„Zwei Tage Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl und Unwohlsein“

Placebo von Hirschhausen und „Das Impfbuch für Alle"

von Gregor Leip (Kommentare: 10)

„Mit Beiträgen von Dr.med. Eckart von Hirschhausen"© Quelle: Gregor Leip

Ein Zufallsfund spülte mir binnen Sekunden den ganzen Wahnsinn wieder hoch. Und dann stolperte ich über den Text eines TV-Arztes, der von harmlosen Impffolgen sprach: Der aber selber zunächst nur Placebos gespritzt bekommen hatte. Eine spontane Entrüstung.

Im April 2023 scheiterte die AfD mit ihrer Forderung nach einem Corona-Untersuchungsausschuss im deutschen Bundestag. 577 Abgeordnete stimmten dagegen und 71 Parlamentarier dafür. Der Untersuchungsausschuss sollte laut Antrag „das Verhalten der Bundesregierung und ihrer Geschäftsbereichsbehörden im Zusammenhang mit der Bewältigung der Maßnahmen gegen das Coronavirus untersuchen“.

Die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Amira Mohamed Ali, Klaus Ernst, Nastic Zaklin, Jessica Tatti und Christian Leye stimmten gegen den Antrag der AfD, also auch gegen den Untersuchungsausschuss. Heute sind die genannten Abgeordneten Führungsmitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Im Januar 2024 bat Sarah Wagenknecht den Corona-Maßnahmengegner und Impfkritiker Dr. Friedrich Pürner, für das Europaparlament zu kandidieren.

Knapp ein Jahr nach dem AfD-Antrag fordert Sarah Wagenknecht als Vorsitzende des BSW nun selbst einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Pandemie. Verantwortliche wie Christian Drosten und Karl Lauterbach sollen dort vorgeladen werden.

All das ging mir durch den Kopf, als ich heute gemeinsam mit meiner Frau in einem ehemaligen Industriekomplex ein Secondhand-Geschäft des Deutschen Roten Kreuzes besuchte und im hinteren Teil der Halle auf einem „Zu Verschenken"-Regal „Das Impfbuch für Alle" liegen sah.

Meine Frau stöberte noch zwischen den Bekleidungsregalen und hatte bereits einige „Originale" unter den Arm geklemmt. Ich fühlte mich kleidungsmäßig eingedeckt. Aber ich mag diesen abgestandenen und vielschichtigen Geruch solcher Läden. Also setzte ich mich vor mich hin schnuppernd in eine Ecke mit besagter impfpassgelber Erstausgabe von „Das Impfbuch für Alle“, herausgegeben im Juni 2021 vom Robert Koch-Institut (RKI).

Tatsächlich war mir dieses Heft als Impfskeptiker aus einem ganz bestimmten Grund im Gedächtnis geblieben. Denn in der Hochphase der Impfauseinandersetzungen hatte ich mich darüber empört, dass sich dieser schrille Fernseharzt Dr. med. Eckart von Hirschhausen hier noch aus Steuergeldern eine Gratis-Werbung für seinen verwinkelten Hirschhausen-Kosmos bezahlen ließ. Auf dem Deckel steht nämlich: „Mit Beiträgen von Dr.med. Eckart von Hirschhausen".

Ich saß also zwischen den Bekleidungsregalen, meine Frau wedelte mit einer 70er-Jahre-Sportjacke in der Hand zu mir herüber, ich nickte abwesend und schaute dann mit wütenden Augen weiter auf „Das Impfbuch für Alle“. Der Blick verwirrte nun wieder die Frau, die mit den Lippen zu mir herüberformte: „Nehmen?“

Ich schaute ein paar Sekunden auf die Jacke, justierte die Iris aber nicht nach und bleib weiter auf Lesestärke eingestellt. Aber das konnte Frau aus der Entfernung bestimmt nicht sehen. Ich hob gleichzeitig Augenbrauen und Daumen. Es genügte ihr.

Doch zurück zum Impfbuch des RKI. In der Einleitung, geschrieben vom „Impfbuch-Team“, wurde den Lesern im Jahr 2021 kostenloses solides Impfgrundwissen versprochen. Das Büchlein warb damit, dass Deutschlands bekanntester Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen dabei geholfen habe. Auch als Teilnehmer einer Impfstudie wird der TV-Doktor erwähnt. Er habe seine Erfahrungen gern mit eingebracht.

Die Einleitung schließt mit den salbungsvollen Worten:

„Klar, …wir krempeln die Arme hoch. Denn wir finden Impfen wichtig und wir freuen uns darauf, den Alltag zurückgewinnen zu können.“

Eckart von Hirschhausen hatte erst einige Monate vor seiner Mitarbeit an diesem RKI-Propagandawerk für Impfmittelhersteller im Februar 2021 mit einem beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) ausgestrahlten Film „Hirschhausen als Impfproband" für Aufmerksamkeit gesorgt. Seine Motivation für diese Filmproduktion schilderte er damals so:

„Ich hatte mir überlegt, was mein Beitrag sein könnte, damit wir den Impfstart in Deutschland nicht durch Wissenslücken und Misstrauen in den Sand setzen.“

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Als ehemaliger Arzt in der Kinderheilkunde habe er erlebt, was für ein Segen wirksame Impfungen seien. Hirschhausen präsentiert sich im Film selbst als Testperson vor der Kamera. Er lässt sich live einen noch in der klinischen Studie und nicht zugelassenen Impfstoff spritzen.

Im Interview gibt er zu verstehen, dass der Nutzen des Impfstoffs glasklar sei und der Schaden der Impfung auch klar: „Zwei Tage Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl und Unwohlsein.“

Am 12.06.2023 bewirbt dann das Erste Programm den Sendetermin „Hirschhausen – was von Corona übrig blieb“ mit folgenden Worten:

„(Hirschhausen) beobachtet, hört zu, gibt den Opfern der Pandemie und deren Angehörigen Gesicht und Stimme und erzählt eindrücklich Geschichten von Menschen, für die die Pandemie noch nicht vorbei ist.“

Ich lese weiter in diesem „Impfbuch für Alle“ aus der Anfangszeit der Corona Maßnahmen mit Beiträgen von Dr. Hirschhausen, abgelegt auf einem Tischchen des Deutschen Roten Kreuzes. Draußen in der Welt kämpfen derweil Geimpfte mit ihren bleibenden Schäden und Hinterbliebene von Impfopfern mit ihrer Trauer. Und sozial ausgegrenzte Ungeimpfte verlangen mit allem Recht der Welt Aufklärung und Aufarbeitung des Corona-Regimes.

Auf Seite 9 und 10 mit dem Untertitel „Auf der Beschleunigungsspur“ ist ein Abschnitt gelb gemarkert. Dort fragt das Team stellvertretend für den Leser:

„Was passiert mit Impfstoffen, wenn man den Prüfprozess beschleunigt?“

Die vorläufige Antwort gibt das RKI-Impfteam gleich im nächsten Satz :

„Die Beschleunigung ging nicht auf Kosten von Sicherheit und Wirksamkeit."

Hirschhausen ist mit sieben gelb unterlegten halbseitigen Beiträgen vertreten. Er berichtet davon, froh zu sein, dass mittels der Impfung ein Weg gefunden wurde,  Menschen mit schwächerem Immunsystem oder Vorerkrankungen eine Chance zu geben, sich zu schützen, und dass die Redensart „Nur die Harten kommen in den Garten" lange genug gegolten hätte.

Im folgenden ebenfalls gelb unterlegten Beitrag berichtet Hirschhausen davon, dass er als Impftestperson keine der vorher aufgezeigten Risiken erlitten habe. Er gesteht aber, dass das kein Wunder sei, da er, wie er inzwischen wisse, zu jener Kontrollgruppe gehöre, die nur ein Scheinmittel bekamen, ein so genanntes Placebo.

Ich lese und frage mich: Aber wie ist es dann zu erkären, dass Dr.med. von Hirschhausen in einer vier Monate vor dem Erscheinen dieses Buches ausgestrahlten Sendung „Hirschhausen als Impfproband“ den Zuschauern des WDR mitteilt, dass außer Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl und Unwohlsein keine Nebenwirkungen zu erwarten seien. Mit seinen eigenen Impferfahrungen kann das nichts zu tun haben.

Ob und inwieweit hinreichend Dr. von Hirschhausen explizit darauf hingewiesen hat, dass er als Testperson mutmaßlich gar keinen Impfstoff gespritzt bekam und seine individuellen Erfahrung gar keinen Hinweis auf die Verträglichkeit erbracht haben kann, wird vielleicht einmal Gegenstand einer von der AfD und neuerdings dem BSW geforderten Untersuchung sein.

Hirschhausen endet in einem letzten gelb markierten Beitrag des RKI-Buches mit dem Wunsch, als Kulturschaffender (nicht als Arzt oder Wissenschaftler!) wieder vor einem Publikum stehen zu können. Einem geimpften, geschützten oder genesenen Publikum.

Was das RKI 2021 selbst noch in das „Impfbuch für Alle“ geschrieben hat? Dazu komme ich nicht mehr. Mein geimpftes oder genesenes Publikum steht in Gestalt meiner Frau vor mir. Vollbepackt mit Secondhand-Klamotten, die lange vor dem Corona-Regime noch als Neuware von jemandem gekauft wurden, dem sie lieb und teuer war. Damals, als sich irgendwo auf der Welt schon Menschen Gedanken darüber machten, wie sie andere Menschen terrorisieren können.

Und sie kamen damit durch.

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