Ich war die letzte Woche zur Abwechslung mal mies drauf. Nein, keine Depression oder so etwas – die hat bei mir längst aufgegeben. Auch die Dauerzahnschmerzen aus den vergangenen Kolumnen sind weggeblieben. Jetzt meldet sich nur ein langweiliges Zwicken im rechten Knie, ein Stechen im Rücken und heute Morgen ein leichter Kopfschmerz wegen Wetterumschwung. Normale Nebensächlichkeiten eines alten, weißen Mannes, der stramm auf die sechzig Lenze zusteuert.
Was mir die letzten Tage wirklich zusetzte, war, was heute „Nachrichten“ genannt wird. Die Meldungen im Radio, in den Zeitungen und im Internet in den vergangenen sieben Tage: unterirdisch! Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber Fernsehsender ertrage ich schon seit Jahren nicht mehr. Diese Nachrichten machen, dass mir die Welt um mich herum von Tag zu Tag surrealer erscheint, dystopisch wie kafkaesk. Und die Kommunikation in den sozialen Netzwerken – mit den wenigen verbliebenen richtigen und den viel zu vielen so genannten Freund*innen – verstärkt diesen Eindruck noch.
Erschreckend viele Leute haben sich mit den herrschenden Verhältnissen arrangiert. Mehr noch, sie unterstützen die Mächtigen bei Kritik und Zweifel ideologisch und schnappen sofort zu, wo jemand aus der Reihe tanzt: ein pawlowscher Reflex auf Basis eines „Rechts um sich Beißen“. Die Gerissenen, die Etablierten und Gelehrten, die vom System Abgesicherten lernen alles auswendig und pflegen Phrasen und Worte wie Waffen gegen die Meinung Andersdenkender. Zu viele Menschen sind unempfindlich geworden gegenüber der nächsten schon wieder neuen verstörenden Nachricht - dabei taub gegenüber dem Wehklagen und den Hilferufen vieler Menschen.
Ich sah diese Woche Polizeihubschrauber, die im Tiefflug hunderte von Menschen auf Seen bei Berlin von Eisflächen vertrieben, um „Sicherheitsschutzmaßnahmen“ durchzusetzen. Oder doch nur, wie später irgendwo verteidigend behauptet wurde, weil das Eis zu dünn war?
Ich sah die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, die über das EU-Rednerpult ihre Arme ausbreitete, wie einst Jesus zum Abendmahl, die den ihr ausgelieferten Bevölkerung*innen Europas Trost spendete und ihren Segen sprach.
Ich sah, wie der ehemalige EZB-Chef Draghi (Großbanker und Nichtpolitiker) in Italien als Ministerpräsident eingesetzt und innerhalb weniger Tage vereidigt wurde. Wurde er gewählt? Nein, er wurde nicht gewählt. In den Zeiten ihrer „Pandemie“ eine inzwischen unwichtige Nebensächlichkeit.
Ich sah wie sechs oder sieben Polizist*innen in Kampfmontur eine alte Dame auf einer Querdenker-Demo wegen „Maskenmissachtung“ (kurz vorher hielt sie ängstlich diesen Polizist*innen ein Befreiungsattest vor Augen) festnahmen und dann unter Einsatz von Gewalt wegschleppten. Sechs oder sieben Polizist*innen! In Kampfmontur! Respekt?
Ich sah gestern das erschütternde Video eines Psychologen, der wie viele andere Ärzte in dieser Woche frühmorgens eine Hausdurchsuchung erleben musste. Er wurde denunziert. Ihm wurde zur Last gelegt, verdächtig zu viele Maskenbefreiungsatteste ausgestellt zu haben. Da all seine Computer und Kommunikationsgeräte beschlagnahmt wurden, ist sein Praxisbetrieb jetzt nicht mehr möglich. Eine Hausdurchsuchung aufgrund von Denunziation ist dieser Tage beileibe kein Einzelschicksal. Die Zahl der in Mitteldeutschland denunzierten Ärzte soll sich laut Mitteilung des MDR innerhalb einer Woche stramm auf die hundert zu bewegt haben.
Ich sah auf Telegram, was ein Impfstoff bei Menschen schon kurz nach der Impfung anzurichten in der Lage ist. Ich konnte nur wenige Sekunden zusehen. Ich wage nicht, mir weitere Gedanken über mögliche Langzeitfolgen zu machen.
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Nun könnte ich die Liste mit den Ereignissen der letzten Tage noch um viele Zeilen mehr ergänzen. Doch hätte das einen Nutzen? Für diejenigen, die den Verlautbarungen des Staates und seiner Erfüllungsgehilfen trauen, die bereit sind all die neuen Wahrheiten anzunehmen, für diejenigen sind meine Ängste und Sorgen nichts als Geschwurbel oder schlimmer: rechtes Aluhutgeschwätz.
Die Individualpsychologie spricht hier von Verdrängung. Verdrängung unliebsamer bis unglaublicher Ereignisse.
Wenn die reale Wahrnehmung schmerzhafte Gefühle entstehen lässt, wird sie unter Umständen, (oder unter Anleitung) unbewusst unterdrückt. Menschen leugnen dann, was ihnen normalerweise emotionale Schmerzen bereitet. Dr. Hans-Joachim Maaz, Autor des Buches „Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft“ geht in seiner Gesellschaftsanalyse noch weiter: Maaz behauptet, wer sich schnell neuen Regeln und Verordnungen anpassen kann, überkonform verhalte, derjenige lebe ein falsches Leben und wäre ein Normopath.
Wenn z.B. nach einer landesweiten Katastrophe oder durch ein Schockerlebnis (ein Blackout oder eine Pandemie) hoher Anpassungsdruck auf die Bürger eines Landes ausgeübt wird, kann unter Gruppenzwang ein großer Teil der Bürger normopathisch erkranken. Nun, wenn ich mir unser Land und viele seiner Bürger*innen betrachte, könnte Herr Maaz möglicherweise mit seiner Theorie so falsch nicht liegen.
Aber ich komme von meinem Weg ab. Ein Schwank aus meiner Jugend kann besser erklären, warum ich mich heute so schwertue, Menschen aus besserem Hause, in hohen Ämtern und Positionen Glauben zu schenken, ihnen zu trauen. Irgendwann Ende der siebziger Jahre nahm ich in unserer Kreisstadt an einer Hausbesetzung teil. Eine alte verlassene Villa unweit des Stadtparks wurde an einem sonnigen Sommernachmittag kurzerhand okkupiert. Die meisten Beteiligten hatte ich erst kurz vorher kennengelernt. Von Hausbesetzungen hatte ich bisher wenig gehört und keine Erfahrung. Aber egal. Ich machte mit.
Keine 24 Stunden dauerte diese Hausbesetzung, da kam am nächsten Tag schon die Polizei, packte uns in alte VW-Bullis und fuhr mit uns auf die Hauptwache der Stadt, wo wir alle aufgeregt und gackernd wie Hühner auf langen, kalten Holzbänken sitzen mussten. Nach und nach machten meine neuen Kumpels ihre Anrufe. Ich nicht. Wir hatten damals daheim kein Telefon. Ich wäre auch nicht auf den Gedanken gekommen zu Hause anzurufen. Wieso auch. Jedenfalls erschienen bald etliche Anwälte und Eltern, die einen nach dem anderen meiner Hausbesetzerkumpels mit nach Hause nahmen. Es dauerte wohl zwei Stunden und ich saß allein auf der Bank. Die Eltern meiner neuen Mitstreiter waren, wie ich später erfuhr, Anwälte und Richter. Sie waren Architekten, Ärzte, Rektoren, Professoren und Direktoren. Bessere Leute eben. Also blieb ich auf der Bank sitzen. Irgendwann kam ein Polizist und fragte, wer mich denn mal abholen würde. Ich erklärte ihm was Sache ist.
Darauf schaute er mich schmunzelnd an und meinte nur – und den Satz werde ich nie vergessen – : „Ich schätze mal du solltest dir neue Leute suchen. Die sind nichts für dich. Zu denen gehörst du doch gar nicht.“
Heute, über die vielen Jahre zurück betrachtet kann ich sagen, ja, er hatte Recht. Diese Leute waren und sind soziologisch betrachtet nichts für Leute wie mich. Das zu begreifen musste ich fast sechzig Jahre alt werden. Heute haben die Hausbesetzer von vor vierzig Jahren von der Polizeibank aus die Jobs ihrer Eltern übernommen oder leben auf ihrer eigenen Trauminsel. Sie sind in die Politik gegangen, ins Management diverser Banken und Unternehmen. Häuser müssen sie schon lange nicht mehr besetzen. Die erben oder kaufen sie. Und das gleich im guten Dutzend. Wie alles andere auch.
Und wenn ich mir aus diesem Corona-Maßnahmen-verdüsterten Blickwinkel unsere heutigen Vertreter einer grün-revolutionären, politisch korrekten Jugend betrachte, da hat sich nichts geändert. Das sind wiederum die Kinder der Hausbesetzer von damals, diese Carola Raketes, die Reemtsma Töchtern und die Enkel der Enkel der irgendwas.
Wie sagte Carola Rakete im letzten Jahr? Wenn es ihr in Deutschland zu voll wird, dann zieht sie dorthin, wo es warm ist und weniger Menschen leben. Soll sie so gesagt haben. Diese Menschen können einfach so mit dem Flieger auf die Insel rüber machen, wenn es hier brennt oder ihnen zu voll wird, der Strom ausfällt oder die Luft dünner wird. Alle anderen Menschen müssen ausbaden, was diese Hausbesetzerkinder angerichtet haben. Ich kann diese Gesichter nicht mehr sehen, wenn sie in den Nachrichten auftauchen und einer Empörung Raum geben, die sie sich mühsam vor dem Spiegel antrainieren mussten. Ihren erhobenen Dudu-Finger entlarvt die illegale Maniküre. Und wo sie Gelegenheit bekommen, sich öffentlich-rechtlich laut über uns Unvernünftige zu erregen, schütteln sie dazu angewidert ihre frisch frisierten Köpfe. Ich will das nicht mehr anschauen müssen.
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