„Den Transgenderismus verstehen manche als maßgeschneiderten Steigbügelhalter für eine neue Form des Totalitarismus.“

Über Lesbenhass, Transgenderismus und einen Naziverdacht

von Julian Adrat (Kommentare: 4)

„Die Rückbesinnung auf vermeintlich natürliche Instinkte von Müttern bietet ein offenes Tor für mütterverherrlichende Glaubenssätze“© Quelle: Pixabay/ Mohann

Als Kind hat mir eine bestimmte Geschichte besonders großen Schrecken eingejagt: Nimmt ein Rehkitz Menschengeruch an, erkennt die Mutter es kaum wieder.

Vielleicht war die Vorstellung, die elementarste Liebe versagt zu bekommen, die mütterliche, so erschreckend für mich. Und das ganz ohne Grund. Der Grund bleibt unsichtbar. Das Kitz sieht nicht anders aus, es hat nichts falsch gemacht.

Vielleicht ticken Menschen ähnlich, dachte ich. Wenn dein Baby mit ein paar Monaten in die Kita kommt und dort neun Stunden am Tag bleibt, stört es dich auch nicht, wenn in der Grundschule Männer in Frauenkleidern vorbeischauen, um vorzulesen.

Übrigens steht, wer gegen Drag-Queen-Lesungen ist, unter Naziverdacht. Und ein „Naziproblem“ haben auch jene, die glauben, dass Kleinkinder zu Hause besser aufgehoben sind als in der Kita. Lisa Kreuzer schrieb unlängst in der ZEIT: „Die Bindungsorientierung ist von Anfang an mehr als ein feinfühliger Erziehungsstil achtsamer Eltern gewesen. Mit ihrer Rückbesinnung auf vermeintlich natürliche Instinkte von Müttern bietet sie ein offenes Tor für mütterverherrlichende Glaubenssätze.“ Attachment Parenting nenne man das. Und sie zitiert Nora Imlau: "Die neuen Rechten erziehen ihre Kinder längst nicht mehr mit Härte und Drill, sondern präsentieren sich als sanfte und zugewandte Eltern."

Es ist schwierig, zu sagen, was im Mainstream-Feuilleton überwiegt: Der Hass auf Rechtsradikale oder der Neid auf glückliche Familien. Wahrscheinlich ist es ähnlich wie bei linker Wirtschaftspolitik, die sich in erster Linie aus Neid auf die Reichen speist und weniger aus Mitgefühl für die Armen. Müsste ich tippen, würde ich sagen, der Neid überwiegt. Hass ist vielleicht gar nichts anderes als unterdrückter Neid.

Jedenfalls sind Einordnungen überhaupt schwierig geworden: Vor wenigen Tagen zogen 20 Lesben durch Berlin. „Frauenräume müssen sein - Kein Typ, kein Trans, kein Schwanz kann rein“, skandierten sie. Die Polizei hatte Mühe, sie vor 200 Gegendemonstranten zu schützen, gewaltbereit, hinter FFP2 gepackt. Gewiss gab es auch auf der Gegenseite Lesben, aber diese Zwanzig waren Lesben, die nicht an lesbische Männer glauben. Deshalb gelten sie als transphob.

Es ist 22 Jahre her, dass „Schwule Mädchen“ von Fettes Brot die Charts eroberte. Laut Rapper Schiffmeister wollte die Band einen Denkanstoß für homophobe und frauenfeindliche HipHopper geben. Zwanzig Jahre später gibt es gewaltbereite Homophobie unter dem Label „lesbische Männer“. Das nennt man Ironie des Schicksals. Der Transgenderismus ist der Dracula des Homo-Kults: Wenn Liebe und Fortpflanzung nichts mehr miteinander zu tun haben, lösen sich auch Geschlechtsteile im nächsten Schritt von ihrer biologischen Zuordnung. Die Logik ist bestechend.

Den Transgenderismus verstehen manche deshalb als maßgeschneiderten Steigbügelhalter für eine neue Form des Totalitarismus. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt Autokraten vor Neid erblassen. Wenn die Pubertät einsetzt, wenn gegen die Eltern rebelliert wird, tritt der Staat auf, mit Hormonspritze und Chirurgenmesser. Man kann es ebenfalls Ironie des Schicksal nennen: Legt man vier moderne Regenbogenflaggen aneinander, erhält man ein Hakenkreuz.

Ja: Tyrannei beginnt immer mit der Unterwanderung elterlicher Autorität. Aber sollte man wirklich Angst haben vor einer Ideologie, die mit solchem Appetit ihre eigenen Kinder frisst? Der Tweet ist mittlerweile gelöscht, aber ich werde nie die Bilder vergessen von dem 16-Jährigen, den man nicht retten konnte. E-Coli-Bakterien hatten ihn infiziert. Man hatte versucht, ihm aus einem Stück seines Darms eine Vagina zu basteln.

Für den Woke-Kult sind das nur Kollateralschäden. Vor zwei Wochen gab das Bildungsministerium von New York neue Richtlinien im Umgang mit „geschlechtsexpansiven“ (sic!) Schülern heraus: Eltern belügen. Wenn Kevin Kim werden möchte, sollten Lehrer weibliche Pronomen verwenden. Wenn Lehrer aus irgendeinem Grund zu Hause anrufen, sollten sie weiter von Kevin und „ihm“ reden, und den Eltern nichts davon sagen.

Mir ist nicht bekannt, dass es ähnliche Vorgaben schon von deutschen Behörden gibt. Aber Drag-Queen-Lesungen gab es bis vor kurzem auch noch nicht. Nichts ist unmöglich.

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