Weidel und Hitler - rechts und links

Wie eine Gesellschaft idealerweise sein sollte

von Corinne Henker (Kommentare: 10)

Andere Meinungen werden zensiert, Kritiker kriminalisiert.© Quelle: DALL.E

Offensichtlich funktioniert die Recht-Links-Einordnung nicht mehr so richtig. Nach Definition der Linken waren die Nazis rechts, nach Definition der Rechten waren sie links.  Die große Frage auf der Metaebene: Wie viel Macht gesteht man dem Staat als ausgleichende Gewalt zu?

Eigentlich wollte auch ich hier meinen persönlichen Eindruck über das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel schildern, aber Alexander Wallasch hat dazu bereits veröffentlicht. Auf ein spezielles Thema dieses Gesprächs möchte ich dann doch eingehen: die ewige Diskussion, ob die Nazis im politischen Spektrum links oder rechts einzuordnen sind.

Aus meiner Sicht war es Weidels größter Fehler in diesem Gespräch, dem Thema Nationalsozialismus überhaupt so große Aufmerksamkeit zu widmen. Einerseits ist eine gewisse Verteidigungshaltung verständlich, wenn man von der politischen Konkurrenz und deren Medien immer wieder als Wiedergeburt von Hitler und Goebbels diffamiert wird. Deshalb erschien es Alice Weidel vermutlich extrem wichtig, in dieser weltweit übertragenen Diskussion ihre Partei als „libertär-konservativ“ vorzustellen. Als beobachtende Außenstehende frage ich mich allerdings, ob diese Selbsteinschätzung von allen AfD-Mitgliedern geteilt wird.

Andererseits ist allgemein bekannt, dass jeder öffentliche Bezug auf die Nazi-Zeit durch ein AfD-Mitglied, in dem das gängige Narrativ der „rechtsextremen Nazis“ in Frage gestellt wird, für neue Diffamierungskampagnen genutzt wird. Aus meiner Sicht wäre es deshalb besser, dieses Thema so weit wie möglich zu vermeiden und den Blick auf die Zukunft zu richten. Die aktuelle Politik bietet wahrlich genug Angriffsfläche und Alice Weidel hat bereits mehrfach bewiesen, dass sie klare Vorstellungen darüber hat, wie man die wichtigsten Probleme des Landes lösen könnte - wenn man denn wollte.

Ich beschäftige mich in meiner Freizeit intensiv mit Geschichte und der Nationalsozialismus gehört definitiv nicht zu meinen bevorzugten Interessengebieten. Aber selbst ich habe begriffen, dass eine Rechts-Links-Einordnung nicht so einfach ist, wie von verschiedenen Seiten - je nach Interessenlage - propagiert.

Zunächst müsste man die Begriffe „Rechts“ und „Links“ exakt bestimmen - und bereits daran scheitert es. Laut Online-Enzyklopädie definierten sich „Rechts“ und „Links“ ursprünglich an der Sitzverteilung der Französischen Nationalversammlung von 1789: die „Radikalen“ (wohlwollend „sozial-liberal-demokratisch“) saßen links, die („konservativ-reaktionären“) Aristokraten rechts. Eine mögliche Schlussfolgerung wäre also, „Links“ bedeutet revolutionär-fortschrittlich, „Rechts“ konservativ-bewahrend.

Allerdings ist nicht jede Veränderung ein Fortschritt und nicht alles, was existiert, ist es wert, bewahrt zu werden. Und wie steht es mit dieser Definition, wenn sich die linke Revolution durchgesetzt hat, gescheitert ist, und nun eine neue Revolution stattfindet, die diejenigen, die jetzt ihre Macht verteidigen wollen, absetzt? Wird dann Links zu Rechts? Oder waren die Demonstrationen gegen die linken kommunistischen Diktaturen um 1990 rechtsradikal? Oder war sogar Stalin rechtsradikal?

Es ist historisch kaum zu bestreiten, dass sich die NationalSOZIALISTEN im politischen Spektrum selbst links einordneten. Goebbels selbst sagte 1931: „Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke… Nichts ist uns verhasster, als der rechtsstehende nationale Bürgerblock.” (Joseph Goebbels, in: Der Angriff, Gauzeitung der Berliner NSDAP, 6.12.1931, zit. nach Wolfgang Venohr: Dokumente Deutschen Daseins: 500 Jahre deutsche Nationalgeschichte 1445-1945, Athenäum Verlag, 1980, S. 291).

Die NSDAP sah sich als Kämpfer für die Rechte des kleinen Mannes gegenüber dem (insbesondere jüdischen) Besitzbürgertum, dafür wurden auch typisch linke Methoden wie Enteignung und Umverteilung eingesetzt. Das Volkswohl stand über allem.

Ein Gegenargument (Quelle siehe oben) zur Einordnung der Nationalsozialisten als „links“ ist die Tatsache, dass Hitler die Kommunisten massiv bekämpft hat. Aber kämpfen nicht auch seit Jahrhunderten Schiiten gegen Sunniten - und sind trotzdem alle Muslime? Und wie erklärt man, dass der „rechtsextreme“ Nazi-Führer 1939 einen Pakt mit Stalin, dem großen Führer der Sowjetkommunisten, schließt?

Ein wichtiger Unterschied zwischen diesen beiden größenwahnsinnigen Diktatoren bestand darin, dass Stalin (wie die meisten anderen Linken des 20. Jahrhunderts) die Klassenunterschiede in den Mittelpunkt seines Kampfes stellte, während Hitler vor allem die Überlegenheit der arischen Rasse propagierte. Allerdings betrieben auch die Nazis Klassenkampf - und Stalin war ein Rassist, der nationale Minderheiten in seinem Imperium brutal unterdrückte.

Ein grundsätzliches Problem bei der (nicht nur politischen) Einordnung (nicht nur des Nationalsozialismus) ist die Kluft zwischen Selbsteinschätzung und Realität: MdB Ganserer hält sich für eine Frau, Olaf Scholz meint, er wäre ein erfolgreicher Bundeskanzler, Robert Habeck sieht sich als besten Wirtschaftsminister aller Zeiten und Retter des Weltklimas, Friedrich Merz positioniert sich als Verteidiger der Demokratie, Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezeichnet sich tatsächlich als Liberale und Maximilian Krah hält sich für den erfolgreichsten Wahlkämpfer der AfD.

„Aktivisten“, die Andersdenkende angreifen und Menschen nach Herkunft und Hautfarbe beurteilen, nennen sich selbst „Antifaschisten“ und „Antirassisten“. Offensichtlich gibt es also erhebliche Differenzen zwischen Selbst- und Feinbild der Linken und Rechten - und der Realität.

Die Linken sehen sich traditionell als Kämpfer für „soziale Gerechtigkeit“, sie wünschen sich gleiche Lebensbedingungen für alle - und treffen dabei auf unüberwindbare Widersprüche zwischen Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit. Linke sind in ihrem Selbstbild die Anwälte des einfachen Arbeiters im Kampf gegen übermächtige Ausbeuter. In diesem Sinne sehen sie sich als Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie.

Die heutigen Linken beschränken ihren Einsatz dabei nicht mehr auf die Armen im eigenen Land, sondern sehen sich zur Rettung der ganzen Welt berufen, inklusive des globalen Klimas. Sie sehen sich als wohlwollende und unerschrockene Beschützer jeder noch so kleinen Minderheit. Sie sind die wahren Propheten des Fortschritts zum Wohle der gesamten Menschheit, Widerspruch ist reaktionär.

„Rechts“ bedeutet aus linker Sicht alles, was man selbst bekämpft: kapitalistische Ausbeutung, Tyrannei des Stärkeren, Rassismus, Sexismus, „Transphobie“, Umweltverschmutzung…

Von rechts betrachtet stellt sich die Situation ganz anders dar: hier sind die Linken die wahren Tyrannen. Durch immer höhere Steuern rauben sie den Fleißigen die Früchte ihrer Arbeit, um sie an Faule und Unfähige zu verteilen. Beim Kampf für selbstdefinierte Opfergruppen schränken Linke die Rechte der Normalbevölkerung immer stärker ein, bis hin zur Leugnung biologischer Tatsachen.

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Sie bekämpfen individuelle Freiheit und traditionelle Werte, um den neuen, besseren Menschen zu erziehen, und greifen damit immer mehr ins Privatleben ein. Sie verschwenden das Geld anderer Leute für ideologische Projekte und zerstören damit den Wohlstand aller. Freiheit bedeutet für Linke (aus Sicht der Rechten) die Freiheit zur willkürlichen Geschlechtsänderung, Abtreibung bis zur Geburt oder auch freien Drogenkonsum, nicht aber das Recht auf freie Meinungsäußerung, Privateigentum und Bewegungsfreiheit.

Andere Meinungen werden zensiert, Kritiker kriminalisiert. Demensprechend sehen die Rechten sich selbst als Bewahrer von Freiheit, Demokratie, Kultur und Wohlstand.

Offensichtlich funktioniert die Recht-Links-Einordnung also nicht mehr so richtig. Nach Definition der Linken waren die Nazis rechts (antikommunistisch, rassistisch, nationalistisch, antisemitisch, tyrannisch), nach Definition der Rechten waren sie links (kollektivistisch, wohlstandsvernichtend, kulturverachtend, antisemitisch, tyrannisch).

Auch Friedrich Merz hat das Problem zumindest unbewusst erkannt, wenn er Sarah Wagenknecht gleichzeitig als rechtsextrem und linksextrem bezeichnet.

Aus meiner Sicht wäre es deshalb sinnvoller, neue Begriffe für die politischen Strömungen der Gegenwart zu finden: einerseits könnte man zwischen kollektivistisch und individualistisch, andererseits zwischen globalistisch und nationalstaatlich/nationalistisch unterscheiden. Damit wären dann die Nationalsozialisten nationalistische Kollektivisten, die Grünen globalistische Kollektivisten.

Unter Kollektivismus verstehe ich alle Ideologien, die individuelle Freiheit und Menschenwürde dem (vermeintlichen) Wohl eines Kollektivs unterordnen. Im positiven Sinn steht das Kollektiv für Stärke, Sicherheit und Geborgenheit. Im gesellschaftlichen Zusammenleben ist immer eine Anpassung notwendig und sinnvoll. Problematisch wird es, wenn das Kollektiv nur noch durch Zwang und Repression zusammengehalten wird, kein offener Meinungsaustausch stattfindet und „Alternativlosigkeit“ gepredigt wird, statt nach akzeptablen Kompromissen zu suchen.

Im Gegensatz dazu steht Individualismus für Freiheit und Eigenverantwortung. Konfliktpotential ist vorprogrammiert, wenn eigene Befindlichkeiten mit der Freiheit anderer kollidieren. Auch Eigenverantwortung kann durch unvorhergesehene Ereignisse (Krankheit, Naturkatastrophen) schnell an ihre Grenzen gelangen. Individualismus benötigt deshalb ein ständiges Aushandeln von Kompromissen.

Die große Frage besteht darin, wie viel Macht man dem Staat als ausgleichende Gewalt zugesteht und wie man verhindert, dass dieser seine Machtbefugnisse nicht immer weiter ausdehnt und dann irgendwann die Würde des Individuums dem „Volkswohl“ zum Opfer fällt. Das deutsche Grundgesetz und insbesondere die US-amerikanische Verfassung schufen dafür eigentlich schon die passenden Grundlagen - aber was tut man, wenn sie von den „Eliten“ in Politik und Medien einfach ignoriert werden?

Besonders interessant wird es, wenn zu den individuellen Bedürfnissen noch kulturelle Differenzen hinzukommen: so haben beispielsweise Japaner eine komplett andere Einstellung zum Thema Lärmbelästigung als Lateinamerikaner. Damit wären wir dann beim Konflikt zwischen Nationalismus und Globalismus.

Das (offizielle) Ziel der Globalisten ist Frieden und Wohlstand für alle Menschen der Erde. Das klingt fantastisch - und ist es auch. Menschen, die ernsthaft davon überzeugt sind, sie hätten die Patentlösung für die Probleme von 8 Milliarden Individuen gefunden, kann man eigentlich nur als größenwahnsinnig bezeichnen.

Die berühmtesten Protagonisten dieses globalistisch-kollektivistischen Größenwahns sind Bill Gates, George Soros und Klaus Schwab. Die Bundesregierungen der letzten Jahre nutzten globalistische Intentionen („Klimarettung“), um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Durch das Aufblasen surrealer Scheinkonflikte wurden reale Probleme jedoch weiter verschärft.

Im Gegensatz dazu kümmern sich Nationalisten vorrangig um die Situation im eigenen Land - die viele (die meisten?) Regierungen bereits vor kaum lösbare Probleme stellt. Das birgt dann allerdings die Gefahr, dass man versucht, eigene Probleme auf Kosten anderer zu lösen, schlimmstenfalls durch Krieg. Damit wären wir wieder bei Hitler und Stalin.

Ideal wäre ein Kompromiss: Man sorgt für die eigene Bevölkerung und pflegt friedliche Beziehungen zu anderen Staaten, durch die beide Seiten profitieren. Also eigentlich dasselbe Prinzip wie bei zwischenmenschlichen Beziehungen.

Als Vermittler auf staatlicher Ebene wurden UNO und andere internationale Organisationen geschaffen, die sich aber - ebenso wie viele nationale Regierungen - irgendwann von den ursprünglichen Idealen entfernten und heute nahezu ausschließlich mit dem Ausbau der eigenen Macht und kollektivistischer Transformation beschäftigt sind.

Aus meiner Sicht sind Individualismus und Beschränkung auf nationale Interessen gegenüber Kollektivismus und Globalismus eindeutig zu bevorzugen.

Gerade weil ein Kollektiv stärker ist, kann es einem falschen Weg deutlich länger folgen als ein Individuum, das viel schneller an seine Grenzen stößt. Beim Nationalsozialismus waren es zwölf Jahre, der Sowjetkommunismus schaffte 73. Nationalstaaten stehen (ebenso wie Individuen und Unternehmen) untereinander in Konkurrenz, das bessere Modell prosperiert und ist attraktiv für (Handels-)Partner, das schlechtere wird isoliert und scheitert - irgendwann (Nordkorea hält sich immerhin schon seit 1948).

Elon Musk steht für ein neues Ideal des individualistischen Globalismus: freier Austausch von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften nach individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Gleichzeitig befürwortet er den Erhalt nationaler Souveränität, Werte und Kultur. Inwieweit sich das vereinbaren und mit der Trump-Administration umsetzen lässt, bleibt abzuwarten.

Auch für die AfD besteht das Problem, dass sie die von allen Seiten in sie gesetzten Erwartungen kaum erfüllen kann. Das zeigte sich bereits bei den Reaktionen auf das Gespräch von Alice Weidel und Elon Musk - und wird bei einer möglichen Regierungsbeteiligung in der Zukunft noch deutlicher werden.

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