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 20)

Es klingt wie eine Falschnachricht, ist aber wahr: Ein südamerikanischer Straußenvogel hat sich in Ostdeutschland ausgebreitet.

Welten prallen aufeinander: Im November kollidiert in Mecklenburg-Vorpommern ein Nandu mit einem Trabant. Diese Meldung, verbunden mit der frohen Kunde, dass der 55-jährige Fahrer unverletzt überlebt hat, obwohl die Renn-Pappe sich beim Ausweichmanöver überschlagen hatte, machte die Runde. Und auch, dass der südamerikanische Straußenvogel nach Angaben der zuständigen Polizeidienststelle in Rostock „während der polizeilichen Maßnahmen am Unfallort nicht mehr aufzufinden“ war.

Der unfallflüchtige Großvogel schafft es immerhin auf bis zu 140 Kilometer pro Stunde, wenn er es eilig hat. In diesem Tempo, den Schreck in den grauen Federn, ist er wahrscheinlich direkt nach der Kollision vom Unfallort ausgebüxt, so wie vor mehr als zwanzig Jahren eine Handvoll seiner Artgenossen aus dem Gehege einer Privathaltung in Schleswig-Holstein. Die haben sich fortan in Freiheit fleißig vermehrt und sind dann auch bis nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen.

Die „Pampa“ der weitläufigen Ackerflächen Nordwestmecklenburgs ist zur Ersatz-Pampa für den südamerikanischen Allesfresser geworden. Wobei der Rhea americana besonders den blühenden Raps bevorzugt und sich zudem auch gerne an Weizenfeldern bedient.

Nicht nur die Ernteeinbußen riefen die Landwirte auf den Plan, die eine Übernutzung ihrer Wiesen und Felder durch die größer werdende Population fürchteten. Auch anderer negativer Einfluss des Allesfressers auf die heimische Tierwelt wird vermutet: Die Vögel, die bis zu 1,40 Meter groß werden, fressen beispielsweise die Eier von Bodenbrütern wie Fasanen oder Rebhühnern und können dadurch deren Bestand gefährden.

Angenehme Umgebung mit viel Platz, das Ausbleiben natürlicher Feinde, gutes Essen – die Nandu-Population war von Frühjahr 2018 bis Herbst 2018 sprunghaft von 205 auf 566 Tiere angestiegen.

Nachdem eindämmende Maßnahmen wie das Anbohren von aufgespürten Nandu-Eiern – bei den Nandus legen übrigens die Weibchen die Eier nur ab und die Männchen müssen den Nachwuchs ausbrüten – , nicht wirklich fruchteten, wurde alsbald schwereres Geschütz gegen den Laufvogel aufgefahren.

Erstmals im Frühjahr 2019 wurde eine Anzahl von Nandus zum Abschuss freigegeben. Bauern aus der Region erledigten 17 davon. Ihnen wurde freigestellt, ob sie das Fleisch der erlegten Tiere essen wollten.

Seit April 2020 dürfen auch Nandu-Küken und Jährlinge ganzjährig geschossen werden. Mit dem Fleisch, das als schmackhaft gilt, darf aber nicht gehandelt werden, denn das wäre unvereinbar mit dem Schutzstatus, den die Tiere haben. Nandufleisch soll so ähnlich wie das seines afrikanischen Bruders Strauß schmecken. Der dritte große Laufvogel im Bunde ist der australische Emu.

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Ganze 144 Nandus leben aktuell noch in der Region. Sie konnten sich auch deshalb so gut ausbreiten, weil sie keine natürlichen Feinde haben in Nordeuropa. Wird sich das vielleicht bald ändern?

Nachdem Wölfe in Deutschland rund 150 Jahre lang ausgerottet waren, wurden im Jahr 2000 die ersten Wolfswelpen in Freiheit geboren – auf einem Truppenübungsplatz in der sächsischen Oberlausitz. Seitdem erobern sich Wölfe langsam ihre alten Lebensräume zurück. Die wachsende Population hat in den letzten Jahren aber auch für Kontroversen gesorgt, da sie sowohl von Naturfreunden als auch von Landwirten und Jägern unterschiedlich bewertet wird.

Während die einen den Schutz der Tiere begrüßen und sich über ihre Rückkehr in den deutschen Wäldern freuen, sehen andere die Wölfe als Bedrohung für Nutztiere und die Sicherheit von Menschen.

Tatsächlich wurden in den letzten Jahren vermehrt Übergriffe von Wölfen auf Schafherden und andere Nutztiere gemeldet. Laut des Wolfsmonitorings des Bundesamts für Naturschutz wurden im Jahr 2020 insgesamt 1.236 Nutztierrisse durch Wölfe verursacht. Das ist grob gerechnet ein Nutztier pro Wolf pro Jahr.

Denn circa 1200 Einzeltiere werden mittlerweile in Deutschland gezählt, fast alle haben sich im hohen Norden angesiedelt. Laut Naturschutzbund Nabu sind allein in Mecklenburg-Vorpommern 18 Wolfsrudel, sechs Paare und zwei Einzeltiere mit Territorium bekannt. Das angrenzende Brandenburg ist Deutschlands Wolf-Spitzenreiter mit 47 Rudeln und 43 Paaren.

Immer wieder machen Meldungen wie diese die Runde: Im letzten Jahr wurde in der Uckermark, im Grenzbereich zwischen den beiden Bundesländern, das 1,20 Meter großes Jungtier einer Nandu-Zucht Opfer einer mutmaßlichen Wolfsattacke. Insgesamt sind 2021 knapp 1000 Übergriffe von Wölfen auf Nutztieren gezählt worden. Tendenz steigen.

Vielleicht regelt die Natur ja auch das hier und die sich ausbreitende Population der aus Südamerika importierten Nandus hat ihren natürlichen Feind gefunden in der sich ebenfalls wieder ausbreitenden Population der Wölfe?

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