Der Rekrut von heute schafft keine Nacht mehr im Zelt

Wenn der Morgen graut und der E-Wecker noch leuchtet

von Toddn Kandziora (Kommentare: 7)

Was der eine nicht hat, könnte die andere haben. Was die eine nicht kann, das kann jemand anderes. Alleine wird es schwer.© Quelle: Pixabay / Uwe Mücke

Kennen Sie auch diesen gewissen Zweifel am Morgen. Gleich nach dem Aufstehen. Dieser kleine, sorgenvolle Zweifel, nicht zu wissen, ob der Strom noch fließt?

Morgens, wenn das tägliche Grauen gemeinsam mit mir in der neuen Zeit erwacht, blicke ich zuerst auf den elektrischen Radiowecker neben meinem Bett. Ein Gerät, das ich nicht wirklich brauche, da mein Hund mich jeden Morgen pünktlich kurz vor sieben Uhr wachstupst. Wegen seines Frühstücks.

Erkenne ich jedoch um sieben Uhr in der Früh die elektrisch betriebene Uhrzeitanzeige, so weiß ich, ja, er fließt noch. Der Strom. Noch. Denn dass er, der Strom fließt, ist von Tag zu Tag fraglicher.

Strahlt die Uhrzeit meines Radioweckers hell in meine Richtung, dann freue ich mich, mir den ersten Kaffee an diesem Tag noch mit Strom zubereiten zu können. Morgen vielleicht werde ich diesen mit dem Gaskocher aufbrühen müssen. Und wenn die letzte Gaskartusche verbraucht ist, dann wird die alte Küchenhexe reaktiviert. Diese steht aus gutem Grund noch im Keller. Wie das Plumpsklo und mehrere gefüllte Regentonnen hinter dem Haus.

Wohl demjenigen, dem derartige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sollte der Strom über Tage hinweg einmal nicht fließen. Aber kommen wir zum wunden Punkt aller Krisen. Was bitteschön nützt dem Menschen die beste Notvorsorge, wenn er diese nicht zu nutzen versteht beziehungsweise zur richtigen Zeit am besseren Ort anzuwenden weiß. Wie ich das meine? Nun, ein paar wenige Beispiele.

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Beispiel Nummer eins: Was nützen einem Stadtmenschen in seiner Drei-Zimmer-Wohnung im zehnten Stock eines Wohnhauses hundert gehortete Klopapierrollen wenn schon bei einem kontrollierten Brownout des regionalen Stromversorgers nach der ersten Klospülung kein Wasser für eine zweite mehr zur Verfügung steht?

Beispiel Nummer zwei: Was nützen einem hungrigen Menschen hundert gehortete Raviolidosen im Keller (sollte er denn einen zur Verfügung haben) und er keinen Dosenöffner besitzt und keine Ahnung hat, wie mit dem Küchenmesser oder Schraubenzieher eine Dose geöffnet werden kann. Solche Menschen gibt es nicht? Doch die gibt es. Und nicht wenige.

Beispiel Nummer drei: Was nützt einem Stadtmenschen sein vollgetankter Benziner/Diesel vor der Haustür (ein Elektroauto ist in der Krise nutzlos) mit Notfallrucksack und Zelt auf dem Rücksitz sowie Wasser, Nahrungs- und Treibstoffvorräte im Kofferraum, wenn er wegen des Verkehrschaos in der Stadt mit großer Wahrscheinlichkeit keine zwei Kilometer vorankommen wird?

Beispiel Nummer vier: Was nützen eine vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe von ehemals drei auf für diesen Herbst zehn Tage empfohlene Bevorratung an Wasser und Lebensmitteln, wenn schon die erste Nacht im Dunkeln (und kaltem) für die meisten Menschen von heute in der Krise nicht zu ertragen sein wird?

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Mein wichtigster Schatz – sollte die große Krise über mich kommen –  ist ein Erste- Hilfe-Koffer mit mehreren Packungen Beruhigungstabletten und Schlaftabletten. Gleich ein Fach tiefer dann Schmerztabletten, Kohletabletten und andere Medikamente, die möglicherweise mir oder Mitmenschen in meinem Umfeld beizeiten helfen.

Nebenbei erwähnt. Damit niemand sich jetzt Sorgen macht. Die Beruhigungs- und Schlaftabletten habe ich nicht bevorratet, um mich klamm und heimlich aus dem Dunstkreis der Katastrophe zu machen. Aber die ersten Tage der Krise ausgeschlafen und relativ „relaxt“ durchzustehen ist von Vorteil. Weil mit dunklen Augenringen Sorgen zu haben und angsterfüllt wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend zu flattern wird eher von Nachteil sein.

Die ersten Tage eines möglicherweise europaweiten Notstandes werden für einen jeden entscheidend sein. Lebensentscheidend. Wer zum Beispiel während eines Blackouts gerade im Fahrstuhl unterwegs ist, hat eindeutig die Arschkarte gezogen. Feuerwehr und Rettungsdienste werden für längere Zeit mit vielen anderen Rettungsmaßnahmen beschäftigt sein.

Wer im Auto im Moment des Stromausfalls bei Grün über eine verkehrsreiche Kreuzung fährt, wird auf beeindruckende Weise feststellen, das für andere Verkehrsteilnehmer aus anderen Richtungen kein Rotlicht zu sehen war. Sagen wir so. Es wird krachen und verdammt viel Ärger geben. Aber das wisst Ihr sicher eh schon alles. Das Buch BLACKOUT von Marc Elsberg ist seit seinem Erscheinen im Jahr 2012 ein Bestseller.

Meiner Meinung nach wird die eigene stabile Psyche, die Familie, die Gemeinschaft, sollte es tatsächlich in den kommenden Monaten eine wie auch immer geartete Krise geben, wichtiger sein als privat gehortetes Klopapier und kistenweise billiges Dosenfutter im Keller. Wie eine gute Nachbarschaft und/oder der helfende Freundeskreis.

Was der eine nicht hat, könnte die andere haben. Was die eine nicht kann, das kann jemand anderes. Alleine wird es schwer. Kalte Tage und dunkle Nächte durchzuhalten. Daher: Solltet Ihr mit Nachbarn Streit haben, versucht diesen zu schlichten, Euch zu vertragen. In der Not ist gute Nachbarschaftshilfe wertvoller als Gold. Seht Euch in Eurem Freundeskreis um, wer Fähigkeiten oder Dinge besitzt, die für Euch selbst, die Familie oder Dorfgemeinschaft von Nöten sind, Euch helfen. Im Gegenzug bietet Fähigkeiten oder Dinge an, die Ihr besitzt, die sie nicht haben.

Bedenkt: Wenn zehn Einzelpersonen mit einem Notstromaggregat und hundert Liter Diesel im Keller sitzen, reicht der Sprit für jeden knappe drei Tage. Sitzen diese zehn Menschen jedoch zusammen im Keller (oder in der mittels Holzofen geheizten guten Stube) reicht die Notfallstromversorgung einen Monat. Zudem halten zehn Menschen in der Gemeinschaft psychisch länger durch als allein in einem Zelt im Wald.

Das ist auch so eine Sache mit Zelten. Glaube ich den Absatzzahlen gewisser Survivals und Campinganbieter, haben sich nie so viele Menschen mit Zelten, Campingkochern und Ausrüstungsgegenständen für das Überleben in freier Natur eingedeckt wie in den drei Jahren Coronas. Doch mal ehrlich. Wer will denn allein im Wald ausharren, bis welche Krise immer auch behoben ist? Ich doch nicht. Das würde schon mein Rücken nicht mehr mitmachen. Und schon gar nicht im Spätherbst oder Winter.

Da sitze ich doch lieber mit Kumpels bei Bier, selbst gebackenen Brot und leckeren Sachen in einem gemütlichen Raum am brennenden Kamin und freue mich darüber, nicht allein in eine traurige Dunkelheit blicken zu müssen. Wer will das denn auch schon? Zudem ist der heutige Mensch doch gar nicht mehr in der Lage, auch nur eine Nacht in freier Natur allein verbringen zu können. Und schon gar nicht ohne ein funktionsfähiges elektronisches Gerät zur Verfügung zu haben.

Da können Ausbilder der Bundeswehr ein Lied drüber singen. Dass nicht wenige der heutigen Rekruten das oft gar nicht mehr schaffen. So eine Nacht alleine im Dunkeln bei Kälte und ohne Verpflegung im Wald. Und wenn das nicht einmal mehr angehende Soldaten von Spezialkräften schaffen, dann wird Otto Normalbürger auf eine einsame Nacht im Wald gut verzichten wollen. Denke ich. Also. Was wollen so viele Menschen eigentlich mit diesen Survivalzelten und teuer erworbenen Überlebensausrüstungen. Angeben? Sich in trügerischer Sicherheit wiegen?

Wie bin ich auf all das jetzt eigentlich gekommen? Auf eine derartig dystopische Sicht der zu erwartenden Ereignisse. Zustände, die ich doch gar nicht erleben möchte. Die ich selbst der deutschen Regierung, die nicht frei der Unschuld an möglichen kommenden Ereignissen wäre, nicht an den Hals wünsche. Großen Krisen, denen, da bin ich ehrlich, ich nicht gewachsen wäre. Psychisch eher fraglich und physisch kaum.

Ach ja. Jetzt habe ich es wieder. Heute Morgen. Gegen sieben Uhr in der Früh, als ich wie jeden Morgen von einer feucht-kalten Nase wachgestupst wurde, ging kurz darauf der Radiowecker an und ich wurde von einer Nachrichtensprecherin mit dem neuesten heißen Scheiß aus Politik und Irrsinn gemartert.

Das NATO-GRÜNE Schönhaar Hofreiter und SPD Roth sprachen sich für die Aufstellung einer europäischen Panzerlieferung bestehend aus zweitausend (!), ja, sie lesen richtig, 2000 (!) Leopard 2 -Panzern zur Entsendung in die Ukraine aus. Zur Erkämpfung des Friedens.

Irgendjemand hatte die beiden heißen Krieger anscheinend darüber informiert, dass auf Europa verteilt diese enorme Anzahl schwere Panzer tatenlos herumstehen. Man müsse diese nur suchen, finden und in die Ukraine schicken. Zweitausend Leopard-Panzer. Meine Güte. Was hätte damals ein Generaloberst Heinz Wilhelm Guderian an der Ostfront mit solch einer gewaltigen Angriffsmacht in Russland noch angerichtet.

Vielleicht wäre ein auf Deutschland begrenzter Blackout gar nicht mal so verkehrt. Dann müsste ich im strombefreiten Land derartige Kriegsmeldungen nicht ertragen.

Auch im schlimmsten Übel kann der Mensch, so er nur will, Gutes erblicken.

Informationen des Bundesamtes für Katastrophenschutz zur Bevorratung im Krisenfall findet Ihr hier.

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