Toddn Kandzioras Wochenrückblick 29/2021

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht sorgen

von Toddn Kandziora

Wer Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern betrachtet, der findet unser Land in vielen Kategorien abgeschlagen unter ferner liefen. Denn dort befindet sich heute dieses beste Deutschland aller Zeiten.© Quelle: Screenshot: YouTube / DW Deutsch

Durchschnittlich betrachtet habe ich fast zwanzigtausend Euro Cash zur Verfügung. Ich besitze durchschnittlich ein halbes Haus, fahre durchschnittlich ein drei Jahres altes Auto. Mache seit Jahren durchschnittlich einmal im Jahr Urlaub in einem Sonnenparadies, bekomme durchschnittlich fast dreitausend Euro Rente (wenn ich in Rente gehen sollte) und von meinen Wertpapieren, Edelmetallen und Kindern rede ich erst gar nicht. Aber ich bin nicht durchschnittlich.

Im Moment habe ich zwei SMS-Kurznachrichten von T-Online auf meinem Uralt-Handy empfangen. In diesen wurde ich darum gebeten für die Hochwasseropfer zu spenden. Vielleicht war auch ein Foto der tapferen Journalistin Susanna Ohlen von RTL beigefügt die abgekämpft, mit aufgetragenem Schlamm auf Kleidung und Gummistiefeln, der Bitte Nachdruck verleihen sollte. Ich weiß es nicht. Gleich nach den Worten „Spendenaufruf“, „T-Online“ und „Hochwasseropfer“ jedenfalls war mein medialer Beißreflex ausgelöst und ich habe beide SMS sofort gelöscht. Ein Foto hätte ich also eh nicht sehen können, auch weil ein solches zu zeigen mein Handy technisch nicht in der Lage ist.

Deutschland 2021. Ein noch europäisches Land, in welchem eine politische Kaste durchregiert, die Milliarden über Milliarden Euro an Steuergeldern in der ganzen Welt verteilt. Selbst bis nach Asien geht die Post ab. Die als Entwicklungsgelder getarnten Zahlungen an China - allein im Jahr 2019 waren es 690 Millionen Euro - sind für solch arme Geister wie meiner einer schwer nachzuvollziehen.

Noch abstruser wird es, wenn die beste Kanzlerin aller Zeiten ihre Bevölkerung zur besten Sendezeit vor laufenden Kameras und einer Kulisse aus angeschwemmten Trümmern auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt in NRW zum Geldspenden für die eigenen auffordert. Und so wird in kurzer Zeit von den Leitmedien und wirtschaftlichen Institutionen ins große Spendenhorn geblasen auf das es im ganzen Land deutlich zu hören und vernehmen ist.

Da mag sich der ein oder die andere denken, so vielen armen Notleidenden in den Ländern dieser Welt wird mit deutschen Steuerzahlungen Milliardenschwer geholfen, warum dieser Tage nicht sofort und mal schnell nicht auch den eigenen? Tja, es ist ja nicht so, das diesen eigenen finanziell nicht geholfen wird. Doch siedelt sich die angedachte Hilfe im Millionenbereich und nicht im sonst gern gewährten Milliardenbereich an.

Das Deutschland so vielen Ländern dieser Erde finanziell Hilfe gewährte und noch immer gewährt, das ist im Grunde ja etwas Schönes und für ein Land, dem es bis vor wenigen Jahren so richtig gut ging, für so ein Land gehörte sich das auch.

Womit wir beim kritischen Thema wären. Denn die vorletzte Zeile schrieb ich mit Absicht in Vergangenheitsform. „Gut ging“ und „gehörte sich das“. Diese Zeiten sind nämlich inzwischen vorbei, die kommen nicht wieder und werden mit den nächsten Generationen vergessen sein. Jeder, der dazu bereit ist, wird erkennen können, dass der Zug mit den tollen Waggons der ersten Klasse abgefahren und nicht mehr einzuholen ist. Und seit geraumer Zeit schon werden in den Bahnhöfen die Waggons der zweiten Klasse für die unteren Klassen umgebaut.

Wer Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern betrachtet, der findet unser Land in vielen Kategorien abgeschlagen unter ferner liefen. Denn dort befindet sich das beste Deutschland aller Zeiten längst, was das Vermögen, den Besitz, Einkommen oder das Renteneintrittsalter des normalen Arbeiters angeht.

Halt. Falsch. Was das Renteneintrittsalter angeht, sind wir ja weit vorn. Führend sogar. Niemand sonst in Europa muss so lange für so wenig Rentenausschüttung arbeiten wie einer der hier schon länger arbeitet. Klasse, oder? Sollte das Renteneintrittsalter tatsächlich ein paar weitere Jahre hochgeschraubt werden, werden wir in dieser Tabelle nicht mehr einzuholen sein. Weltmeister dann vielleicht sogar.

Viele Menschen, die über vierzig Jahre Steuern zahlten, die werden ihren Renteneintritt wohl nicht mehr erleben dürfen. Beabsichtigt oder nicht, doof allemal. Doof auch, dass das durchschnittliche Vermögen zwar im Land enorm gestiegen sein soll, aber immer weniger Menschen Vermögen haben und immer mehr Bürger private Schulden.

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Aber, hey, was interessiert das schon diesen ominösen „Durchschnitt“. Denn durchschnittlich betrachtet habe ich fast zwanzigtausend Euro Cash zur Verfügung. Ich besitze durchschnittlich ein halbes Haus, fahre ein drei Jahres altes Auto. Mache seit Jahren einmal im Jahr Urlaub in einem Sonnenparadies, bekomme fast dreitausend Euro Rente (wenn ich in Rente gehen sollte) und von meinen Wertpapieren, Edelmetallen und Kindern rede ich erst gar nicht.

Das ich von all dem durchschnittlichen Gedöns nichts besitze, das tut nichts zur Sache. Ich habe derzeit weder ein Auto, 1,4 Kinder, ein halbes Haus oder sonst irgendwelche Werte und meinen Bauch, nun den habe ich das letzte Mal im Jahr 2001 einer fremden Sonne ausgesetzt, aber Halleluja, preiset den Herren des Mittelmaßes, im Durchschnitt habe ich ausgesorgt und brauche mir keine Sorgen, um meine Zukunft zu machen. Ist das nicht schön?

Nein, ist es nicht. Denn uns, dem Durchschnitt geht es mehrheitlich Jahr für Jahr schlechter, während es einem kleinen Teil von Jahr zu Jahr besser und fetter geht. Und diese enorm besseren Personen wissen schon gar nicht mehr, in welches Land sie all die Kohle bringen sollen, damit sie diese nicht versteuern müssen. Damit von ihren Steuern vielleicht und möglicherweise und durch welche Katastrophen auch immer in Not geratene Landsleute schnell geholfen werden könnte.

Und so kann es eben geschehen, bei all der gut gemeinten Spendenbereitschaft für fremde Länder und einem finanziellen Engpass im eigenen Land, das die Kanzlerin an unser aller Spendenbereitschaft appelliert. Und dies mit großem Erfolg. Das kann ich jetzt auch mal so oder so sehen. Ich versuche es einmal „so“ zu sehen.

Denn von diesem Spendenaufruf abgesehen hat mich schon Tage zuvor die spontane Hilfe so vieler Menschen erstaunt und, ja, ich gebe es zu: auch berührt. Denn mal ehrlich, es tut doch gut zu wissen, dass, sollte es eine Katastrophe im eigenen Land geben, die Menschen von sich aus gewillt vor Ort mit anzupacken.

Und wenn sie dies nicht, aus welchen Gründen auch immer können dann mit Sach- oder Geldspenden helfen wollen. Und sollten dann wie ja auch geschehen, im Katastrophenfall in NRW und Rheinland-Pfalz wegen behördlicher Missverständnisse und/oder Koordinationsproblemen der vielen Feuerwehren und Bundeswehr nicht punktuell, zeitnah und effektiv diese von jetzt auf heute eingesetzt werden, so hatten sich diese doch in kürzester Zeit und aus vielen Bundesländern sogleich auf den Weg gemacht, um zu helfen und Not zu lindern. Ist das nicht großartig?

Und vor Ort? Vor Ort waren es wieder unsere Bauern mit ihren Traktoren, unsere Handwerker mit eigenen Fahrzeugen und tausende von Helfern, die aus ganz Deutschland zu Hilfe eilten. Sollte uns das nicht stolz auf unser Land und unsere Leute machen? Das sollte es. Denn in großer Not zeigte sich wieder, was ich seit langer Zeit so vermisst hatte und was das Land stark hält: Gemeinschaft.

Recht irritiert hat mich jedoch in den letzten Tagen der ein oder andere Kommentar von Politikern und von Seiten der Polizei. Diese hatten den Anschein, als versuchten sie eine neue Gemeinschaft im entstehenden Kern sogleich wieder zu zerstören. Dies taten sie, indem sie mittels Medien vor falschen Helfern warnten. Die Bevölkerung darauf aufmerksam machten, dass diese falschen Helfer versuchen würden, durch ihren Hilfseinsatz rechtes und/oder querdenkendes Gedankengut zu verbreiten. Vor Ort lebende Bewohner wurden gewarnt sich mit derartigen Personen abzugeben. Ist das nicht beschämend?

Kommen wir zu etwas ganz anderem, doch bleiben wir bei unseren gewählten Oberhäuptern: Den Vertretern der schlauen und reichen, manchmal sogar der schönen Eliten, die derzeit versuchen unsere Gemeinschaft zu spalten. Kommen wir hier, und dies ist nur ein tragisches Beispiel von vielen, zum bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).

Ob nun Söders älteste Tochter Gloria-Sophie mit Schuhgröße 42 bei beachtlicher Körpergröße von 1,82 cm demnächst ein tolles Fotomodell wird, oder seine Frau Karin nun, laut „Correctiv.org“ und „Faktencheck“ a) nicht mehr als zweihundert selbst gebaute Masken Visiere spendete oder b) 242 Millionen Euro Umsatz mittels gewisser Maskendeals verdiente, das ist mir wumpe. Ich werde nie wirklich erfahren, ob Antwort A oder Antwort B mir den Weg ins Licht der Wahrheit weisen wird.

Was mir jedoch nicht wumpe ist, ist die politische Verwandlung Herrn Söders im Vergleich zu früheren Aussagen: „Wer Klimaveränderungen leugnet, versündigt sich an der nächsten Generation.“ Hat er wirklich gesagt. Söder scheint es anscheinend nicht mehr unter religiösen Wahnwerten händeln zu können.

In welcher Partei ist er noch mal? Bei den Grünen? Ist er nicht. Markus Söder ist seit März 2018 Ministerpräsident Bayerns und seit Januar 2019 Parteivorsitzender der CSU. Und er hat einen Amtseid abgelegt auf die Verfassung seines Landes, er hat geschworen, gehorsam gegenüber den Gesetzen zu handeln und seine Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen.

Gottseidank für ihn und weitere führende Politiker bis hoch hinauf zu Angela Merkel kann man dieses Gewissen noch nicht sichtbar machen. Aber auch wenn man es könnte, wäre Deutschland was seine politische Klasse angeht, hier schon unter ferner liefen abgeschlagen – wir sind schon lange keine Vorbilder mehr, wer Freunde im Ausland hat, der weiß um die vielen irritierenden Fragen auch in diese Richtung.

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