Toddn Kandzioras Wochenrückblick 47/2022

Tränen lügen nicht

von Toddn Kandziora (Kommentare: 1)

Eine große Traurigkeit fährt in dieser Zeit allerorten ihre beschämende Ernte ein.© Quelle: Pixabay / victoria_watercolor

Fern der Heimat, im heißen Sand Katars, ist diese Woche ein Karton Moralin umgekippt und ganz Deutschland diskutiert derweil über Sinn und Unsinn bunter Binden.

Ganz Deutschland? Nein, nicht ganz Deutschland. Ein andersdenkender, aufrechter Teil Hiergeborener leistet weiterhin Widerstand gegen die woke Regenbogenmacht. Gegen eine religiöse Regierungssekte, die unser Land übernimmt.

Die unerschütterlich und fest im Glauben ihrer Ideologie Deutschland bis zur Unkenntlichkeit verändert und dabei gewillt ist, das Land abzuschaffen. Die in ihrem Allmachtsglauben nicht zurückschreckt, der Welt zu erklären, was ihrer Ansicht nach Moral und Anstand wäre. Wie die Menschen dieser Erde zu leben, zu handeln und zu denken haben.

Kommen wir zu etwas ganz anderem. Lassen wir die Woken und ihre Regierung einmal links liegen. Auch werde ich nicht auf die Mannschaft eingehen. Eine Truppe, die, seien wir ehrlich, fast allem entspricht, was der rot-grünen Regierung heilig ist, den Fans jedoch wenig zu geben bereit ist.

Ob die Spieler dieser Mannschaft überhaupt wissen, was sie dem deutschen Fußball antaten, antun? Ich denke nicht. Beschäftigen wir uns mit anderen Dingen. Den Dingen unseres Lebens. Dem wirklichen Leben.

Gestern gab es endlich wieder Kohlen zu kaufen. In einem Baumarkt der nächsten Kreisstadt. Ich machte mich mit dem alten VW-Bus sofort auf den Weg. Auf der Fahrt in die Stadt kamen mir mehrere andere Fahrzeuge entgegen. In einem dieser sah ich zwei junge Frauen mit Kopftuch ohne Maske sitzen. Sie lachten offen und herzlich, sodass ich makellose Zahnreihen erkennen konnte.

Wie lange hatte ich keine Menschen mehr in einem entgegenfahrenden Auto lachen sehen. Viel zu lange nicht. Ich nahm ihr Lachen, das mich selbst lächeln ließ, das gut tat wie ein kleines unerwartetes Geschenk, mit auf meinen Weg.

Im Baumarkt hatte ich Glück. Von den zwei Paletten Briketts, vor denen ich stand, waren acht 25-Kilo-Pakete verblieben. Ich fragte den Angestellten am Infostand, ob ich die ganzen vier Zentner kaufen dürfe oder es eine Höchstgrenze pro Käufer gebe. Die gab es nicht. Ich durfte die verbliebenen vier Zentner Kohlebriketts kaufen.

Wann und ob wieder Briketts im Angebot wären, konnte er mir nicht sagen. Die Zeiten wären unübersichtlich und unkalkulierbar. Nichts Genaues weiß man nicht. In dieser Art. Als ich dem Mitarbeiter sagte, dass es früher in den 1970er und 80er Jahren in Halberstadt zwar selten Bananen, dafür aber Kohle zum Heizen gab, griente er mich an, so als ob er genau wüsste, was ich ihm mit meinem Vergleich sagen wollte.

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Zu Wochenbeginn gab es schon einmal Briketts im Baumarkt. Doch stand am Montag dieser Woche nur eine einsame Palette Kohlen zum Verkauf bereit. Als ich gegen Mittag ankam, waren alle 25-Kilo-Pakete dieser einen, einsamen Palette des schwarzen Heizmaterials bereits verkauft. Der Weg, es sind etwas mehr als dreißig Kilometer hin und zurück, war umsonst gewesen.

Nein. Nicht umsonst. Rechne ich den verfahrenen Diesel in Euro um, so komme ich auf fünf Euro für in den Wind. Für fünf Euro hätte ich zehn Kilo Kohle kaufen und im Schuppen stapeln können. Zwei Nächte mehr hätte ich heizen können.

Noch letztes Jahr bestellte ich drei Dörfer weiter Briketts bei einem bekannten Kohle- und Holzhandel. Ein Anruf im Spätsommer und die Woche drauf wurde günstig Holz und Kohle geliefert. Der Winter durfte kommen. Und sollte dieser ein bitterkalter werden, so musste ich mir um seine kalten Tage und klirrenden Nächte wenig Sorgen machen. Es war nur ein Anruf nötig, um derartige Sorgen zu vertreiben.

Das war gestern, fast scheint es mir heute, in einer anderen Zeit. Letzten Monat hat der jahrhundertalte Betrieb schließen müssen. Ein Familienunternehmen, das uns viele Jahre die Angst vor der kalten Zeit nahm. Er gab letztendlich auf.

So, wie es viele andere Betriebe und Familienunternehmen heute müssen. Aus Gründen, die wir vermehrt zu hören bekommen, jedoch wenig zu glauben bereit sind. Gründe, vor denen wir unsere Augen verschließen, solange wir es noch können.

Immer öfter ist es allein die Hoffnung, die uns trägt. Die uns den nächsten Tag erträglich macht. Der Glaube, dass wieder alles gut wird. Und wenn nicht gut, dann vielleicht nur ein klein wenig besser. Irgendwie. Das wieder bessere Tage kommen. Mögen der Glaube und die Hoffnung vielleicht trügerisch sein, so halten sie uns doch bei der Stange.

Auf der Rückfahrt vom Baumarkt nach Hause kam mir ein zügig fahrender, silberner Bulli entgegen, in dem ich eine Frau mittleren Alters erkannte, die krampfhaft das Lenkrad in ihren Händen hielt. Ich konnte, während sich unsere Fahrzeuge auf der engen Fahrbahn kreuzten, deutlich die Tränen erkennen, die über ihr Gesicht auf die Hände tropften.

Was mochte geschehen sein? War eine große Liebe beendet worden? Hatte sie vor Kurzem erfahren, dass ein ihr lieber Mensch verstorben war? Hatte sie einen Anruf erhalten, dass ihr Mann oder das Kind einen Unfall gehabt hatten und in das städtische Krankenhaus eingeliefert werden mussten?

Vielleicht hatte sie heute auch „nur" von ihrem Energieanbieter die Abschlagsrechnung erhalten. Als sie diese in ihren Händen hielt, war ihr bewusst geworden, dass sie und ihr Mann die monatlichen Zahlungen für das Haus, die beiden Autos, die sie brauchen, um zur Arbeit zu gelangen, nicht länger würden zahlen können. Und das, obwohl sie seit diesem Jahr beide in Vollzeit arbeiten, um über die Runden zu kommen, und ihr Mann doch noch den halbnächtlichen Zweitjob annahm. Annehmen mußte, damit sie die Raten für das Haus abtragen können.

Weshalb die Kinder weiterhin den ganzen langen Tag über unbeaufsichtigt daheimbleiben, weil sie die Kleinen wegen des Virus nicht den Großeltern anvertrauen wollten. Um diese nicht zu gefährden. Vielleicht ist der Vater, der sich gestern erst die empfohlene, zweite, sogenannte „Auffrischungsimpfung" hat spritzen lassen, im Garten umgefallen. So wie ihr Nachbar in der letzten Woche. Herr Lummbacher, der einen Tag nach seiner Auffrischung mit einem schweren Schlaganfall in die Notaufnahme eingeliefert wurde und am nächsten Tag verstarb.

Was immer der Grund für die Tränen dieser Frau war. Eine große Traurigkeit fährt in dieser Zeit allerorten ihre beschämende Ernte ein.

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