In einem aufsehenerregenden Schritt beendet Rewe unmittelbar nach dem sogenannten 'Binden-Eklat' der FIFA seine Tätigkeit als Fußballsponsor des DFB.
In der offiziellen Erklärung der Rewe Group heißt es von ihrem Vorstandsvorsitzenden Lionel Souque am 22. November:
„Wir stehen ein für Diversität – und auch Fußball ist Diversität. Diese Haltung leben wir und diese Haltung verteidigen wir - auch gegen mögliche Widerstände. Die skandalöse Haltung der FIFA ist für mich als CEO eines vielfältigen Unternehmens und als Fußballfan absolut nicht akzeptabel."
Was auf den ersten Blick überraschend scheint, ist auf den zweiten Blick lediglich ein konsequenter Schritt für ein Unternehmen, welches sich der sowohl global als auch auf EU-Ebene vorangetriebenen Politik von Nachhaltigkeit und Diversität verschrieben hat.
Oder von ihr vor sich hergetrieben wird? Denn seit dem Jahr 2017 sind europäische, an der Börse notierte Unternehmen verpflichtet, regelmäßige Nachhaltigkeitsberichte anzufertigen. Im Rahmen dieser Berichte kann überprüft werden, inwieweit die ESG-Kriterien erfüllt werden, welche auf einer Initiative der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 basieren.
ESG-Kriterien geben Auskunft darüber, ob ein Unternehmen ökologisch und sozial arbeitet und über eine 'gute Unternehmensführung' verfügt. Das "E" steht für Environmental (Umwelt), das "S" für Social (Soziales) und das "G" für Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).
Laut der Süddeutschen Zeitung ist dies „auch für die vielen Investoren wichtig, die nur solchen Unternehmen Geld geben, die auf Nachhaltigkeit achten. Und auf Diversität."
Dass Rewe diese neuen Firmenrichtlinien längst fest in seiner Unternehmenspolitik verankert hat, zeigt u.a. die Auszeichnung des Berliner Rewe Green Building durch die Vereinten Nationen im Rahmen des Projektes "Sustainia100". In einen ähnlichen Kontext dürfte auch die diesjährige Umbenennung des Schokoladenweihnachtsmannes in den zur Rewe Group gehörenden Penny-Märkten zu stellen sein. Wie Penny-COO Stefan Görgens am 3. November erklärte, setzt Penny „mit der Schokofigur 'Zipfelmensch' (...) alle Jahre wieder ein Zeichen für mehr Toleranz."
Der Rückzug der Rewe Group aus dem Sponsoring des DFB trifft in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Während Adidas-Sprecher Oliver Brüggen erklärt, „Sport bietet wichtigen Themen eine Bühne“ und es sei „unerlässlich, die Diskussion fortzuführen", hält Professor Markus Voeth von der Universität Hohenheim in einem Interview des Spiegel die Kündigung des Werbevertrages für "nicht klug" und rät "anderen Sponsoren ab [...], dem Beispiel zu folgen."
Als „billigen Protest“, den man „als PR-Aktion auch nicht besser [hätte] planen können" bezeichnet Marketingexperte Peter Rohlmann die Rewe-Entscheidung in der Zeit. Eine Einschätzung, deren Beweis allerdings erst noch erbracht werden muss. Denn die abschließende Entscheidung werden die Kunden treffen.
In gewisser Hinsicht findet in den Rewe-Märkten ab sofort eine Volksabstimmung statt: Werden die nicht natürlich gewachsenen, sondern politisch verordneten Vorgaben für eine 'woke' Gesellschaft von den Deutschen bereits mehrheitlich mitgetragen? Unterstützen die Verbraucher die neue Realität, in der Unternehmen, Politik und öffentliche Meinungsbildung zunehmend verschmelzen?
Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, inwieweit sich die Menschen der berühmten 'Macht der Verbraucher' bewusst sind. Und ob sie bereit sind, diese einzusetzen.
Theoretisch kann die Überraschung auch von beiden Seiten kommen. Wenig realistisch erscheint es allerdings, dass die Kunden Rewe die Türen einrennen vor lauter Begeisterung.
Nachtrag: Anwalt Joachim Steinhöfel erinnert per Twitter daran, dass Rewe den DFB schon im Oktober informiert hatte, den Vertrag auslaufen zu lassen. Für Steinhöfel ist der Discounter "Trittbrettfahrer".
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Kommentar von Bernd Neumann
Ergänzend sollte man erwähnen, daß REWE den Vertrag mit dem DFB ohnehin zum Jahresende 2022 gekündigt hatte, wobei vermutlich nur wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt haben.
Die vom Konzern übrr Twitter ausgesprochene Sofortkündigung (bei der die tatsächliche, vertragsgemäße Kündigung verschwiegen wurde), war also nichts als geschickte PR. Und für was und wen?
REWE sieht sich gerade in den urbanen Zentren einem hohen Konkurrenzdruck nicht so sehr durch die Discounter, sondern vor allem Biomärkten ausgesetzt, dort wo die zahlungskräftige Kundschaft grünlinks gepolteter Ökomamas, Hochschullehrer, NGO-Mitarbeiter, Staatsdiener und Lastenradfahrer einkauft. Nicht mit Hartzern oder Rentnern, sondern ihnen kann man noch Geld verdienen, die immer größer werdenden Regale mit veganem Essen in jedem RERE-Markt beweisen das. Das Virtue Signalling von REWE richtete sich also nur an diese Gruppe. Die Unternehmensführung in Köln mag sich damit kurzfristige Vorteile ausrechnen.
Ob sie sie realisieren kann, hängt von denen ab, die nicht grünlinks sind. Ich jedenfalls ziehe meinen Schluß daraus. Auch wenn es fallweise etwas unbequem ist, kaufe ich nicht mehr bei REWE ein.
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Kommentar von Peter Löcke
Nun ja. Ich setze die Worte des CEO's um. Ich werde REWE jetzt nachhaltig meiden. Aus diversen Gründen. Es gibt schließlich Alternativen. Vielfältige Alternativen. Und REWE gebe ich einen Tritt in den Allerwertesten und hinterlasse dabei einen - wenn auch kleinen - ökonomischen Fußabdruck.