Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation

Sage nein zum Krieg. Verweigere dich.

von Toddn Kandziora (Kommentare: 2)

Der Krieg ist nicht nur im Krieg grausam. Der Krieg wirkt über den Krieg hinaus und sucht sich weiter die Seelen derer er habhaft werden kann.© Quelle: Unsplash / Duncan Kidd und Jared Short, Bildmontage: Alexander Wallasch

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Mein Großvater mütterlicherseits fiel 1944 in Italien nach wenigen Tagen im Einsatz. Er wurde zuvor in ein Strafbataillon strafversetzt. Ein Kamerad hatte ihn verraten, als er ihn dabei beobachtete, wie er in der Nacht russischen Kriegsgefangenen, die am Verhungern waren, rohe Kartoffeln zusteckte. Das galt damals als Wehrkraftzersetzung und er hatte Glück, nicht an Ort und Stelle erschossen worden zu sein.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Mein Großvater väterlicherseits geriet in den letzten Tagen des Krieges in Gefangenschaft. Er überlebte. Das taten nicht viele. Als er nach Jahren zur Familie in die neue „Heimat“ zurückkehren durfte - die alte war inzwischen polnisches Land und Haus und Hof gehörte anderen Menschen - da war er ein gebrochener Mann. Ich habe ihn sehr hager und immer traurig in Erinnerung. Auch sprach er nicht mehr. Als kleiner Junge, sein Enkel, fand ich das "eigenartig".

Mein Vater war als vierzehnjähriger „Hitlerjunge“ in Schlesien zur Verteidigung seiner Geburtsstadt gezwungen worden. Darüber, was er bei der nutzlosen Verteidigung erlebte, hat er nie erzählt. Nicht ein Sterbenswort. Er war ein Überlebender. Zumindest physisch. Nicht viele Bengels, die zum Kämpfen gezwungen wurden, überlebten.

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Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Auch mein Stiefvater musste als junger Mann - keine siebzehn Jahre alt war er - in den Krieg ziehen. Oft hörte ich ihn in meiner Kindheit in der Nacht laut schreien und verzweifelt heulen. Das machte mir Angst. Ich wusste doch nicht, wieso er schrie. Wieso weinte er so heftig? Hatte er Schmerzen? Albträume? Wurde er etwa von meiner Mutter geschlagen? Wieso schrie er so oft in der Nacht?

Die Gründe, die beichtete er mir erst, als ich in einem Alter war, in dem ich gerade ansatzweise verstehen konnte, was er anderen Menschen im Krieg angetan hatte. Was er zu tun gezwungen wurde, um selbst zu überleben. Die Jahre danach in englischer Kriegsgefangenschaft, die kamen ihm nach den verlorenen Jahren des Krieges vor wie der Himmel auf Erden. Wenn er aus dieser Zeit erzählte, dann nur von diesen Jahren.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Als die Familie meines Vaters kurz nach dem Krieg aus Schlesien zu flüchten gezwungen wurde, verlor meine Großmutter ihre beiden jüngsten Kinder auf der Flucht. Die Kinder wurden ihr unter dem Rock weggerissen, wo sie ihre Kleinen versteckt hatte. Und was dann geschah, davon schreibe ich nicht weiter, weil es das Herz zerbricht.

Diese Tragödie geschah Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation und es waren keine „roten Horden“ oder „russische Bestien“ daran beteiligt. Es waren zivile Einheiten der neuen Bevölkerung, die dies taten.

Der Krieg ist nicht nur im Krieg grausam. Der Krieg wirkt über den Krieg hinaus und sucht sich weiter die Seelen derer er habhaft werden kann.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Ich habe gut zugehört, wenn überlebende Verwandte mir vom Krieg und seinen Grausamkeiten erzählten.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Erzählt mir also nichts vom gerechten Krieg. Von glorreichen Siegen und zu feiernden Helden. Erzählt mir nichts von dem Recht, einen anderen Menschen zu töten. Das Recht, einen anderen Menschen zu töten, das gibt es nicht. Das hast du nicht. Das hat es niemals gegeben. Doch hat es immer und zu jeder Zeit Menschen gegeben, die das Töten befehlen und Menschen, die diese Befehle ausführen.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Ich werde die Schreie meines Vaters in der Nacht so wenig vergessen wie mein verstorbener Vater jene Dinge nicht vergessen konnte, die er tat und die er Nacht für Nacht wieder und wieder erlebte. So wie jeder Mensch, der in einem Krieg war und nie vergisst, was er tat und was ihm angetan wurde.

Ich gehöre zur Kriegs-Enkel-Generation. Und ich sage nein zum Krieg. Aus vollem Herzen NEIN!

Im Moment, wo du den ersten Schuss auf einen anderen Menschen abgibst, wirst du ein anderer Mensch sein. Und nicht nur du wirst dich verändern, auch deine Kinder und deren Kinder. Denn der Krieg ist das gefährlichste Virus dieser Erde. Er infiziert fast alle Menschen, die von ihm hören und er geht ins Blut - über Generationen hinweg.

Sage nein zum Krieg. Verweigere dich.

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