Alle Nazis außer schwul

Verfassungsschutz jagt heterosexuelle weiße Stolzdeutsche

von Julian Adrat (Kommentare: 8)

LGBT Pride Month versus Stolzmonat© Quelle: X/ Niedersächsischer Verfassungsschutz, Screenshot

Sie ist unter dreißig, würde ich sagen. Der rote Lippenstift glänzt frisch, ihre Augen leuchten unter der frisch aufgetragenen Wimperntusche, ihre lockigen, rötlichen Haare fallen in ihren breiten Ausschnitt, sie trägt ein Scaffold Piercing, Ohrringe, ihre Unterarme sind im Stil primitiver Kritzeleien tätowiert.

Und sie arbeitet für den Verfassungsschutz. Sie klärt über den #stolzmonat auf, der sich als Gegenbewegung zum Pride Monat gegründet hat.

Viele werden sich einen Verfassungsschützer anders vorgestellt haben. Als eine Person, die Integrität und einen scharfen analytischen Verstand ausstrahlt. Einen Mann mit grau melierten Schläfen und Brille, eine Frau mit zusammengebundenem, straffen Zopf, die im Büro Kostüm trägt. Beide sind körperlich fit, halten Berufliches und Privates strikt getrennt. Zu beurteilen, wer wen liebt, ist ihnen fremd. Natürlich ist dieses Klischee überholt.

Der alte Kampfbegriff der Spontis „Das Private ist politisch und das Politische ist privat“: Im Regenbogen ist er endlich Wirklichkeit geworden, und zeigt immer unverhohlener seine autoritäre Fratze: In einer sich monatlich neu dogmatisierenden Einverleibung sexueller Spielarten und Präferenzen macht neuerdings der Verfassungsschutz Niedersachsen höchstpersönlich Jagd auf Abtrünnige der Regenbogen-Religion.

Die LGBTQIA+Community zähle zu den Feindbildern der rechtsextremen Szene, so die VS-Sprecherin im schwarzen Kleid. „Neben der Diskriminierung von queeren Menschen sind Nationalismus, also übersteigerter Nationalstolz bei gleichzeitiger Abwertung anderer Nationen und die Ablehnung von Werten liberaler Demokratien Kernelemente des #Stolzmonats.“ Die Deutschlandflagge solle als Symbol für diese Kampagne vereinnahmt und mit den genannten Elementen assoziiert werden. Queer-Feindlichkeit nutze die Neue Rechte, um an bereits bestehende Vorurteile in der Gesellschaft anzuknüpfen und ideologisch Gleichgesinnte zu aktivieren.

Im Video wird ein Vater eingeblendet, der die Deutschlandfarben als Schild hochhält, um seine Tochter vor einem aus dem Himmel feuernden Regenbogen-Laser zu schützen. Auf diese Weise, so die Verfassungsschützerin weiter, solle der Eindruck einer großen Gegenbewegung zum Pride Month entstehen.

Besser spät als nie, wird man sich gesagt haben, der #stolzmonat ist immerhin seit 10 Tagen (!) vorbei. Dabei ist die hochnotpeinliche Propaganda der mit Glottisschlag sprechenden Verfassungsschützerin wenig mehr als ein Beinschuss: Wer den Stolzmonat noch nicht kannte, der kennt ihn, dank der Verfassungsschützer*innen aus Niedersachen, spätestens jetzt.

Und um ganz sicher zu gehen, erklärt man im Thread unter dem eigenen Video akribisch, was LGBTQIA+ bedeutet: Es stehe für die englischen Worte: „lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer/questioning, intersex, asexual. Übersetzt: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender/transsexuell, queer/fragend, intersexuell, asexuell. Das + (manchmal auch *) dient als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten.“

Auf seiner Website definiert sich der Verfassungsschutz in Niedersachsen als „moderner Dienstleister zu Fragen der Inneren Sicherheit für Staat und Gesellschaft“. Die rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes verrichteten mit Sachkunde und „durchaus selbstkritischer Einstellung“ ihren Dienst.

Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass, je härter der „Kampf gegen Rechts“ geführt wird, desto mehr Geschlechtsidentitäten tauchen auf. Darüber kann man lachen, man kann es auch traurig finden. Nur unterschätzt werden sollte es auf keinen Fall. Diese Leute meinen das bitterernst.

Das schreibt die regieurngsnahe Amadeu Antonio Stiftung über den Stolzmonat

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