Wenn sämtliche Details offenliegen, wird es Konsequenzen geben

The Telegraph veröffentlicht die „Lockdown Files“ – Das britische Corona-Regime steht am Pranger

von Tara Grimm (Kommentare: 3)

„Die Lockdown Files zeigen das Wesen der Regierung während der Covid-Pandemie auf und legen dar, wie Schlüsselentscheidungen, trotz der öffentlichen Behauptungen, stets ,der Wissenschaft zu folgen', im Handumdrehen aus politischen Gründen heraus getroffen wurden.“© Quelle: Pixabay / Geralt

In Großbritannien ist eine Bombe geplatzt, die auch in Deutschland eine Explosion auslösen kann: „The Telegraph“ hat mit der Veröffentlichung der „Lockdown Files" begonnen. Diese basieren auf 100.000 WhatsApp-Nachrichten des ehemaligen Gesundheitsministers Matt Hancock.

Die Hinweise darauf, dass die radikalen Maßnahmen, mit denen die Menschen im Rahmen einer vorgeblichen Pandemiebekämpfung drangsaliert wurden, weder irrtümlich noch auf Grund einer mangelhaften Datenlage umgesetzt wurden, sind geradezu überwältigend.

„Follow the Science! – Folgen Sie der Wissenschaft!", tönten die Entscheidungsträger während der vergangenen drei Jahre in salbungsvollem Chor. Wie eine Monstranz trugen sie ihre in Stein gemeißelte Wahrheit vor sich her, auf ihrer Prozession quer durch die auf Knien kauernden Staatsmedien.

Im Schlepptau das stets willige Heer der auserwählten Propheten, bestehend aus sorgsam verlesenen Experten und Wissenschaftlern, die bereit waren, auch das dünnste Stroh in falsches Gold zu verwandeln, und die dabei wohlweislich verschwiegen, dass ihre Wahrheiten ungefähr so viel mit Wissenschaft zu tun haben wie Malen nach Zahlen mit Kunst.

Doch es war genau diese Art von numerisch organisiertem Vorgehen, welche buchstäblich, wenn man die sogenannte Corona-Pandemie auf ihr bedeutungsstiftendes Fundament der „Infektionszahlen" herunterbricht, die die eklatanten Beschneidungen der Grundrechte sowie die damit verbundene Einführung einer „neuen Normalität" erst ermöglicht haben.

Und sogar jetzt, da dieser Versuch, zumindest vorerst, gescheitert ist, spielt „die Wissenschaft" noch eine überaus nützliche Rolle. „Lauterbach wälzt Schulschließungen auf Wissenschaft ab“ titelt beispielsweise der Berliner Kurier. Und Lauterbach ist längst nicht der Einzige, der seine Haut zu retten versucht, indem er plötzlich mit Steinen nach den einstigen Handlangern wirft.

Wer nun jedoch glaubt, die besagte „Wissenschaft" würde sich das Jäckchen des reumütigen Sünders überwerfen, der hat noch nicht verstanden, wie der Begriff „Rückgrat" in diesen Kreisen definiert wird. Mit bemerkenswertem Selbstverständnis besinnt man sich plötzlich wieder auf den jahrelang negierten Grundpfeiler wissenschaftlicher Arbeit. Nämlich auf den stetigen Prozess des kritischen Diskutierens von aufgestellten Thesen sowie den dadurch entstehenden Zuwachs an Erkenntnissen.

„Anfangs sei auch nicht bekannt gewesen, in welchem Maß Kinder an Corona erkranken und inwieweit sie von Langzeitfolgen betroffen seien", erklärte kürzlich der noch amtierende Chef des RKI, Lothar Wieler, in der Berliner Morgenpost. Und überhaupt habe man schließlich lediglich Empfehlungen abgegeben.

Zurückrudern bei gleichzeitigem Beibehalten des Kurses, um den Kahn nicht vollends zum Kentern zu bringen. So stellt sich die mit einem Mal allseits geforderte Aufarbeitung der „Corona-Krise" nicht nur in Deutschland aktuell dar.

Eine Steilvorlage für all jene Kräfte, welche, ob nun blauäugig oder berechnend, die Theorie vertreten, die weltweit in verblüffend ähnlicher Weise durchgesetzten Zwangsmaßnahmen beruhten auf Irrtümern und/oder der Unwissenheit von nichts als verantwortungsbewussten, wenn auch etwas überfürsorglichen Regierungen und NGOs.

Mitten hinein in dieses gemütliche Narrativ wurde in Großbritannien nun eine Bombe geworfen, die durchaus das Potential hat, eine über die Landesgrenzen hinausgehende Welle zu erzeugen. The Telegraph, eine der meistverkauften britischen Tageszeitungen, hat in der vergangenen Woche mit der Veröffentlichung der „Lockdown Files" begonnen.

Dabei handelt es sich um eine Serie von Artikeln, die sich auf mehr als 100.000 WhatsApp-Nachrichten des früheren britischen Gesundheitsministers Matt Hancock, der im Juni 2021 wegen einer Affäre mit einer Mitarbeitern zurücktrat, sowie weiterer Minister und Regierungsmitglieder stützt.

The Telegraph formuliert dazu die folgende Einleitung:

"Die Lockdown Files zeigen das Wesen der Regierung während der Covid-Pandemie auf und legen dar, wie Schlüsselentscheidungen, trotz der öffentlichen Behauptungen, stets ,der Wissenschaft zu folgen', im Handumdrehen aus politischen Gründen heraus getroffen wurden.

Sie stellen viele der Begründungen für die monatelangen landesweiten Lockdowns und andere Einschränkungen des täglichen Lebens in Großbritannien in Frage, einschließlich des Social Distancing, der Gesichtsmasken und der Schulschließungen."

Unter der Überschrift „Die Lockdown Files: 10 Dinge, die wir bislang erfahren haben" wird zunächst Hancocks Umgang mit Alten- und Pflegeheimen thematisiert. Obwohl ihm zu einem frühen Zeitpunkt der Pandemie dazu geraten wurde, sowohl alle Bewohner als auch sämtliche Angestellte und Besucher verpflichtend testen zu lassen, habe er dies mit der Begründung, das würde „die Sache verworrener machen", abgelehnt.

The Telegraph weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Sterbezahlen in diesen Einrichtungen mit mehr als 40.000 Toten den Hauptteil der in Großbritannien gezählten Corona-Opfer ausmachen würden.

Lässt man die auch in Großbritannien nach wie vor im Raum stehende Frage von „mit" oder „an" C-19 verstorben einmal außer Acht, drängt sich an dieser Stelle der Vergleich mit einer ähnlich seltsamen Entscheidung auf, mit welcher der frühere US-Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, zu Beginn der Pandemie dafür sorgte, dass erkrankte Bewohner aus den Krankenhäusern zurück in die Altenheime gebracht wurden.

Noch merkwürdiger wird Hancocks vermeintliche Nachlässigkeit ausgerechnet in Bezug auf die als besonders vulnerabel eingestufte Gruppe der alten Menschen, wenn gleichzeitig erwähnt wird, dass es eines seiner erklärten Ziele war, täglich 100.000 Tests durchzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, schreibt The Telegraph, habe Hancock sogar seinen alten Mentor George Osborne kontaktiert, der über seine Verbindungen schließlich eine hilfreiche Titelseiten-Story im London Evening Standard platzieren konnte.

Ein weiterer Punkt des Artikels bezieht sich auf den damaligen Premierminister Boris Johnson und die Einführung der Maskenpflicht für Schüler an englischen Sekundarschulen im Herbst 2020. Die veröffentlichten Chat-Nachrichten dokumentieren einen Austausch zwischen Johnson und dem medizinischen Chefberater Englands, Chris Whitty, bei dem dieser zugab, dass für diese Maßnahme „keine wirklich starken Gründe“ existierten.

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Johnson traf die Entscheidung zur Maskenpflicht für Schüler dennoch, und zwar aus rein politischen Gründen. Wie man ihm erklärte, sei die Sache es nicht wert, mit der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon, welche die Maskenpflicht bereits verhängt hatte, in Streit zu geraten.

Dies sei eine der umstrittensten Maßnahmen während der Pandemie gewesen, schreibt The Telegraph. Erst 16 Monate später wurde sie in England wieder aufgehoben.

Dass das Leid der Kinder bei den politischen Akteuren auf ebenso geringes Interesse stieß wie das der alten Menschen, zeigt eine Bemerkung des damaligen Bildungsministers Gavin Williamson. In einer Chat-Kommunikation mit Hancock über eine mögliche Öffnung der Schulen, die zu diesem Zeitpunkt seit zwei Monaten geschlossen waren, machte er die aufschlussreiche Bemerkung, es sei anscheinend wichtiger gewesen, die Aufmerksamkeit der Menschen zu bekommen, als die Interessen der Kinder an erste Stelle zu setzen.

Hancock bewies seine völlige Empathielosigkeit gegenüber Kindern übrigens mehrfach. So ließ er u.a. im Oktober 2020 die Ministerin für Erwachsenenfürsorge, Helen Whatley, abblitzen, als diese darauf drängte, Kinder unter 12 Jahren von der „Sechs-Personen-Regel" auszunehmen, um insbesondere Familien das Leben zu erleichtern. Obwohl die Regierung wusste, so The Telegraph, dass es für diese Regel keine „robuste Begründung“ gab, bestand Hancock auf deren Weiterführung, indem er schlicht erklärte, „Downing Street“ würde sich keinesfalls auf eine Lockerung einlassen.

Es war eher die Regel als die Ausnahme, dass die britische Regierung wider besseres Wissen handelte. Eine der zentralen Enthüllungen der bisher veröffentlichten „Lockdown Files“ dürfte dabei die Aussage des Premierministers Johnson vom 1. November 2020 sein, als er „entdeckte, dass der zweite Lockdown auf ,sehr falschen' Daten beruhte." The Telegraph schreibt dazu:

"Mr Johnson war besorgt, dass er ,zu früh geblinzelt' haben könnte, als er Großbritannien auf der Basis von Daten in einen zweiten landesweiten Lockdown stürzte, von denen Wissenschaftler ihm gesagt hatten, sie seien ,sehr falsch'".

In der WhatsApp-Nachricht heißt es konkret:

"Ich bin im Gespräch mit Raghib und Carl Henneghan, die über gestern nachgedacht haben. Henneghan liefert uns die folgenden aktuellen Todeszahlen, die belegen, dass *die Modellierung der Todesfälle, die Ihnen gezeigt wurde, schon sehr falsch ist*: (...)"

Und weiter heißt es:

„Der große Steve Baker glaubt, die Todeszahlen seien übertrieben worden. (...)“

Trotz seiner Zweifel ließ der britische Premier den Lockdown noch einen Monat lang in Kraft. Überhaupt scheint Boris Johnson von Beginn an über recht genaue Einschätzungen der tatsächlichen „Pandemielage“ verfügt zu haben. Laut einem weiteren Artikel des Telegraph von letzter Woche, der sich hinter der Bezahlschranke befindet, habe Johnson außerdem an Hancock geschrieben:

„Matt, wenn ich mir dieses Diagramm durchlese, dann hat ein 80 Jahre alter Covid-Patient eine sechsprozentige Chance zu versterben, und wenn man unter 35 ist, ist die Wahrscheinlichkeit vernachlässigbar. Wäre ich ein 80jähriger, und mir würde gesagt, dass ich die Wahl habe zwischen der Zerstörung der Wirtschaft und dem Risiko, mich einer Krankheit auszusetzen, bei der ich die 94%ige Chance habe, zu überleben, dann weiß ich, wofür ich mich entscheiden würde.“

Die Hinweise darauf, dass die radikalen Maßnahmen, mit denen die Menschen im Rahmen einer vorgeblichen Pandemiebekämpfung drangsaliert wurden, weder irrtümlich noch auf Grund einer mangelhaften Datenlage umgesetzt wurden, sind geradezu überwältigend.

Mit den „Lockdown Files" lässt sich dieser Schluss zumindest für die britische Regierung ziehen. Immerhin besteht noch die Möglichkeit, dass es sich bezüglich der deutschen Regierung anders verhält. Doch wie groß mag wohl die Wahrscheinlichkeit sein?

Das gesamte Material aus den WhatsApp-Chats wurde inzwischen an den offiziellen Untersuchungsausschuss „Zum Umgang mit der Corona-Pandemie“ in Großbritannien übergeben. Dem Bericht der Berliner Zeitung zufolge „[kommt] diese Untersuchung jedoch nur langsam voran" und „[könnte] sich noch Jahre hinziehen (...)."

Die veranschlagte Zeit spricht eine deutliche Sprache. Denn mit zunehmender Dauer dürfte aller Voraussicht nach die Relevanz der Ergebnisse proportional abnehmen.

The Telegraph hat angekündigt, die „Lockdown Files" voraussichtlich über mehrere Wochen hinweg fortzusetzen. Doch damit hat das Kapitel der Aufarbeitung noch nicht begonnen. Was sich gerade vollzieht, ist der Eintritt in die zuvor notwendige Phase der Aufdeckung.

Erst wenn sämtliche Details bezüglich des Virus sowie der eingeleiteten Pandemie-Maßnahmen offengelegt sind, wird es Konsequenzen geben können, die dem entstandenen Leid tatsächlich gerecht werden.

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