Zwischen noch Frieden und schon Krieg

Jürgen Todenhöfer sucht Deutschland

von Christian Witt (Kommentare: 5)

Diese Kundgebung ist nicht die laute Masse, die Städte lahmlegt oder gesellschaftliche Brüche forciert.© Quelle: Foto: Christian Witt

„Wir wollen unser Deutschland zurück“, ruft Jürgen Todenhöfer in seiner Rede den Teilnehmern auf dem Höhepunkt der Kundgebung vorm Brandenburger Tor zu und nimmt sie über große Strecken mit. Jubel, Fahneschwenken, Glockengeläut.

Jürgen Todenhöfer heute vor dem Brandenburger Tor

Von Christian Witt

Auf dem Platz vor dem geschichtsträchigten Brandenburger Tor mitten in Berlin haben sich geschätzte zweitausend Menschen und vierhundert Fahrzeuge versammelt. Der Korso reicht bis zum Großen Stern in der Mitte des Tiergartens. Es hätten mehr sein sollen und können.

Republikweit eingeladen hatte der frisch gegründete Verein „Hand in Hand”, die Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld war noch etwas hakelig. Bauern, aber vor allem Handwerker und viele Teilnehmer aus der dem Umfeld der Friedens- und Freiheitsbewegung waren gekommen.

Zwischen Scholz und Merz, zwischen Biden und Trump, zwischen noch Frieden und schon Krieg in dieser „Zeit zwischen den Zeiten“ bewegte etliche die Unsicherheit und der rauschende Absturz der deutschen Wirtschaft.

„Auf was können wir noch vertrauen?“, fragt eine Teilnehmerin. Die Bauernverbände haben vom Aufruf zu einem zweiten Winter des „Aktivismus von unten“ Abstand genommen. Zu nah sind sie wieder an den Politikbetrieb selbst angebunden, es gibt derzeit nichts mehr zu fordern für die Landwirte.

Jürgen Todenhöfer, langjähriger CDU-Politiker, Parteigründer und streitbarer Bestseller-Publizist, ist unbestritten der Redner des Tages. Seine Rede ist emotional, sogar pathetisch:

„Ihr seid nicht rechts, ihr seid die wirkliche Mitte der Gesellschaft!"

Es ist eine Aussage, die hängen bleibt – eine Replik auf die oft geäußerte Behauptung, die Demonstranten seien radikal oder am Rand des politischen Spektrums. Todenhöfer skizziert ein Bild eines Landes, das aus der Balance geraten ist. Und er gibt der Menge Worte für ihre Sorgen. Er will die Menschen mit seiner Rhetorik aufrichten.

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Am Ende seiner Rede liegt tatsächlich ein Kribbeln in der Luft, man sieht es in den leuchtenden Gesichtern der Teilnehmer. Wann ist die beste Zeit für die großen Wendungen, für große Gesten? Der über 80-jährige Todenhöfer bekommt reichlich Applaus, ein lautes Pfeifen und Johlen signalisiert große Zustimmung.

Die Veranstaltung will auch ein Sich-selbst-Vergewissern, ein kollektives „Wir stehen nicht allein“ sein. Nein, diese Kundgebung ist nicht die laute Masse, die Städte lahmlegt oder gesellschaftliche Brüche forciert. Es ist der Ausdruck einer Gruppe, die sich als Rückgrat der Gesellschaft sieht – und doch spürt, dass sich diese Rolle immer mehr in einen Überlebenskampf verwandelt.

Die Schilder und Transparente erzählen die inneren Kämpfe und Wünsche der Teilnehmer. Einer fragt: „Wo ist Demokratie soziale Gerechtigkeit?" Ein anderer fasst es im Appell „Wehrt euch!“ zusammen. Blickwinkel wie Forderungen mögen vielschichtig sein, doch der gemeinsame Nenner ist unübersehbar: Der Wunsch nach Gehör, nach wirklicher Veränderung und nach einem Land, das nicht nur verwaltet, sondern gestaltet – das Verlangen nach „Aufbau statt Abbau” wird artikuliert.

Es sind keine Menschenmassen, die sich versammelt haben. Aber jene, die da sind, haben eine Botschaft, die sie über ihre überschaubare Zahl hinaustragen soll. Die Plakate, die Stimmen und die Gesichter machen deutlich: Dies ist eine Zeit des Übergangs zwischen Unsicherheit und Hoffnung. Eine Kundgebung „zwischen den großen Schlagzeilen”.

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