Durch den Süden der USA

Teil 1: Von Atlanta nach Asheville

von Corinne Henker

Harley – Der amerikanische Traum von Freiheit und Abenteuer© Quelle: Corinne Henker

Diese Reise war schon seit langer Zeit geplant. Mein Schwager wünschte sich zum 60. Geburtstag eine Harley-Tour durch die USA. Mein Mann wurde als Mitfahrer auserwählt, ich als Organisator. Nach einigem Abwägen entschieden wir uns schließlich für die Südstaaten.

Ende Juli ging es los: Lufthansa brachte uns mit drei Stunden Verspätung von Frankfurt nach Atlanta. Dummerweise waren die Koffer meiner Schwester und ihres Mannes in Frankfurt stehengeblieben, ebenso wie die einiger anderer Passagiere und selbst des Flugkapitäns. Nur dank der AirTags konnten wir sie am nächsten Tag abholen: Das Personal am Flughafen hatte am Telefon zunächst behauptet, sie stünden immer noch in Frankfurt.

Der Flughafen Atlanta Hartsfield-Jackson gehört mit einer Fläche von 19 Quadratkilometern, fünf Landebahnen und einem Passagieraufkommen von über 100 Millionen (2023) zu den größten der Welt – und das merkten auch wir. Denn nachdem wir eine Stunde am Lost Baggage-Schalter verbracht hatten, mussten wir noch etwa eine halbe Stunde mit dem Shuttle-Bus und dann noch zwei Stationen mit dem Skytrain fahren, um die Mietwagen-Station zu erreichen. Dort verlief dann alles problemlos. Wir durften uns selbst einen Van der gebuchten Klasse aussuchen, packten das vorhandene Gepäck ein und fuhren los.

Selbst mit Navigationssystem war es nicht ganz einfach, immer die richtige Spur auf den Highways zu finden. Schließlich erreichten wir doch noch unser Apartment in Downtown Atlanta, das leider bei weitem nicht so gut aussah wie auf den Fotos bei der Buchung. Nun denn, es war nur für zwei Nächte.

Am nächsten Tag erkundeten wir Atlanta, die Hauptstadt von Georgia und Hauptsitz von Coca-Cola, Delta Airlines, UPS und CNN.

Der Aufstieg der Stadt begann mit dem Bau der Western and Atlantic Railroad Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Sezessionskrieg (1861-65) wurde Atlanta mehrere Monate von den Uniostruppen belagert und im September 1864 von General Sherman erobert. Dieser ließ die Stadt am 11. November 1864 von seinen Truppen niederbrennen.

Der Kampf um Atlanta wurde von Margaret Mitchell in ihrem Roman „Vom Winde verweht“ literarisch aufbereitet. Nach dem Bürgerkrieg wurde die Stadt schnell wieder aufgebaut, das Motto „Resurgens“ (wiederaufstehen, sich wieder erheben) und das Wappen der Stadt, ein Phönix, erinnern an diese Phase.

1929 wurde Martin Luther King jr. in Atlanta geboren. Er predigte später wie sein Vater in der Ebenezer Baptist Church. Nach seiner Ermordung 1968 wurde er in Atlanta im King Memorial Center beigesetzt. Um 1980 erschütterte eine Mordserie an dreißig, meist afroamerikanischen Kindern die Stadt. Sie konnte nur teilweise aufgeklärt werden, die sehr sehenswerte Netflix-Serie „Mindhunter“ widmet sich in der zweiten Staffel diesem Thema.

Unser erstes Ziel war der Centennial Olympic Park, der anlässlich der Olympischen Sommerspiele von 1996 angelegt worden war. Es ist ein hübscher Park, um den sich einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt reihen: das Georgia Aquarium, die World of Coca-Cola, das CNN Center, das Center for Civil and Human Rights, das Children’s Museum of Atlanta und die Chick-fill-A Colege Football Hall of Fame. Wir suchten und fanden das erste typische USA-Erlebnis in der World of Coca-Cola. Hier dreht sich alles um den vermutlich berühmtesten Softdrink der Welt und dessen Marketing.

John Stith Pemberton wollte 1886 eigentlich einen Sirup gegen Kopfschmerzen entwickeln, als er die heute so beliebte Rezeptur entdeckte. So wurde Coca-Cola zunächst als Medizin gegen Kopfschmerzen, Müdigkeit, Depressionen und sogar Impotenz verkauft. Gemischt mit Sodawasser ergab der Sirup ein erfrischendes Getränk, das in Soda-Bars glasweise für 5 Cent angeboten wurde.

Kurz vor Pembertons Tod erwarb der Apothekengroßhändler Asa Griggs Candler die Rechte an der Rezeptur und gründete 1892 The Coca-Cola Company. Erst 1905 änderte man das Image vom Medikament zum Erfrischungsgetränk. Heute ist Coca-Cola die führende Softdrinkmarke weltweit.

Das ganze Museum ist eine riesige Coca-Cola-Werbung – für die man 25 Dollar Eintritt zahlen muss. Dennoch war es sehr gut besucht und irgendwie typisch für die USA. Am Ende des Rundgangs konnte man Coca-Cola-Produkte aus aller Welt verkosten: Von süß bis widerwärtig süß war alles dabei.

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Auch das National Center for Civil and Human Rights war für uns recht interessant. Es widmet sich dem historischen Kampf der schwarzen Bevölkerung um ihre Bürgerrechte nach Abschaffung der Sklaverei. Dargestellt werden nicht nur die Gräueltaten des Ku-Klux-Clan und seiner Unterstützer, sondern auch der alltägliche Irrsinn der Rassentrennung, aber auch der mutige und größtenteils friedliche Kampf dagegen.

Leider hat sich Martin Luther Kings Traum nicht erfüllt: „Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.“ Auch heute werden Menschen nicht nach ihrem Charakter und ihren Leistungen beurteilt, sondern nach Hautfarbe und anderen (tatsächlichen oder auch nur „gefühlten“) Äußerlichkeiten – allerdings mit anderen Maßstäben.

Schließlich drehten wir mit der Atlanta Street Car eine kurze Runde durch die Innenstadt. Wir sahen nichts, was uns zum Aussteigen animiert hätte. Jenseits des Centennial Olympic Park und der anliegenden Hochhäuser ist das Stadtzentrum ziemlich vergammelt. Wir sahen zwar keine Drogenzombies wie in anderen amerikanischen Großstädten, aber viele Obdachlose und wenig Vertrauen erweckende Gestalten.

Frustriert fuhren wir schließlich nach Buckhead: ein weitaus angenehmeres Viertel mit Kunstgalerien, Restaurants, Bars und gehobenen Einkaufszentren. Und was wäre besser zur Frustbekämpfung geeignet als ein gepflegter Einkaufsbummel mit Besuch in der Cheesecake Factory?

Am nächsten Morgen nahmen unsere Männer in einer Eagle Rider-Filiale außerhalb der Stadt ihre Harleys in Empfang. Meine Schwester und ich waren für den Gepäcktransport im Van zuständig.

Die Harley Davidson Motor Company wurde 1907 gegründet. Nach erfolgreichen Jahrzehnten konnte man in den 1960er Jahren immer weniger mit der Konkurrenz aus Europa und Japan mithalten. Es folgten schmerzhafte Umstrukturierungen, strengere Qualitätskontrollen und 1986 der Börsengang. Statt mit den Japanern um die beste Technik zu konkurrieren, setzt man heute auf das Image, den amerikanischen Traum von Freiheit und Abenteuer. Harley Davidson wurde zur Kultmarke im oberen Preissegment. Die Käufer, deren Durchschnittsalter bei 47 Jahren liegt, erwerben nicht einfach nur Motorräder, sondern „Kunstwerke“.

Unser Tagesziel war Asheville in North Carolina. Wir hatten uns für eine Nebenstrecke entschieden, die durch einige hübsche kleine Orte führte. Darunter auch Helen, ein bunter Touristenort im Stil eines Alpendorfs. Allerdings wurde das Vergnügen bald durch heftige Regenfälle getrübt.

Am Nachmittag erreichten wir Asheville. Der malerische Ort in den Bergen der Appalachen gilt als Outdoor-Paradies für Wanderer, Biker, Kanu-Fahrer. Im River Arts District findet man zahlreiche Galerien und Kunststudios. Berühmtester Sohn der Stadt ist der Schriftsteller Thomas Wolfe (1900-1938), sein Roman „Look Homeward, Angel!“ porträtierte die Bürger der Stadt und erweckte bei diesen wenig Begeisterung.

Etwas außerhalb von Asheville befindet sich das riesige Anwesen Biltmore Estate , dessen Herrenhaus 1888 bis 1895 im Stil eines Rennaissance-Schlosses erbaut wurde. Man muss tief in die Tasche greifen, wenn man es besichtigen will: 50 Dollar für einen Spaziergang durch die Außenanlagen, wer das Schloss von ihnen sehen will, muss mindestens 80 Dollar ausgeben. Für Europäer mit einer großen Auswahl an historischen Schlössern zu weitaus günstigeren Preisen ist das kaum attraktiv.

Leider regnete es den ganzen Abend lang mehr oder weniger heftig, sodass wir nicht viel von Asheville sahen. Immerhin fanden wir ein ausgezeichnetes Restaurant für ein Abendessen, das dem 60. Geburtstag meines Schwagers angemessen war.

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