„Mensch dat gibt'n Durst, die Currywurst“

Sodbrennen nach dem 18. Loch

von Bertolt Willison (Kommentare: 1)

Unsere Runde ist zu Ende. Trotzdem ist jeder ein Gewinner. Wie profan dieses Spiel mit den weißen Bällchen ist.© Quelle: Bertolt Willison

In Zeiten wie diesen sollte man auch mal das tun, was man liebt, was Freude macht. Den Akku auftanken, der inzwischen ziemlich leer ist. Leben eben. Warum also nicht Golfen gehen heute? Ja, ich spiele Golf.

Das hört sich privilegiert an. Aber ich nutze Möglichkeiten, diesen Sport auszuüben, ohne dass es viel kostet. Ich bin beispielsweise in einem Golfclub ohne eigenen Platz und zahle nur 65 Euro Beitrag im Jahr. Für wenig Extra-Geld pro Runde kann ich dann auf den Plätzen der ganz großen Clubs spielen.

Wir wandern durch menschengestaltete Natur. Golfplatzerbauer sind die Landschaftsarchitekten der Moderne. Naturschützer kritisieren den durch ihre Anlagen verursachten Raubbau. Den Wasserverbrauch zum Beispiel. Doch werden auch die Kollateralvorteile dagegen gerechnet? Die Harmonie, die auf diesen grünen Oasen herrscht. Zumindest dort, wo sich gerade kein Golfer aufhält.

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"Fore!" Ein Schrei durchbricht die morgendliche Stille. Der routinierte Golfer zuckt zusammen: Der Code: Misslungener Schlag, ganz in der Nähe. Ein Ball auf Abwegen. Querschläger. Die weiße Kugel als tödliche Gefahr zischt lautlos durch die Luft. Ohne Ziel. Ein Treffer könnte den Allerstärksten fällen. Einziger Schutz: Hände über den Kopf.

Was sehen die Himmelsaugen grade? Flecken in unendlichen Farbschattierungen, irgendwo zwischen dunkelgrün, dunkelblau und hellbraun: Fairways, Bunker, Tümpel. Achtzehn hellgrüne Scheiben leuchten auf, in deren Mitte ein gelber Punkt. Das Fähnchen im Loch. Ziel unserer Begehrlichkeiten.

Wir ziehen weiter unsere Runde. Nehmen Schläger aus den Taschen, treiben Bälle voran, beobachtet von allerlei Getier: Störchen, Graureihern, Wildgänsen, Rehen, Bibern. Der Flügelschlag des Schmetterlings. Was für ein Paradies. Wir freuen uns über gelungene Schläge, ärgern uns, wenn so mancher Plan ins Wasser fällt. Ein Wunder eigentlich, dass man dieses kleine runde Ding überhaupt trifft, denke ich oft. Demut: Ein gewichtiges Wort unter uns Golfern. Die Freude, jetzt gerade hier sein zu dürfen. Fünf Stunden Entspannung, Luft holen, Wetter tanken.

Unsere Runde ist zu Ende. Das Turnierergebnis wird ermittelt. Hier ging es um Sieg oder Niederlage, ganz wie auf anderen Schauplätzen dieser Welt, so nah und doch noch so fern. Trotzdem jeder ein Gewinner. Wie profan dieses Spiel mit den weißen Bällchen ist.

Wir leben weiter und setzen uns auf die Clubhaus-Terrasse. Hunger und Durst. Ich gebe meine Bestellung auf bei der sehr netten Dame vom Service, höflich und kultiviert. Mit osteuropäischem Akzent. Neu hier. Was ist ihre Geschichte? Wie ist sie hergekommen, was sind ihre Träume und Ziele? Gedanken die mich beschäftigen, während ich so überfreundlich angelächelt werde und erst einmal ein großes Spezi bestelle. Dann geht es um die Currywurst.

Bei Volkswagen heißt die Wurst im Volksmund „Kraftriegel“ – nicht schon seit gestern, sondern seit sich der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Currywurst eingesetzt hatte. Kraftriegel, weil der Werker an den Maschinen sich Mittags eine solche Wurst einverleibt und anschließend einfach weiter seine Autos baut.

Ich bin nicht so produktiv, ich spiele einfach nur Golf. Und dieses Golf hat rein gar nichts mit dem Bestseller von Volkswagen zu tun. Ich esse Currywurst mit Pommes im Golfklub. Golfer-Curry gewissermaßen. 12,00 Euro, exklusiv auf dem Porzellanteller serviert. Mit Messer und Gabel und Stoffserviette. Immerhin kein Silberbesteck. Verträgt sich das? Ein Widerspruch gar?

„Geht nicht. Ganz schlimm“, wird der Traditionalist sagen, "Viel zu elitär." „Mir schmeckt das“, antworte ich. Vielleicht nehme ich an diesen Turnieren nur teil eben wegen dieser Danach-Wurst. Jedes Golfklubhaus bietet sie an. Noch so ein Kult. Oft von hoher Qualität, lang und saftig mit viel Soße und knusprigen Pommes. Hier in diesem Klub am Rande der Stadt in ihrer ganzen langen Prächtigkeit offeriert, woanders auch mal in Stückchen, mundgerecht.

Mein bester Golf-Freund hat eine Idee. Schlägt vor, einen kulinarischen Reiseführer zu schreiben: "Golfplätze und ihre Currywürste". Ja, das sollten wir machen. Der etwas andere Führer. Ziemlich belanglos für die Menschheit. Aber nicht für uns Golfer. Die wir so gerne auf unsere Runden gehen, den Alltag ein paar Stunden hinter uns lassen, uns ablenken von dem, was da ist und was da noch kommen mag.

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